Weltweite Lieferketten: Stehen in der Seefracht die Zeichen auf Erholung?

Laut Daten von Project44 verbessern sich in der Seefracht gerade die Zeitplangenauigkeit und die Pünktlichkeit von Lieferungen. Doch die Sache hat einen Haken.

Im ersten Halbjahr machten sich Lockdowns in chinesischen Metropolen wie Shanghai in den weltweiten Lieferketten bemerkbar. (Symbolbild: Lotusjeremy / AdobeStock)
Im ersten Halbjahr machten sich Lockdowns in chinesischen Metropolen wie Shanghai in den weltweiten Lieferketten bemerkbar. (Symbolbild: Lotusjeremy / AdobeStock)
Therese Meitinger

Der US-amerikanische IT-Anbieter Project44 hat die Daten seiner SCM-Plattform mit Blick auf die Lage der weltweiten Lieferketten ausgewertet und auch externe Daten für die Analyse herangezogen. Dabei zeigt sich laut einer Pressemitteilung vom 1. August ein ambivalentes Bild. In der ersten Jahreshälfte 2022 spielten Project44 zufolge viele makroökonomische Faktoren eine Rolle: Auswirkungen hatten demnach aber vor allem die coronabedingten Lockdowns in China, die die Produktionsleistung reduzierten, sowie der anhaltende Mangel an intermodalen Kapazitäten in den USA und in Europa aufgrund von Engpässen bei Schienen, Chassis und Arbeitskräften. Auch der Russland-Ukraine-Konflikt habe die Fahrpläne in Europa durcheinandergebracht, heißt es. Die Streiks der Hafenarbeiter, Eisenbahner und Lkw-Fahrer in den USA, Europa und Südkorea in jüngster Zeit seien ein zusätzlicher Stressfaktor.

Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte ist Projet44 zufolge jedoch die Inflation das vorherrschende Thema. Die chinesische Industrieproduktion ist demnach um fast 30 Prozent zurückgegangen, da die Verbraucher ihre Ausgaben auf Dienstleistungen verlagert haben. Steigende Gas- und Kraftstoffpreise schmälerten die Kaufkraft und in Zukunft wird sich vor allem die rückläufige Nachfrage auf die Lieferketten auswirken, so der Anbieter.

Pünktlichkeit der Seetransporte

Basierend auf eigenen und externen Daten unternimmt Project44 mehrere Prognosen – beginnend mit der Pünktlichkeit der Seetransporte, deren Fahrpläne bekanntermaßen durcheinandergeraten sind. Der Shipment-On-Time-Index von Project44 misst in diesem Zusammenhang die Pünktlichkeit von Sendungen, die innerhalb von 24 Stunden nach der ursprünglich geplanten Zustellung ankommen.

Bei den beiden wichtigsten Handelsrouten – der Transpazifikroute in Richtung Osten und der Asien-Europa-Route in Richtung Westen – lag demnach die Pünktlichkeitsquote zwischen 2019 und 2022 bei annähernd 70 bis 80 Prozent. Im Januar 2022 erreichte sie dann ihren Tiefpunkt und hat sich seitdem nicht mehr vollständig erholt. Im Mai 2022 lag die Quote immer noch bei etwa zehn Prozent.

Daraus zieht das IT-Unternehmen zwei grundlegende Schlussfolgerungen:

  1. Die Sendungen kommen nicht pünktlich an. Hauptursache ist die anhaltend mangelhafte Fahrgenauigkeit. Sie erschwert es Lieferkettenmanagern, intermodale Abholungen zu koordinieren.
  2. Wir befinden uns derzeit in der Nebensaison. Eine bessere Fahrplangenauigkeit nach dem Sommer 2022 und vor der Hochsaison im Winter ist unerlässlich.

Asien-Europa-Route bleibt störanfällig

Der Anbieter sieht jedoch auch einige potenziell gute Nachrichten: Die Verspätung von Sendungen nimmt Project44 zufolge ab, insbesondere auf der Route China – US-Westküste. Dort sank die Verspätungsquote von zwölf Tagen im Januar auf nur zwei Tage im Juni. Auch auf der Strecke China – Europa habe sich die durchschnittliche Verspätung von elf Tagen im Februar auf nur noch vier Tage reduziert, heißt es.

Auch wenn die Fahrpläne noch nicht ihren Normalzustand erreicht hätten, schließen sich laut Index allmählich die Lücken. Diese Verbesserung zeigt sich auch bei der Pünktlichkeit im Komplettladungsverkehr in den USA und Europa. In den USA sind die Tiefstwerte von unter 70 Prozent, die während der Pandemie erreicht wurden, nun auf 75 Prozent gestiegen. Die Verbesserungen zeigen sich jedoch nur schleppend. So liegt die Pünktlichkeit noch immer unter den Werten vor der Pandemie (fast 90 Prozent). In Europa zeichnet sich ein ähnliches Bild ab.

Die transpazifische Handelsroute konnte sich Project44 zufolge dagegen aufgrund ihres direkteren Verlaufs schneller erholen. Auf der Strecke von China nach Europa gibt es deutlich mehr Umschlagshäfen. Es bestehe also ein viel größeres Rollover-Potenzial und dadurch eine höhere Störungsanfälligkeit, argumentiert Project44. Aus diesem Grund sei auf der Asien-Europa-Route eine wesentlich langsamere Verbesserung zu beobachten.

Ozean-Transitzeiten

Die Transitzeiten auf dem Seeweg zeigen das gleiche Muster: Auf der Route China – US-Westküste sank die Transitzeit von 45 Tagen im Januar den Erhebungen zufolge auf nur noch 26 Tage im Juni, was dem Niveau vor der Pandemie sehr nahekommt. Es bleibe abzuwarten, ob sich dieser Trend weiter fortsetzt, so Project44. Die steigenden Kosten für Öl und Schiffsdiesel könnten die Reedereien dazu zwingen, die Fahrgeschwindigkeit der Schiffe zu reduzieren, um Transportkosten zu sparen.

Auch auf der Strecke China – Europa sind die Transitzeiten zurückgegangen, allerdings in geringerem Maße. Nach einem Höchststand von 50 Tagen im Januar liegen sie laut den Daten jetzt bei 45 Tagen. Dieser Wert ist aber noch immer weit von der durchschnittlichen Transitzeit von 30 Tagen entfernt, die vor Covid die Regel war. Dies sei auf Störungen im Fahrplan und die hohe Zahl von Umladungen in den südostasiatischen Häfen für Sendungen auf dem Weg nach Europa zurückzuführen, so der Anbieter.

Auch auf der Strecke China – Europa sind die Transitzeiten zurückgegangen, allerdings in geringerem Maße. Nach einem Höchststand von 50 Tagen im Januar liegen sie laut den Daten jetzt bei 45 Tagen. Dieser Wert ist aber noch immer weit von der durchschnittlichen Transitzeit von 30 Tagen entfernt, die vor Covid die Regel war. Dies sei auf Störungen im Fahrplan und die hohe Zahl von Umladungen in den südostasiatischen Häfen für Sendungen auf dem Weg nach Europa zurückzuführen, so der Anbieter.

Blank Sailings nehmen ab

Mit der Annullierung von Fahrten und der Streichung bestimmter Streckenabschnitte versuchen Reedereien, die Fahrplangenauigkeit und die Rentabilität ihrer Dienste aufrechtzuerhalten. Nach zahlreichen Leerfahrten im Mai – allein am 9. Mai waren es 133 – melden die Reedereien nun, dass in den kommenden Wochen etwa 70 Fahrten gestrichen werden. Das entspricht einer Leerfahrtquote von etwa 30 Prozent. Das ist Project44 zufolge zwar noch immer mehr als das, was zu dieser Jahreszeit als normal gilt (etwa 20 Prozent), stellt aber dennoch eine Verbesserung dar. Auch hier bemühten sich die Frachtführer, die Zuverlässigkeit und Rentabilität zu erhöhen.