Transportbarometer: Anzahl der Frachten in der Timocom-Börse geht um 28 Prozent zurück

Der Abschwung des Straßengüter-Transportmarktes in den Sommermonaten ist laut Timocom in diesem Jahr besonders ausgeprägt. Beim innerdeutschen Verkehr wurden im dritten Quartal 34 Prozent weniger Frachten in die Frachtenbörse des Freight-Tech-Unternehmens eingestellt.

Wegen der Störung der internationalen Lieferketten ist der Abschwung des Transportmarktes im Sommer 2022 laut Timocom besonders stark ausgeprägt. (Bild: Adobe Stock, Lukus Gojda)
Wegen der Störung der internationalen Lieferketten ist der Abschwung des Transportmarktes im Sommer 2022 laut Timocom besonders stark ausgeprägt. (Bild: Adobe Stock, Lukus Gojda)
Gunnar Knüpffer
(erschienen bei Transport von Nadine Bradl)

Das ganze erste Halbjahr 2022 wurde von einem massiven Ungleichgewicht auf dem europäischen Transportmarkt geprägt. Doch im 3. Quartal beginnt sich die Situation trotz aller negativer Vorzeichen laut dem am 13. Oktober veröffentlichten Timocom Transportbarometer zu entspannen. Zwar lag das Verhältnis von angebotener Fracht zu angebotenem Laderaum noch immer über der Marke von 70:30, allerdings gleicht sich die Kurve an das Niveau von 2021 an. Das Timocom Transportbarometer registrierte insgesamt 41,9 Millionen Frachteingaben im dritten Quartal 2022, was einem Plus von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum entspricht. 

„Die deutlichen Frachtüberhänge des zweiten Quartals lassen sich im dritten Quartal nicht ausmachen“, sagt Gunnar Gburek, Head of Business Affairs bei Timocom. „Stattdessen stellte sich eine saisonal bedingte Abkühlung des Transportmarktes ein, wie wir sie in den Sommermonaten üblicherweise beobachten.“

Dieser Abschwung sei 2022 sogar besonders ausgeprägt. Europaweit wurden im dritten Quartal 28 Prozent weniger Frachten in die Timocom Frachtenbörse eingestellt als im zweiten Quartal, bei den innerdeutschen Verkehren betrug die Veränderung sogar -34 Prozent.

Gründe hierfür seien unter anderem die Störung der internationalen Lieferketten als wirtschaftliche Spätfolge der Coronapandemie sowie der Krieg in der Ukraine. Als direkte Folge sind die Preise für Treibstoffe und Fahrzeuge massiv angestiegen und durch die hohe Inflation haben die Nachfrage ab- und die Lagerbestände zugenommen. Der Einkaufsmanager-Index des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik rangierte im Juli erstmals ins Minus und die wirtschaftlichen Aussichten zeigen nach unten. 

Gburek: „In Deutschland wird viel weniger Laderaum angeboten“

Die größte langfristige Herausforderung für den Transportmarkt sei zweifelsohne der Fahrermangel. Allein in Deutschland werden in fünf Jahren 185.000 Berufskraftfahrer fehlen, schätzt der Weltverband der Straßentransportwirtschaft IRU. Das wäre eine Verdreifachung des bestehenden Engpasses, der jüngst erstmals wissenschaftlich quantifiziert wurde: 56.000 Fachkräfte fehlen dem deutschen Transportmarkt aktuell, ergab eine Studie zu Kapazitätsengpässen in der Logistik, an der sich Timocom beteiligt. 

Die Auswirkungen lassen sich unmittelbar an den Eingaben von Lkw-Kapazitäten in die Timocom Fracht- und Laderaumbörse ablesen: Europaweit verharrten die Laderaumangebote 2022 auf dem Niveau des Vorjahres.

„Schaut man allerdings genauer hin, zeigt sich Besorgniserregendes“, sagt Gunnar Gburek. „In Deutschland ist der Trend eindeutig: Es wird viel weniger Laderaum angeboten als noch in den Jahren zuvor.“

Im Schnitt wurden in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres 24 Prozent weniger Kapazitäten in die Frachtenbörse eingestellt als im Vorjahr. 

Und auch aus den Frachtführer-Ländern Polen, Ungarn und Rumänien kommen immer weniger Kapazitäten. Seit Jahresbeginn stellten Unternehmen aus diesen drei Ländern im Schnitt acht Prozent weniger Laderaum auf den Timocom Marktplatz als im Vergleichszeitraum 2021. Ein Grund dafür sei neben den stark steigenden Kosten der Personalmangel.

„Wer denkt, es werden schon qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland nachkommen, der irrt sich“, sagt Gburek und appelliert: „Die Marktteilnehmer müssen dringend reagieren und Ineffizienzen wie Leerfahrten und Wartezeiten an Be- und Entladestellen abbauen.“ 

Polen und Litauen – Hoffnung auf neuen Laderaum?

Die Knappheit an Laderaum werde angesichts der bisherigen Zahlen und dem bevorstehenden Weihnachtsgeschäft noch zunehmen. Im kommenden Quartal rechnet Gburek europaweit mit weiter knappen Kapazitäten und steigenden Transportkosten. Ausnahmen könnten Litauen und Polen sein: Dort steigt das Laderaumangebot beziehungsweise die Anzahl großer Lkw.

„Viele polnische Transportunternehmen haben bisher auf Transporter mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen gesetzt“, erklärt Denis Pasala, Director am Standort Polen. „Doch mit dem Mobilitätspaket und der Änderung der Güterkraftverkehrsgenehmigung, Stichwort EU-Lizenz, wird das zunehmend unattraktiv und viele steigen jetzt auf größere Lkw um.“

Der Polnische Automobilverband PZPM registrierte im dritten Quartal 2022 deutlich mehr LKW-Neuanmeldungen, im August waren es 34 Prozent mehr als im Vorjahr, im September immerhin 17 Prozent. Die Registrierung von Fahrzeugen bis zu 3,5 Tonnen nahm dagegen ab.

Transportkosten werden an Auftraggeber weitergereicht

Paradoxerweise habe die extreme Disbalance zwischen Kapazitätsgesuchen und -angeboten in Zusammenhang mit den massiven Preisanstiegen für Personal, Fahrzeuge und Treibstoff zu einer neuen Stärke im Straßengüterverkehr geführt. Wurde in den zurückliegenden Pandemiejahren noch das fehlende Miteinander bemängelt, habe das Ausnahmejahr 2022 die Beteiligten am Straßengütertransport zum Umdenken gebracht. Zur Einordnung: Ob Diesel, LNG oder AdBlue, die Energiekosten sind seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine so stark gestiegen, dass einige Fuhrparkbetreiber bereits Fahrzeuge stillgelegt haben. Vor allem LNG-Lkw wurden laut Timocom aufgrund des hohen Gaspreises aus dem Verkehr gezogen und stehen dem Transportmarkt derzeit nicht mehr zur Verfügung. Angesichts des Fahrermangels sei völlig unklar, ob und wann diese Kapazitäten dem Markt wieder zugeführt werden.

Die Reaktionen der Auftraggeber auf die für viele Transportdienstleister bedrohliche Wirtschaftslage kam laut dem Freight-Tech-Unternehmen prompt: Viele ließen sich auf kurzfristige Preisanpassungen ein und vereinbarten neben Diesel- auch Energiefloater mit ihren Dienstleistern. Die ungestillte Nachfrage nach Laderaum habe den Transporteuren den nötigen Spielraum gegeben, um ihre rasant steigenden Transportkosten kurzfristiger als sonst an ihre Auftraggeber weiterzureichen.

Für das kommende Jahr sei dem Barometer zufolge weiter Entspannung in Sicht: Die sich abzeichnende Rezession in Deutschland werde die Anzahl an Frachtangeboten mindern und damit den Druck auf den Straßengütertransport reduzieren. Gburek erwartet, dass der saisonal bedingte Einbruch bei der Nachfrage nach Transportkapazitäten im Januar 2023 stärker sein wird als in den Vorjahren. Folglich werde der Kapazitätsmangel zurückgehen und mit ihm die Transportpreise, die mindestens auf hohem Niveau stagnieren würden.