Verkehr: Ampel-Koalition stellt Pläne für die kommende Legislaturperiode vor

SPD, Grüne und FDP wollen nach Eigenangaben nachhaltige, innovative und bezahlbare Mobilität ermöglichen.

Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat am 24. November ihre Maßnahmen für die Verkehrspolitik der kommenden vier Jahre vorgestellt. (Symbolbild; Foto: Destina/AdobeStock)
Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat am 24. November ihre Maßnahmen für die Verkehrspolitik der kommenden vier Jahre vorgestellt. (Symbolbild; Foto: Destina/AdobeStock)
Sandra Lehmann
(erschienen bei LOGISTRA von Redaktion (allg.))

Die designierte Ampel-Koalition in Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, die 2020er Jahre zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik zu nutzen und will nach eigener Darstellung eine nachhaltige, effiziente, barrierefreie, intelligente, innovative und für alle bezahlbare Mobilität ermöglichen. Man wolle die Ziele dialogorientiert umsetzen und die Maßnahmen regelmäßig überprüfen, heißt es in der Vorlage zum Koalitionsvertrag, die dem "Spiegel" vorlag.

"Die erforderlichen Entscheidungen zur Erreichung unserer Klimaschutzziele für 2030 und 2045 mit dem Ziel der Dekarbonisierung des Mobilitätsbereiches werden wir treffen und die praktische Umsetzung deutlich beschleunigen", so die Vorlage weiter.

Mobilität sei ein zentraler Baustein der Daseinsvorsorge, Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Logistikstandorts Deutschland mit zukunftsfesten Arbeitsplätzen. Dafür solle die Infrastruktur ausgebaut und modernisiert sowie Rahmenbedingungen für vielfältige Mobilitätsangebote in Stadt und Land weiterentwickelt werden. Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur müssten weiter erhöht und langfristig abgesichert werden.

"Dabei wollen wir erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren, um prioritär Projekte eines Deutschlandtaktes umzusetzen. Bei den Bundesfernstraßen wollen wir einen stärkeren Fokus auf Erhalt und Sanierung legen, mit besonderem Schwerpunkt auf Ingenieurbauwerke."

Man strebe zudem einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen an, unter Beteiligung der wichtigsten Stakeholder. Grenzüberschreitender Verkehr soll gestärkt werden und mit der EU sowie ihren Mitgliedstaaten wolle man Nachtzugangebote aufbauen. Bis 2030 wollen die Ampel-Koalitionäre 75 Prozent des Schienennetzes elektrifizieren und innovative Antriebstechnologien unterstützen. Die Digitalisierung von Fahrzeugen und Strecken soll prioritär vorangetrieben werden.

"Wir werden die Deutsche Bahn AG als integrierten Konzern inklusive des konzerninternen Arbeitsmarktes im öffentlichen Eigentum erhalten. Die internen Strukturen werden wir effizienter und transparenter gestalten", bekräftigt die künftige Koalition.

Die Infrastruktureinheiten (DB Netz, DB Station und Service) der Deutschen Bahn AG werden innerhalb des Konzerns zu einer neuen, gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte zusammengelegt. Diese stehe zu 100 Prozent im Eigentum der Deutschen Bahn als Gesamtkonzern.

Öffentlicher Verkehr und neue Mobilitätsangebote

Man wolle Länder und Kommunen in die Lage versetzen, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV zu verbessern. Ziel ist, die Fahrgastzahlen des öffentlichen Verkehrs deutlich zu steigern. Für eine nahtlose Mobilität wolle die Ampel-Koalition Verkehrsunternehmen und Mobilitätsanbieter verpflichten, ihre Echtzeitdaten unter fairen Bedingungen bereitzustellen. Anbieterübergreifende digitale Buchung und Bezahlung solle ebenfalls ermöglicht werden. Den Datenraum Mobilität entwickle man weiter. Intermodale Verknüpfungen sollen gestärkt und barrierefreie Mobilitätsstationen gefördert werden.

"Digitale Mobilitätsdienste, innovative Mobilitätslösungen und Carsharing werden wir unterstützen und in eine langfristige Strategie für autonomes und vernetztes Fahren öffentlicher Verkehre einbeziehen", unterstreichen die Politiker.

Damit alle neuen Busse einschließlich der Infrastrukturen möglichst zeitnah klimaneutral fahren, werde der Bund die bestehende Förderung verlängern und mittelstandsfreundlicher ausgestalten. Man setze sich zudem für faire Arbeitsbedingungen im ÖPNV ein. Mobilitätsforschung solle interdisziplinär aufgewertet werden, das Zentrum Zukunft der Mobilität neu aufgestellt und erweitert, sowie das Zentrum für Schienenverkehrsforschung gestärkt werden.

Güterverkehr: Emissionsfreie Stadtlogistik

Man unterstütze regionale Güterverkehrskonzepte, fördere emissionsfreie Stadtlogistik wie Ladezonen und Logistik-Hubs. Die Genehmigungspraxis von Schwerlast- und Großraumtransporten wollen man erleichtern. Die Kontrollbehörden sollen gestärkt werden und bessere Sozialstandards sowie Arbeitsbedingungen durchgesetzt. Sichere Lkw-Stellflächen an und um Autobahnen werde man ausbauen und telematisch optimieren, zudem dem Fachkräftemangel entgegenwirken, Qualifizierung modernisieren und Bürokratie abbauen.

"Wir setzen uns für eine Weiterentwicklung der CO2-Flottengrenzwerte für Nutzfahrzeuge ein und unterstützen die Vorschläge der Europäischen Kommission für den Aufbau von Tank- und Ladeinfrastruktur für Lkw", erklärt man weiter.

Lkw-Maut auf ab 3,5 Tonnen und CO2-Zuschlag

Man werde 2023 eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vornehmen, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen, unter der Bedingung, eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis auszuschließen. Die Mehreinnahmen sollen der Entwicklung der Mobilität zugute kommen.

Autoindustrie: Transformation unterstützen - Leitmarkt für E-Mobilität

Die Koalitionäre wollen den Transformationsprozess der deutschen Automobilindustrie vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Dekarbonisierung unterstützen, um Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu erhalten, wie es heißt. Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen werde man darauf ausrichten, dass Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität mit mindestens15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 ist.

"Gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen – entsprechend früher wirkt sich dies in Deutschland aus. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können", heißt es weiter.

Man setze sich zudem für die Verabschiedung einer ambitionierten und umsetzbaren Schadstoffnorm EURO 7 ein und werden dabei Wertschöpfung und Arbeitsplätze berücksichtigen.

"Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren und beschleunigen massiv den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur. Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030", versprechen die Ampler.

Man werde außerdem den Wandel in den Automobilregionen hin zu Elektromobilität durch gezielte Clusterförderung unterstützen. Dazu sollen die auf Bundesebene bestehende Kooperations- und Dialogformate im Bereich Automobilwirtschaft in einer Strategieplattform "Transformation Automobilwirtschaft" mit Mobilitätswirtschaft, Umwelt- und Verkehrsverbänden, Sozialpartnern, Wissenschaft, Bundestag, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden mit den zuständigen Bundesressorts gebündelt werden, um das Ziel der Klimaneutralität, die Wertschöpfung sowie Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sichern.

Ausbau der Ladeinfrastruktur, bevor der Bedarf entsteht

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur müsse dem Bedarf vorausgehen, befinden die Koalitionäre. Man werde deshalb den vorauslaufenden Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur mit dem Ziel von einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkten bis 2030 mit Schwerpunkt auf Schnellladeinfrastruktur ressortübergreifend beschleunigen, auf Effizienz überprüfen und entbürokratisieren. Man setzt dabei auf die Mobilisierung privater Investitionen.

"Wo wettbewerbliche Lösungen nicht greifen, werden wir mit Versorgungsauflagen, wo baulich möglich, die verlässliche Erreichbarkeit von Ladepunkten herstellen", bekräftigt man.

So werde man etwa: 

  • Die Förderung für den Ausbau der Ladeinfrastruktur effektiver und effizienter ausgestalten.
  • Hemmnisse in Genehmigungsprozessen, bei der Netzinfrastruktur und den Netzanschlussbedingungen abbauen und die Kommunen bei einer vorausschauenden Planung der Ladeinfrastruktur unterstützen.
  • Bidirektionales Laden ermöglichen.
  • Transparente Strompreise und einen öffentlich einsehbaren Belegungsstatus schaffen.
  • Den Aufbau eines flächendeckenden Netzes an Schnellade-Hubs beschleunigen und die Anzahl der ausgeschriebenen Hubs erhöhen.

Man werde den Masterplan Ladeinfrastruktur zügig überarbeiten und darin notwendige Maßnahmen aus den Bereichen Bau, Energie und Verkehr bündeln sowie einen Schwerpunkt auf kommunale Vernetzung der Lösungen legen. Wir setzen uns für ambitionierte Ausbauziele auf europäischer Ebene ein.

Verkehrsdaten schneller verfügbar machen per Gesetz

Geschafft werden soll ein Mobilitätsdatengesetz, mit freier Zugänglichkeit von Verkehrsdaten. Im Gesetz zum autonomen Fahren werde man die Regelungen verbessern, Haftungsfragen klären und die Datenhoheit der Nutzer sicherstellen.

Straßenverkehrsordnung soll angepasst werden

Die Koalition verspricht, Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anzupassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen. Man wolle auch eine Öffnung für digitale Anwendungen wie digitale Parkraumkontrolle. In Umsetzung der Vision Zero werde man das Verkehrssicherheitsprogramm weiterentwickeln.

"Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben", lautet die klare Absage an eine Kernforderung der Grünen.

Um Jugendliche schon frühzeitig für die Gefahren im Straßenverkehr zu schulen, soll begleitetes Fahren ab 16 Jahren möglich werden. Zudem sollen Notbrems- und Abstandsassistenten in Nutzfahrzeugen nicht abgeschaltet werden dürfen. Die Nachrüstung von Lkw-Abbiegeassistenzsystemen soll bis zum verpflichtenden Einbau weiterhin gefördert werden.

Radverkehr: Nationalen Plan fortschreiben, Infrastruktur ausbauen

Die Koalition wolle den Nationalen Radverkehrsplan umsetzen und fortschreiben, den Ausbau und die Modernisierung des Radwegenetzes sowie die Förderung kommunaler Radverkehrsinfrastruktur vorantreiben. Zur Stärkung des Radverkehrs sollen die Mittel bis 2030 abgesichert und die Kombination von Rad und öffentlichem Verkehr gefördert werden.

Schiffsverkehr: Landstrom und alternative Antriebe

Zudem wolle man eine Nationale Hafenstrategie entwickeln. Den Schifffahrtsanteil im Güterverkehr soll steigen und dazu auch Hinterlandanbindungen gestärkt werden. Landstrom und alternative Antriebe und Kraftstoffe sollen gefördert werden, das Flottenerneuerungsprogramm für die klimafreundliche Binnenschifffahrt angepasst.

Luftverkehr nachhaltig weiterentwickeln

Man wolle die deutsche Luftverkehrswirtschaft und -industrie als Schlüsselbranchen nachhaltig und leistungsfähig weiterentwickeln, in einem umfassenden Beteiligungsprozess ein Luftverkehrskonzept 2030+ zur Zukunft der Flughäfen in Deutschland erstellen, die Schienenanbindung von Drehkreuzen fördern und durch bessere Bahnverbindungen die Anzahl von Kurzstreckenflügen verringern, unterstreichen die Politiker.

"Deutschland soll Vorreiter beim CO2-neutralen Fliegen werden bei Wahrung von fairen Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb. Unser Ziel ist die Schaffung von fairen Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb für einen wirksamen Klimaschutz im Luftverkehr, der Emissionen effektiv reduziert sowie Carbon Leakage vermeidet", heißt es in dem Papier.

Bis zur europäischen Entscheidung über die Einführung einer Kerosinsteuer in Anlehnung an den Energiegehalt werde man sich dafür einsetzen, auch europaweit eine Luftverkehrsabgabe einzuführen, wie sie in Deutschland erhoben wird. Flugtickets in der EU sollen nicht zu einem Preis unterhalb der Steuern, Zuschlägen, Entgelten und Gebühren verkauft werden dürfen.

Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer sollen für die Förderung von Produktion und Einsatz von CO2-neutralen strombasierten Flugkraftstoffen sowie für Forschung, Entwicklung und Flottenmodernisierung im Luftverkehr eingesetzt werden. Man unterstütze ambitionierte Quoten für Power-to-Liquid (PtL-Quoten) im Luft- und Schiffsverkehr, um einen Markthochlauf anzureizen und fördere zudem einen klimaneutralen Flughafenbetrieb.

Neuer Bundesverkehrswegeplan soll entstehen
Die Koalitionäre wollen auf Basis neuer Kriterien einen neuen Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 auf den Weg bringen, das Nebeneinander von Autobahn GmbH und Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau Gesellschaft (DEGES) aufheben. Man wolle Lärmbelastungen durch den Verkehr reduzieren, insbesondere die Reduzierung von mutwilligem Lärm vorantreiben.

Wasserstoff: Elektrolyseleistung soll stark steigen

Neben dem Ausbau der Infrastruktur werde man die Ziele zur Elektrolyseleistung deutlich erhöhen, europäische und internationale Klima- und Energiepartnerschaften für klimaneutralen Wasserstoff und seine Derivate auf Augenhöhe vorantreiben und Quoten für grünen Wasserstoff in der öffentlichen Beschaffung einführen, um Leitmärkte zu schaffen. Man fördere in Deutschland die Produktion von grünem Wasserstoff, aber im Interesse eines zügigen Markthochlaufs zukunftsfähiger Technologien auch dann, wenn die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff noch nicht ausreichend sichergestellt sei.

"Wir wollen den Einsatz von Wasserstoff nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzen. Grüner Wasserstoff sollte vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen", heißt es weiter.

Deutschland als Zentrum für Batteriezellforschung

Deutschland soll zudem zu einem Zentrum für Forschung, Fertigung und Recycling von Batteriezellen werden. Gemeinsam mit Sozialpartnern und lokalen Akteuren baue man regionale Transformations- und Qualifizierungscluster auf. Auch als globaler Standort der Halbleiterindustrie soll Deutschland gewinnen, um diese Schlüsseltechnologie in Europa zu sichern, zu stärken und zukunftssicher auszubauen. Die Fortführung und Weiterentwicklung der Europäischen Batterieprojekte (IPCEI) sowie die Ansiedelung weiterer Zellproduktionsstandorte einschließlich Recycling in Deutschland seien von zentraler Bedeutung, bekräftigt man. Dazu sei die Stärkung der Forschung an neuen nachhaltigen Batterie-Generationen entscheidend.

Kreislaufwirtschaft schaffen

Schließlich findet sich in dem Papier auch noch ein Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft, die man als effektiven Klima- und Ressourcenschutz, Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze sieht. Ziel sei die Senkung des primären Rohstoffverbrauchs und Schaffung geschlossener Stoffkreisläufe. In einer "Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie" sollen bestehende rohstoffpolitische Strategien gebündelt werden.

"Produkte müssen langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein. Wir stärken die erweiterte Herstellerverantwortung auf europäischer Ebene", so die Ampler.