SCM: Einbrechende Nachfrage nimmt Druck aus Lieferketten
Die US-amerikanischen SCM-Anbieter Project44 und Flexport haben Auswertungen ihrer Plattformen, angereichert um externe Daten zur aktuellen Entwicklung der Lieferketten präsentiert: Während Project44 zum 5. Oktober eine quartalsbezogene Analyse und Prognose erstellte, wird die „EU Logistics Pressure Matrix“ von Flexport wöchentlich aktualisiert. Beide Analysen stellen eine einbrechende Nachfrage vonseiten der Wirtschaft wie von Konsumenten fest.
Disruptionen in den weltweiten Lieferketten hätten sich im ersten Halbjahr aus verschiedenen Makrofaktoren ergeben, argumentiert Project44 – darunter pandemiebedingte Lockdowns in China, der Ukrainekrieg, Streiks, fehlende intermodale Kapazitäten sowie Fachkräftemangel in den USA und Europa. In der zweiten Jahreshälfte und insbesondere in der Hochsaison im vierten Quartal dominiert nach Ansicht des US-Anbieters jedoch die Inflation. In China sei die Produktion im verarbeitenden Gewerbe um fast 30 Prozent zurückgegangen, da in der westlichen Welt die Verbraucher ihre Ausgaben auf Dienstleistungen verlagert haben. Da in Europa die Gas- und Kraftstoffpreise in die Höhe schießen, sinke auch die Kaufkraft der Verbraucher.
Inflation frisst Konsumklima
Flexport sieht in der „Pressure Matrix“ vom 4. Oktober im September einen deutlichen Vertrauenseinbruch bei Herstellern und Konsumenten in Europa, was die künftige ökonomische Entwicklung angeht: Die Erwartungen auf Konsumentenseite sind demnach EU-weit so schlecht wie zuletzt 1985, während in Deutschland laut Ifo-Index das Geschäftsklima in der Industrie einen Tiefstand im Vergleich zum September 2020 erreicht hat.
In den Lieferketten sind den Daten von Project44 zufolge einige Trends im See- und Straßengüter-Frachtverkehr zu beobachten: Angefangen bei der termingerechten Verschiffung im Seeverkehr haben sich demnach die weltweiten Fahrpläne seit Januar 2022 langsam aber stetig verbessert. Zwar komme es auf vielen Routen immer noch zu Verzögerungen, doch der Anteil der verspäteten Sendungen nimmt ab. Auf der Strecke China-Europa hat sich die Verspätung von den Spitzenwerten im Februar laut Project44 von elf Tagen auf jetzt nur noch vier Tage reduziert.
Aktuell sieht Flexport einen Abfall der Seefrachtraten für die Asien-Europa-Route auf das niedrigste Niveau seit Junimitte 2021, was nach Ansicht des Anbieters bereits auf eine reduzierte Nachfrage zurückzuführen sein könnte. Demgegenüber stehen jedoch erste Anzeichen einer der Peak Season geschuldeten Verstopfung: Die Zeit für die erste Station im Verladeprozess – vom Fertigmachen der Ware bis zur Abfahrt im Ursprungshafen – hat sich auf dem Weg von Asien nach Europa bis zum 3. Oktober auf ein Niveau verlängert, das zuletzt im frühen August zu beobachten war. In der Luftfracht seien die Beförderungszeiten nun so lang wie seit dem frühen Juli nicht mehr.
Container bleiben ein Problem
Pandemiebedingte Verzögerungen beeinträchtigten die Transitzeiten zwischen China und Europa im Jahr 2021. Seit Februar ist die Zahl der größeren Lockdowns zurückgegangen, sodass die Seeverkehrsunternehmen ihre Fahrplanverlässlichkeit langsam wiederherstellen und Transitzeiten optimieren konnten. Obwohl diese noch nicht wieder das Vor-Pandemie-Nivau erreicht haben, haben sie sich seit Februar deutlich verbessert und liegen Project44 zufolge aktuell nur noch 20 Prozent über dem Augustwert des letzten Jahres.
Auch die Container, die in den großen europäischen Häfen ankommen, weisen höhere Verweilzeiten auf als noch im letzten Jahr. Laut den Daten von Project44 lagen Container im August 2021 weniger als drei Tage im Hafen. Aktuell warten sie fast doppelt so lang, bis sie abgeholt werden. Besonders für Bremerhaven war es ein schwieriges Jahr. Dort stieg die Verweildauer seit dem letzten Sommer um 150 Prozent.
Der Schienengüterverkehr in Europa war im Juni ebenfalls von Störungen betroffen, da eine Reihe von deutschen Bahnstrecken wegen Bauarbeiten geschlossen wurden, was Unterbrechungen bei den Ankünften und Abfahrten sowie ein Ungleichgewicht im gesamten Netz nach sich zog. In Deutschland streikten in diesem Sommer außerdem Tausende von Hafenarbeitern in Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven, was dazu führte, dass sich die Container in den Terminals und Lagern stapelten. Darüber hinaus hat der Rekord-Niedrigwasserstand des Rheins in diesem Sommer dazu geführt, dass viele Container auf die Schiene und Lkw umgeladen werden mussten.
Mit diesen Entwicklungen rechnet Project44 für die kommende Hauptsaison:
- Da die Verbrauchernachfrage aufgrund der Inflation nachlässt, werden sich die Verbraucherausgaben von Waren auf Dienstleistungen verlagern. Dies wird der wichtigste Faktor für Lieferketten sein.
- Solange es in China in diesem Jahr nicht zu weiteren größeren Lockdowns kommt, wird sich die termingerechte Verschiffung weiter verbessern. Spotpreise werden sinken, wenn die Nachfrage sinkt und die Kapazitäten auf diesen Handelsrouten frei werden.
- Da die Lager sowohl in Europa als auch in den USA gefüllt sind, werden die beträchtlichen Lagerbestände, die aus den enttäuschenden Gewinnmeldungen fast aller großen Einzelhändler resultieren, weiterhin zu Preisnachlässen und zum Abbau überschüssiger Ware führen.
- Während des gesamten Herbstes und Winters ist insbesondere in Europa mit Arbeitsniederlegungen zu rechnen, da die Inflation in Verbindung mit den hohen Benzinpreisen in Europa Löhne stark beeinflusst.
- Das Jahr 2022 hat gezeigt, wie sehr die Auswirkungen des Klimawandels den Hafenbetrieb, das Autobahnnetz, die Binnenschifffahrt, Kraftwerke, Produktionsanlagen und die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigen können. Nachdem im Sommer Rekorddürren in China und Europa Fabriken in Mitleidenschaft gezogen haben, sind ähnlich extreme Überschwemmungen und Stürme zu erwarten. Es sei nun eindeutig notwendig, das Klimarisiko in die Planung der Lieferkette einzubeziehen, so Project44.
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