Schienengüterverkehr: Bahn soll durch neues Hochleistungsnetz zuverlässiger werden

Die Pläne von Bund und DB AG stoßen bei Verbänden auf ein geteiltes Echo.

Das Schienennetz in Deutschland soll bis 2030 so weit ertüchtigt werden, dass Güter- und Personenverkehr deutlich leistungsfähiger sind. (Foto: Deutsche Bahn)
Das Schienennetz in Deutschland soll bis 2030 so weit ertüchtigt werden, dass Güter- und Personenverkehr deutlich leistungsfähiger sind. (Foto: Deutsche Bahn)
Sandra Lehmann

Der Verkehrsträger Schiene soll zuverlässiger werden – dafür haben Verkehrsminister Dr. Volker Wissing und Deutsche Bahn-Chef Dr. Richard Lutz Ende Juni Pläne für ein neues Hochleistungsnetz vorgestellt. Hintergrund sind dem DB-Konzern zufolge aktuelle Zuverlässigkeits- und Qualitätsprobleme des Verkehrsträgers Schiene. Diese resultierten im Kern aus einem Kapazitäts- und Überalterungsproblem in der Infrastruktur.

Auslastung von 125 Prozent

Das Hochleistungsnetz soll die am höchsten belasteten Schienenverbindungen in Deutschland umfassen. Diese erstreckten sich heute über rund zehn Prozent des Gesamtnetzes. Etwa 25 Prozent aller Züge durchfahren schon heute dieses Netz. Zusätzlich verzeichne es bereits ohne Bautätigkeiten eine durchschnittliche Auslastung von rund 125 Prozent. Aufgrund der prognostizierten Verkehrsentwicklung werde die Länge dieses hoch belasteten Netzes von derzeit rund 3.500 Kilometer auf voraussichtlich mehr als 9.000 Kilometer bis zum Ende dieses Jahrzehnts anwachsen. Ziel sei es, die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit im Güter- sowie im Personenverkehr zu verbessern.

„Das Zusammentreffen von immer mehr Verkehr auf einer ohnehin schon knappen und durch Bautätigkeit noch zusätzlich eingeschränkten Infrastruktur führt zu Staus und Verspätungen mit massiven Auswirkungen auf alle Kundinnen und Kunden im Personen- und Güterverkehr. Die aktuelle Betriebsqualität entspricht ganz klar nicht unseren Ansprüchen. Ein ‚Weiter so‘ kann es nicht geben. Eine nachhaltige Lösung liegt in der Infrastruktur, denn 80 Prozent der Qualität im Eisenbahnsystem entscheiden sich auf dem Schienennetz. Daher entwickeln Bund und DB das hoch belastete Netz zum Hochleistungsnetz. Es wird zum Rückgrat für den Personen- und Schienengüterverkehr – vom Problemfall zum Qualitäts- und Stabilitätsanker für die gesamte Infrastruktur“, so Bahn-Chef Lutz.

Eine hohe Leistungsfähigkeit und geringe Störanfälligkeit im Hochleistungsnetz sollen sich auch über die langlaufenden Transportwege positiv auf die Qualität im gesamten Netz auswirken. Die Erfahrungen mit der Generalsanierung aus dem hoch belasteten Netz mit stärkerer Bündelung, verbesserten Ausstattungsstandards und kleinen und mittleren Maßnahmen zur schnellen Kapazitätserweiterung sollen wo immer möglich und sinnvoll auch auf das übrige Netz übertragen werden, heißt es von Seiten der Deutschen Bahn.

Enge Abstimmung von Wirtschaft und Politik

Die Generalsanierung des ersten Schienenkorridors soll im Jahr 2024 starten. Die Auswahl und die konkrete Umsetzung sollen zusammen mit dem Schienensektor sowie der Wirtschaft in enger Abstimmung erfolgen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr und die Deutsche Bahn wollen gemeinsam die Branche einladen und das Hochleistungsnetz im Schulterschluss entwickeln.

Indes reagierten Verbände der Transport- und Logistikwirtschaft mit einem geteilten Echo auf die Pläne von Bund und DB. So erklärte Carsten Taucke, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA):

„Das deutsche Schienennetz ist aktuell überlastet und veraltet. Diese Situation hat sich über Jahre angestaut und ist nichts Neues. Ich bin in Sorge, dass so weder die wirtschaftlichen noch die Klimaziele erreicht werden können. Wie sollen Groß- und Außenhändler in Zukunft Transporte vom Lkw auf die Schiene verlagern, wenn der Güterverkehr schon heute überlastet ist?“

Um zukünftig für den Transport von Waren und Gütern verstärkt auf den Schienengüterverkehr zurückgreifen zu können, muss das Schienennetz aus Sicht des BGA dringend ausgebaut werden. Dies gelte sowohl innerhalb Deutschlands als auch im transeuropäischen Netz. Damit einhergehend müssten Bahnsysteme (Stromsystem, Spurbreite, Lichtraumprofil) harmonisiert und vereinheitlicht werden. Die politisch gewünschte Verdopplung der Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 dürfe dem Verband zufolge nicht zum Nachteil für den Güterverkehr werden.

„Besonders wichtig finde ich, dass der Streckenausbau für den Güterverkehr einen ebenso hohen Stellenwert bekommt, sonst kann es keine zukunftsfähige Schiene geben“, so Taucke weiter.

Die deutschen Seehäfen hingegen begrüßten den Vorstoß von Bund und DB. Daniel Hosseus, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) sagte anlässlich der Verkündung der Pläne:

„Deutsche Seehäfen sind Eisenbahnhäfen. Das sorgt für schnellen, umweltfreundlichen Güterverkehr. Die Analyse der Deutschen Bahn zeigt, dass diese Vorteile massiv gefährdet sind. Die DB selbst stuft die ohnehin schon ausgereizten Anbindungen der deutschen Seehäfen wie Wilhelmshaven, Bremerhaven, Hamburg, Kiel und Lübeck bereits ab 2030 als übermäßig belastet ein.“

Gleichzeitung wies Hosseus darauf hin, dass die deutschen Seehäfen bei dem Vorhaben besonders im Blick behalten werden sollten.

„Wir fordern Bund und Deutsche Bahn auf, bei der Schaffung von Hochleistungskorridoren den deutschen Seehäfen an Nordsee und Ostsee höchste Priorität einzuräumen.“