Transport: Experten fordern mehr Schienengüterverkehr
Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn, schlechte Kommunikation, Flächennot, Wissenslücken in der Ausbildung: Das sind nur vier von einer ganzen Reihe an Gründen, warum weder Verlader noch deren Logistikdienstleister Transporte von der Straße auf die Schiene verlagern. So lautete das Kernergebnis des 10. Symposiums Logistik Innovativ des Logistik Kompetenz Zentrums (LKZ) im oberbayerischen Prien. Dort erörterten am 8. und 9. Mai Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in mehreren Dialogforen, warum seit Jahren der Güterverkehr auf der Schiene keine Fahrt aufnimmt. Aktuell finden 70 Prozent aller Transporte auf der Straße statt, den Rest teilen sich Bahn und Binnenschiff. Studien gehen sogar davon aus, dass der Anteil der Lkw am gesamten Transport bis auf 80 Prozent steigen könnte.
Forderungen an Politik
Für den Keynote-Speaker des Symposiums, Prof. Dr. Dirk Engelhardt, ist dieser Zustand „nicht hinnehmbar“. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) forderte daher Politik und Wirtschaft auf, den Umstieg von der Straße auf die Schiene anzuschieben. Bereits heute sei die Situation im Land des Logistikweltmeisters dramatisch. „Wir stehen kurz vor dem Versorgungskollaps“, so Engelhardt. In diesem Zusammenhang berichtete er von Tankstellen, die nicht mehr beliefert werden und Lebensmittelproduzenten, die das Weihnachtsgeschäft 2017 nur noch deshalb über die Bühne gebracht haben, weil sie zuvor Rentner als Lkw-Fahrer und Lagerarbeiter reaktiviert hatten.
15.000 Fahrer fehlen pro Jahr
Der Mangel an Lastwagenfahrern ist dem BGL-Chef zufolge hierzulande bereits „ein großes Problem“. Jedes Jahr fehlten 15.000 Lkw-Lenker. Selbst Unternehmen, die Fahrern das doppelte Gehalt offerierten, fänden keine Mitarbeiter, so Engelhardt. Viele potenzielle Fahrer seien durch das Image des Berufs sowie die Arbeitsbedingungen davon abgeschreckt, sich hinters Lenkrad zu setzen. Engelhardt zufolge fehlen hierzulande beispielsweise offiziell 15.000 Parkplätze für Fernfahrer, innoffiziell spreche die Szene sogar von rund 40.000. Verschärfen wird sich laut dem BGL-Chef die Situation auf den Straßen in den kommenden Jahren dadurch, dass sich alleine das Transportvolumen zwischen Asien und Europa in den nächsten Jahrzehnten verzehn- bis verzwölffachen wird. Dazu komme eine Paketflut aufgrund des weiter wachsenden Online-Handels. Was sich verändern müsste, damit der kombinierte Verkehr Fahrt aufnimmt, diskutierten rund 120 Teilnehmer des Symposiums in mehreren Dialogforen.
Offen für Konzepte
Aus der Gruppe der Verlader berichtete Marcus Wollens, Leiter Steuerung Produktion, Logistik, Controlling bei der BMW Group in Regensburg, dass die Bahn seit Jahren Wettbewerbsnachteile habe. Im Prinzip sei der Autobauer offen für neue Konzepte, aber die stundengenaue Lieferungen von Teilen ans Band sei für Logistikdienstleister eine Herausforderung, die mit Bahneinsatz kaum darstellebar sei. Er bemängelte bei Spediteuren zudem eine oft unzureichende Kenntnis über Möglichkeiten des Kombinierten Verkehrs.
Fehlendes Wissen
Aus der Gruppe der Logistikdienstleister berichtete Thomas Eberl, dass vielen Unternehmen die Erfahrungen im Kombinierten Verkehr fehlten. „Daher gehen viele auf Nummer sicher“, sagte der Geschäftsführer von Eberl - Internationale Spedition. Die Straße sei bei allen mittelständischen Spediteuren der Benchmark. Er und seine Kollegen wünschten sich für die Zukunft, dass jeder Trailer bahnfähig gebaut sei. Heute sind nur fünf Prozent aller neuen Auflieger kranbar.
Längere Züge
Wünsche trug aus dem Gesprächskreis der Bahnunternehmen Mirko Pahl, CEO von TX Logistik, vor. Auf den europäischen Hauptkorridoren sollten Züge mit 1.500 Metern Länge verkehren können, so Pahl. Außerdem sei ein „europäischer Blick“ auf die Fahrpläne nötig, damit länderübergreifende Verkehre effizient ablaufen könnten. Die Bahnunternehmen wünschten sich zudem eine höhere Achslast – nämlich 30 Tonnen pro Achse. Ein „richtiges Desaster“ sind aus Sicht Pahls fünfstündige Sperrungen des Brenner-Korridors an mehreren Tagen im Monat. „Das ist nicht hinnehmbar“, erzürnte sich der Manager.
Unterstützung für Future Trailer
Die Verlagerungen von Transporten von der Straße auf die Schiene sei auch ein „großes Anliegen“ der Politik, sagte in Prien Ilse Aigner, Bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr. Deshalb stehe die optimierte Vernetzung zwischen den Verkehrsträgern ganz oben auf der Agenda der bayerischen Politik. „Innovative Ansätze wie beispielsweise Umschlagsysteme für nicht-kranbare Sattelanhänger, NiKRASA, oder die Entwicklung eines universell einsetzbaren Sattelanhängers im Projekt Future Trailer for road and rail hat die Staatsregierung daher gefördert“, so Aigner. Die bayerische Verkehrsministerin war am ersten Abend des Symposiums zu einem Staatsempfang auf Schloss Herrenchiemsee per Schiff angereist. Dort wurde unter anderem das 20-jährige Bestehen des LKZ Prien gefeiert. Die Einrichtung ist Aigner zufolge ein „Aushängeschild für die ganze Region“. LKZ-Geschäftsführer Karl Fischer berichtete, dass die Einrichtung in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf 80 Mitarbeiter gewachsen sei. Insgesamt macht das LKZ Prien pro Jahr 25 Millionen Euro Umsatz. 15 Unternehmen sind dort unter einem Dach vereint, 30 Netzwerkpartner engagieren sich in diversen Projekten.
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