Studie: Unternehmen wollen Lager auffüllen und knappe Waren hamstern

Der Welthandel zieht schneller als erwartet an, dies hat auch Auswirkungen auf die Logistik.  

Nachholbedarf nach Corona-Lockdowns: Engpässe bei Containerkapazitäten und Verspätungen lassen, wie eine aktuelle Studie des Kreditversicherers Euler Hermes darlegt, die Preise im Welthandel steigen. Unternehmen bemühen sich Lagerbestände aufzufüllen. (Symbolbild; Foto: hacohob/AdobeStock)
Nachholbedarf nach Corona-Lockdowns: Engpässe bei Containerkapazitäten und Verspätungen lassen, wie eine aktuelle Studie des Kreditversicherers Euler Hermes darlegt, die Preise im Welthandel steigen. Unternehmen bemühen sich Lagerbestände aufzufüllen. (Symbolbild; Foto: hacohob/AdobeStock)
Matthias Pieringer

Stärker und schneller als erwartet hat sich der Welthandel im bisherigen Verlauf des Jahres 2021 erholt, insbesondere beim Wert der gehandelten Waren und Dienstleistungen. Für das Gesamtjahr dürfte beim Volumen der gehandelten Waren und Dienstleistungen ein Plus von 7,7 Prozent zu Buche stehen (2020: minus acht Prozent), beim Wert sogar ein Zuwachs um 15,9 Prozent (2020: -9,9 Prozent) – wie die aktuelle Studie „Ship me, if you can“ des Kreditversicherers Euler Hermes zeigt.

„Der prophezeite Nachholboom nach dem Lockdown hat längst eingesetzt, und Unternehmen versuchen händeringend, ihre Lagerbestände aufzufüllen", sagte Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Das ist aktuell allerdings kein Selbstläufer: Angesichts der anhaltenden Engpässe in der Versorgungskette, insbesondere bei den Schiffscontainern selbst, und den längsten Verspätungen seit einem Jahrzehnt steigen die Preise und damit Kosten des Welthandels im Galopp auf neue Rekordhöhen.“ Hamsterkäufe seien im globalen Handel aktuell „in“. Die USA hätten im Rennen um die Waren dabei allerdings klar die Nase vorn – unter anderem aufgrund der früheren Wiedereröffnung, so van het Hof.

Aufstocken der Lagerbestände

Der Einbruch bei Angebot und Nachfrage war laut Euler Hermes der maßgebliche Treiber hinter dem Einbruch des Welthandels 2020. Für den diesjährigen Anstieg des Werts der gehandelten Waren und Dienstleistungen mache die Normalisierung der Angebots- und Nachfragebedingungen allerdings nur etwa 15 Prozent aus – die Aufstockung der Lagerbestände hingegen etwa 50 Prozent. Auch die knappen Schiffskapazitäten mit den damit verbundenen hohen Preisen machen dem Kreditversicherer zufolge rund 35 Prozent des Anstiegs aus.

„Schiffskapazitäten dürften kurzfristig auch weiterhin knapp bleiben“, erklärte van het Hof. „Gründe dafür sind neben dem regional sehr ungleichmäßigen Aufschwung die unzureichenden Investitionen der letzten Jahre in der Seeschifffahrt. Auch die Tatsache, dass es wenige Alternativen zur Seefracht gibt und neue Kapazitäten nur langsam in Betrieb genommen werden können, tragen nicht zu einer schnellen Entspannung bei. Der Bau eines neuen Schiffes dauert in der Regel anderthalb Jahre, sodass es auch 2022 noch zu Engpässen und in der Folge zu hohen Frachtraten kommen dürfte.“

Auch 2022 hohe Handelskosten erwartet

Der Preis- und Kapazitätsdruck dürfte, wie Euler Hermes mitteilte, also auch 2022 anhalten, obwohl er 2021 seinen Höhepunkt erreichen dürfte. Erwartete niedrigere Zölle werden den Angaben zufolge den Preisdruck nicht ausgleichen können, die Handelskosten werden auch 2022 hoch bleiben. Insgesamt erwarten die Volkswirte des Kreditversicherers für 2022 ein erneut überdurchschnittliches Wachstum des Welthandels von +6,2 Prozent beim Volumen und +8,4 Prozent beim Wert.

Spitze der Warteschlange

US-Unternehmen haben sich Euler Hermes zufolge aktuell an die Spitze der Warteschlange gesetzt beim Rennen um die Waren: Warenlieferungen aus Asien in die USA nehmen demnach derzeit um etwa 30 Prozent zu, nach Europa sind es aufgrund der wesentlich späteren Öffnung nur etwa zehn Prozent mehr. Nach den Lieferunterbrechungen im Jahr 2020 ist dies nach Angaben des Kreditversicherers der zweite Schock für die globalen Lieferketten in kurzer Zeit.

„Die meisten europäischen Länder, insbesondere Deutschland, haben aktuell Mühe, ihre ohnehin niedrigen Lagerbestände wieder aufzufüllen“, so van het Hof. „Unterbrechungen von Lieferketten sind also auch 2021 an der Tagesordnung – obwohl viele Unternehmen bereits im vergangenen Jahr zahlreiche Maßnahmen eingeleitet haben, um ihre Lieferketten zu stabilisieren. Es ist definitiv an der Zeit, das Thema anzugehen, denn auch in den kommenden Jahren ist mit weiteren Schocks für die Versorgungsketten zu rechnen. Unternehmen haben es daher selbst in der Hand, zu den Gewinnern zu gehören.“

Van het Hof: „Lieferketten können brechen, egal ob sie global sind oder lokal.“ Dies habe die Coronapandemie gezeigt – aber auch die aktuelle Flutkatastrophe in Deutschland, bei der auch Lieferketten im eigenen Land unterbrochen wurden. „Eine Garantie für eine robuste Versorgungskette gibt es nie – letztlich geht es vielmehr darum, Notfallpläne für verschiedene Szenarien in der Tasche zu haben, um schnell und flexibel handeln zu können. Zudem dürfte die Beziehungsqualität mit den eigenen Lieferanten für die Zukunft eine immer größere Rolle spielen, unabhängig davon, wo diese geografisch ihren Sitz haben. Eine partnerschaftliche Beziehung zu Lieferanten dürfte sich langfristig eher auszahlen als aus diesem bei Liefervereinbarungen den letzten Cent herauszupressen.“