Tourenplanung: Witron und TU Dresden entwickeln neuen Code

In einem Entwicklungsprojekt haben sich das Intralogistik-Unternehmen Witron und die TU Dresden der Automatisierung der Tourenplanung mit integrierter 3D-Beladeoptimierung gewidmet – mit Podcast.

Eine hoch performante Tourenplanung und Verladeoptimierung sollen neben wirtschaftlichen Prozessen in der Lagerlogistik ebenso wirtschaftliche Prozesse in der End-to-End-Logistik der Anwender gewährleisten. (Foto: Witron)
Eine hoch performante Tourenplanung und Verladeoptimierung sollen neben wirtschaftlichen Prozessen in der Lagerlogistik ebenso wirtschaftliche Prozesse in der End-to-End-Logistik der Anwender gewährleisten. (Foto: Witron)
Matthias Pieringer

Dr. Stefan Bauer vom Intralogistik-Unternehmen Witron aus Parkstein verantwortet das CPMS-Wellpappengeschäft der Oberpfälzer. Ebenso sind er und sein Team an der Entwicklung und Weiterentwicklung diverser Plattformlösungen beteiligt, die später auch im Lebensmitteleinzelhandel in Logistikzentren auf der ganzen Welt installiert werden. Das gelte, wie Witron kürzlich meldete, auch für das jüngste Projekt unter der Verantwortung von Stefan Bauer: Die Automatisierung der Tourenplanung mit integrierter 3D-Beladeoptimierung im Rahmen eines Entwicklungsprojektes mit der TU Dresden.

„Wir hatten dazu schon eine innovative Lösung, die damals Anfang der 2000er-Jahre basierend auf einem Savings-Algorithmus viel Aufmerksamkeit in den Branchen erfuhr und hochgelobt wurde“, erklärt Bauer. Das Problem: Über die Jahre bauten die Entwickler immer mehr Restriktionen ein. Die Laufzeiten waren bei den großen Lieferpools nicht mehr zufriedenstellend und der Codeumfang wuchs.

Über Oberpfälzer Beziehungen

„Die Wartung wurde immer schwieriger“, erinnert sich der Oberpfälzer. „Sowohl Technologien als auch die Wissenschaft haben sich weiterentwickelt, uns war klar, wir müssen auf eine neue Technik gehen, um auch zukünftig weiterhin Maßstäbe in der Branche zu setzen.“ Bauer und sein Team suchten nach externer Unterstützung. Über Oberpfälzer Beziehungen erfuhr Leopold Kuttner vom Bedarf bei Witron. Kuttner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Industrielles Management von Prof. Dr. Udo Buscher an der TU Dresden. „Wir drücken uns nicht vor realen Problemen“, scherzt Wissenschaftler Buscher.

Zeitfenster, Auftragssplitting und das Packproblem

Das Ziel des Projektes war also, die bestehende Tourenplanungslösung von Witron zu verbessern, wobei komplexe Transporttarife und verschiedene praxisrelevante Restriktionen berücksichtigt werden mussten. Zum Beispiel zählen zu den Restriktionen für die Tourenplanung mehrere Zeitfenster, Auftragssplitting und ein heterogener Fuhrpark, und für das Packproblem Restriktionen wie Stapelbarkeit und LIFO-Entladung. Zum Lösen des Packproblems werden ein bewährtes Beladeoptimierungstool von Witron und ein vom Lehrstuhl entwickelter Packalgorithmus verwendet.

„Um zulässige Lösungen von guter Qualität zu erreichen, muss das Tourenplanungs- und das Packproblem integriert gelöst werden. In der Kombination dieser zwei anspruchsvollen Optimierungsprobleme liegt die Schwierigkeit der Aufgabenstellung. Als zusätzliche Herausforderung müssen zahlreiche, praxisrelevante Restriktionen berücksichtigt werden“, erklärt Kuttner, der das Projekt TU-seitig betreute.

In Teilprojekte gegliedert

Die Wissenschaftler erarbeiteten einen Proof of Concept und fügten diesem immer mehr praxisrelevante Restriktionen hinzu. „Wir haben die Gesamtaufgabe in Teilprojekte zerlegt. Zur Vereinfachung wurden zu Beginn vorerst die meisten Nebenbedingungen vernachlässigt. Nach erfolgreicher Validierung der Teilabschnitte durch Witron wurden Nebenbedingungen angepasst und schrittweise weitere hinzugefügt, bis alle Planungsanforderungen abgedeckt wurden“, berichtet Kuttner.

„Die größte Herausforderung war es, den Kunden Witron zunächst zu verstehen, denn Wissenschaft und Wirtschaft sprechen manchmal eine unterschiedliche Sprache. Dazu kam: Wir planen nicht auf der grünen Wiese. Wir durften ein bestehendes System optimieren“, verdeutlicht Buscher. Das bremse manche Entwicklung, vereinfache aber auch die Arbeit: „Manche in der Industrie schwören zwar noch auf Excel, da war Witron Gott sei Dank schon weiter“, ergänzt der Hochschullehrer.

Rechenzeit sparen

Um das Problem der Tourenplanung und vor allem der Geschwindigkeit zu lösen, setzte man auf die Implementierung klassischer Konstruktions- und Verbesserungsverfahren. Bei der integrierten Planung stellen die häufigen Aufrufe an das Beladeoptimierungstool den Flaschenhals bezüglich der Rechenzeit dar. Um diese Aufrufe möglichst gering zu halten, verfolgte man einen Pack-First-Route-Second-Ansatz. Hierbei ist die Grundidee das zeitintensive, dreidimensionale Problem durch eine eindimensionale Größe, die Lademeter, zu approximieren und somit Rechenzeit zu sparen.

Witron-Experte Dr. Stefan Bauer und das Team der TU Dresden um Prof. Dr. Udo Buscher berichten im Podcast ausführlich über das gemeinsame Entwicklungsprojekt. (Quelle: Witron)

Algorithmische Lösung zur Entscheidungsunterstützung

Durch das Projekt ist eine algorithmische Lösung zur Entscheidungsunterstützung entstanden, welche alternative Planungsvorschläge generiert, um Disponenten in der operativen Planung besser unterstützen zu können. So werde, wie Witron mitteilte, die Einhaltung aller Planungsvorgaben für die Touren- und Beladeplanung gewährleistet. Über eine parametrisierbare Kostenfunktion können Disponenten ihre Planungspräferenzen angeben und sich in Sekundenschnelle mehrere kostengünstige Vorschläge zu Tourenplänen generieren lassen. Durch die Zeitersparnis in der Planung können Disponenten anderen wertschöpfenden Aufgaben mehr Aufmerksamkeit schenken.

Bauer lobt die Geschwindigkeit der neuen Lösung. „Wir haben uns ganz neue Methoden angeschaut, viel aus dem E-Commerce gelernt und das dann um unsere Heuristik ergänzt.“ Validiert wurden die Teilabschnitte des Projekts mit Live-Daten aus der Produktion. „Da mussten sich auch die Wissenschaftler auf unsere Datenmodelle einlassen. Aber das verdeutlicht auch den Erfolg des Projekts, denn wir haben eine gemeinsame Sprache und gemeinsam mit unterschiedlichen Werkzeugen gearbeitet.“ Der praxiserfahrene IT-Experte Bauer weiß aber auch: „Wir müssen den Algorithmus jetzt weiter pflegen, weiterentwickeln. Das ist nicht immer leicht. Wir sind voll auf das Projektgeschäft ausgerichtet. Arbeiten sehr stark im Jetzt.“ 

Implementierung als nächster Schritt

Und dann blickt Bauer schon wieder nach vorne: „Der nächste Schritt ist die Implementierung der Lösung in den Lebensmitteleinzelhandel, denn in einer End-to-End-Plattform ist das ein entscheidender Baustein.“