SCM: Experten sehen Silberstreif am Horizont

Supply-Chain-Fachleute des Softwareanbieters Setlog rechnen mit sinkenden Seefrachtraten im Herbst.

Laut einer Analyse des SCM-Softwareanbieters Setlog bestellen Importeure von Konsumgütern die Waren im Schnitt eine Woche eher und sorgen so für pünktlichere Lieferungen. (Symbolbild; Foto: aerial-drone/AdobeStock)
Laut einer Analyse des SCM-Softwareanbieters Setlog bestellen Importeure von Konsumgütern die Waren im Schnitt eine Woche eher und sorgen so für pünktlichere Lieferungen. (Symbolbild; Foto: aerial-drone/AdobeStock)
Matthias Pieringer

Die Supply-Chain-Experten des Bochumer Softwarehauses Setlog gehen davon aus, dass die Auswirkungen der aktuellen Lieferketten-Krisen noch weit bis ins Jahr 2023 reichen werden, prognostizieren aber sinkende Seefrachtraten im vierten Quartal 2022. Aus einer Analyse von 80 Setlog-Kunden und -Brands vom 22. Juni lasse sich – wie Setlog kürzlich mitteilte – zudem ablesen: Importeure von schnelldrehenden Konsumgütern lernten aus der Misere und bestellen ihre gewünschten Produkte heute im Schnitt eine Woche früher als noch im Jahr 2020 und vor der Coronapandemie, um so die Zahl der Warenverspätungen zu verringern.

Kurzfristig geht Setlog-Vorstandsmitglied Ralf Düster nicht von einer „Besserung“ der Seefrachtraten aus – aber langfristig ab dem vierten Quartal dieses Jahres, wenn auch die Reedereien mitspielen. Gleicher Meinung ist auch Patrick Merkel, Geschäftsführer von Prologue Solutions: „Die Inflation, die Zinswende und die hohe Preise in verschiedenen Sektoren sprechen dafür, dass die Raten sinken werden.“ Aufgrund der geopolitischen Lage und den Folgen der Coronapandemie erwarten laut der Setlog-Mitteilung Logistikdienstleiter im kommenden Halbjahr tendenziell weniger Geschäft. Verladende Unternehmen sollen zudem von Reedereien profitieren, die mehr Kapazitäten aufgebaut haben.

Seefracht braucht länger

Aufgrund der angespannten Lage dauerte laut der Setlog-Analyse die Laufzeit der Seefracht von Fernost zu den Westhäfen im Schnitt 42,5 Tage. Zum Vergleich: 2021 waren es 41,6 Tage, 2020 rund 35. Vor der Pandemie betrug die Laufzeit 31 Tage (2019). In den vergangenen zwei Jahren kamen Setlog zufolge bis zu 30 Prozent der Waren aufgrund von Lockdowns, Produktionsverzögerungen und langen Transportzeiten zu spät. Die Einkäufer der Importeure von schnelldrehenden Konsumgütern hätten es aber geschafft, den Anteil der zu spät eintreffenden Ware bis auf drei bis fünf Prozent im Vergleich zur Zeit vor Corona zu drücken, indem sie die Bestellungen im Schnitt eine Woche vorzogen.

Bangladesch und Vietnam legen zu

Während manche Branchen für sensible Waren und Komponenten über duale Produktionen und auch Re- und Nearshoring nachdenken, nahmen laut der Analyse die Anbieter von schnelldrehenden Konsumgütern Produktionsverlagerungen nach Europa oder nach Deutschland nicht vor. Nur ein bis zwei Prozent ihres Gesamtvolumens von Bekleidung lassen die Unternehmen in Osteuropa oder Nordafrika produzieren – daran hat sich seit Pandemiebeginn nichts geändert. Auch der Anteil der Produktion in der Türkei liegt konstant bei etwa 11,5 Prozent, der von China bei 11,0 Prozent. Mehr Geschäft konnten jedoch die Lieferanten in Bangladesch und Vietnam an Land ziehen. Der Anteil Bangladeschs stieg während der Pandemie von 28,0 auf 32,0 Prozent, der von Vietnam von 4,5 auf 7,3 Prozent.

Umdenken in Unternehmen

Die Folgen von Covid-19 führten Setlog zufolge in einigen Unternehmen offenbar zu einem Umdenken. Sie investieren demnach in Strategien und Systeme, um die Verfügbarkeit von Waren zu erhöhen und insgesamt flexibler bei ungeplanten Veränderungen in der Lieferkette reagieren zu können. „Verfügbarkeit und Resilienz zählen bei vielen Managern inzwischen mehr als Kosteneinsparungen“, so Düster. Er kennt Unternehmen, die darauf achten, dass Produkte oder Komponenten im Dual Sourcing verfügbar sein müssen – an jedem Standort. „Unternehmen werden Einkäufer bald nicht mehr nach Kosteneinsparungen bewerten, sondern andere Kriterien intensivieren.“

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