Zwangsarbeit: EU will Produkte vom europäischen Markt verbannen

Das Verbot für in Zwangsarbeit hergestellte Produkte soll sich sowohl auf im Binnenmarkt Gefertigtes als auch auf Importe beziehen. Die Situation von KMU will die EU besonders berücksichtigen.

Laut der EU sind weltweit etwa 27,6 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit. (Symbolbild: TheVisualsYouNeed / AdobeStock)
Laut der EU sind weltweit etwa 27,6 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit. (Symbolbild: TheVisualsYouNeed / AdobeStock)
Therese Meitinger

Die EU-Kommission will Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt werden, auf dem EU-Markt verbieten. Das berichtet eine Pressemitteilung vom 14. September. Der Vorschlag der Kommission bezieht sich demnach auf sämtliche Produkte, unabhängig davon, ob sie in der EU für den Inlandsverbrauch oder die Ausfuhr hergestellt oder aus Drittstaaten eingeführt werden. Dieser umfassende Ansatz sei wichtig, da in vielen Wirtschaftszweigen und in allen Weltregionen insgesamt schätzungsweise 27,6 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit sind, begründete die EU-Kommission ihren Vorstoß.

Der für den Binnenmarkt zuständige Kommissar Thierry Breton erklärte:

„Um unserer Vorreiterrolle in Industrie und Technologie gerecht zu werden, müssen wir unsere Werte entschlossener verteidigen und unsere Regeln und Normen selbstbewusster festlegen.“

Der EU-Binnenmarkt eigne sich vorzüglich dazu, den Verkehr von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten in der EU zu unterbinden, und er sei ein wichtiger Ausgangspunkt für die Förderung von mehr Nachhaltigkeit weltweit, so Breton weiter.

Zwangsarbeit findet hauptsächlich in der Privatwirtschaft statt, wird aber in einigen Fällen auch staatlich angeordnet. Der Vorschlag baue auf international vereinbarten Definitionen und Normen auf und mache die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit mit Partnern auf der ganzen Welt deutlich, heißt es in der Mitteilung. Die nationalen Behörden sollen dem Entwurf zufolge ermächtigt werden, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte nach einer Untersuchung vom EU-Markt zu nehmen. Die Zollbehörden der EU sollen in Zwangsarbeit hergestellte Produkte an den EU-Außengrenzen identifizieren und stoppen.

Was das Verbot von Zwangsarbeit konkret bedeutet

Der Plan der EU-Kommission sieht vor, dass die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten das Verbot im Rahmen eines soliden, risikobasierten Ansatzes umsetzen. In einer ersten Phase sollen sie eine Bewertung des Risikos von Zwangsarbeit auf der Grundlage vieler verschiedener Informationsquellen vornehmen, was insgesamt die Ermittlung der Risiken erleichtern und dazu beitragen soll, die Bemühungen der Behörden zu fokussieren. Zu diesen Quellen gehören Kommissionsangaben zufolge Stellungnahmen der Zivilgesellschaft, eine Datenbank zum Zwangsarbeitsrisiko mit Schwerpunkt auf bestimmten Produkten und geografischen Gebieten sowie die von Unternehmen durchgeführten Sorgfaltsprüfungen.

Die Behörden werden, so die Mitteilung, Untersuchungen zu Produkten einleiten, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Sie können Informationen von Unternehmen anfordern und auch in Nicht-EU-Staaten Kontrollen und Inspektionen durchführen. Wenn sich der Verdacht auf Zwangsarbeit bestätigt, ordnen die Behörden die Rücknahme der bereits in Verkehr gebrachten Produkte vom Markt an und untersagen das Inverkehrbringen und die Ausfuhr der Produkte. Die Unternehmen müssen die Waren verwerten. Für die Durchsetzung des Verbots an den EU-Außengrenzen werden die Zollbehörden der Mitgliedstaaten zuständig sein.

Können die nationalen Behörden nicht alle notwendigen Beweismittel zusammentragen, zum Beispiel wegen mangelnder Kooperation eines Unternehmens oder einer Behörde eines Nicht-EU-Staates, können sie die Entscheidung anhand der verfügbaren Informationen treffen.

Die zuständigen Behörden sollen laut dem Entwurf im gesamten Verfahren die Grundsätze einer risikobasierten Bewertung und der Verhältnismäßigkeit anwenden. Vor diesem Hintergrund soll die Situation kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) in dem Vorschlag besonders berücksichtigt werden. Zwar sind KMU den Angaben zufolge nicht von der Anwendung des Instruments ausgenommen, sie sollen nach Maßgabe der EU jedoch von dessen spezifischer Ausgestaltung profitieren. Die zuständigen Behörden berücksichtigen nämlich die Größe und die Ressourcen des jeweiligen Wirtschaftsakteurs sowie das Ausmaß des Risikos von Zwangsarbeit, bevor sie eine formelle Prüfung einleiten. Auch Unterstützungsinstrumente sind vorgesehen.

Außerdem will die Kommission innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung Leitlinien veröffentlichen, in denen Hilfestellungen für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit Zwangsarbeit und Informationen zu den Risikoindikatoren für Zwangsarbeit enthalten sein werden. Das neue EU-Netzwerk für in Zwangsarbeit hergestellte Produkte („EU Forced Labour Product Network“) wird als Plattform für die strukturelle Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und der Kommission dienen.   

Nächste Schritte

Der Vorschlag muss nun vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union erörtert und gebilligt werden, bevor er in Kraft treten kann. Der Geltungsbeginn des Instruments liegt 24 Monate nach seinem Inkrafttreten.