Prognose: Chipmangel bleibt Autoherstellern 2023 erhalten
Seit Beginn der Pandemie haben vor allem Computer-, TV- und Haushaltsgerätehersteller die Nachfrage nach Mikrochips extrem nach oben getrieben. Für das zweite Halbjahr 2022 verzeichnet die Unterhaltungselektronik nun allerdings massive Nachfragerückgänge. Dies führt bei einigen Halbleiterherstellern zu Umsatzeinbußen und einem Überangebot von neueren Hochleistungschips. Halbleiter der älteren Generationen hingegen, die häufig noch in der Automobil- und Industrieelektronik verbaut werden, bleiben auf absehbare Zeit weiterhin knapp. Zu diesen Ergebnissen gelangt die Studie „Semiconductor shortage: A different kind of trouble ahead“ von Roland Berger. Eine Pressemitteilung vom 10. November berichtet darüber.
„Wir sehen weiterhin eine strukturelle Knappheit an analogen Halbleitern und Mikrocontrollern, die mehrere Jahre andauern wird. Die geringere Nachfrage nach Computern und Unterhaltungselektronik bringt zwar eine gewisse Entlastung für die Halbleiterindustrie. Allerdings werden sowohl bei Mikrochipherstellern als auch bei den Unternehmen die Kapazitäts- und Bestandsplanungen damit noch schwieriger“, sagt Thomas Kirschstein, Partner bei Roland Berger.
Man habe die ungewöhnliche Situation, dass man gleichzeitig Knappheiten, Überkapazitäten und Überbestände von Halbleitern verzeichne, so Kirschstein weiter.
Hohe Lagerbestände vs. Halbleitermangel
Für fast die Hälfte der benötigten Chips der Unterhaltungselektronik, für knapp 40 Prozent bei Computern und 34 Prozent im Bereich Telekommunikation besteht der Studie zufolge aktuell ein Überangebot im Markt. Ein Mangel existiert hingegen bei analogen Hableitern und Microcontroller Units (MCU), die jedoch knapp zwei Drittel der verbauten Chips in der Automobilbranche und 57 Prozent in der Industrie ausmachen.
Fertigungsdienstleister für elektronische Komponenten, wie beispielsweise Smartphones oder Fernseher, haben laut Roland Berger ihre Lagerbestände von historisch durchschnittlich 16 Prozent (2012-2020) auf 23 Prozent (2020-2021) aufgestockt. Dies habe den Chipmangel an Hochleistungschips zunächst verschärft, heißt es. Nun, da die weltweite Nachfrage nach diesen Chips sinke, bestehe ein erhöhtes Risiko für einen Bullwhip-Effekt – so könnten bereits kleine Veränderungen der Endkundennachfrage zu immer größeren Schwankungen der Bestellmengen entlang der mehrstufigen Lieferkette führen. Um negative finanzielle Auswirkungen oder gar die Vernichtung von Lagerbeständen zu vermeiden, müssen diese Unternehmen nach Überzeugung der Studienautoren ihr Bestandsmanagement überarbeiten.
Staatliche Hilfe kommt zu spät
Die neu verabschiedeten Gesetze zur Förderung der heimischen Halbleiterproduktion in den USA (US Chip Act) und in Europa (European Chip Act) änderten wenig an der Lage, argumentiert die Studie. Die Vorlaufzeiten seien sehr lang und hinzu komme, dass die Produktion älterer Chip-Generationen so gut wie nicht gefördert werde. In den USA fließen demnach beispielsweise von den 39 Milliarden Dollar Subventionen für die Halbleiterproduktion nur zwei Milliarden beziehungsweise fünf Prozent in die Chipherstellung der älteren.
Käufer von Halbleitern müssen die nächsten Monate nutzen, um ein strategisches Halbleitermanagement aufzubauen und die Transparenz in der Lieferkette deutlich zu erhöhen, fordert die Studie. Insbesondere Automobilzulieferer und Fertigungsdienstleister sollten ihre Bestände sowie ihr Cash- und Kostenmanagement optimieren.
„Automobil- und Industrieunternehmen müssen sich an die Marktgepflogenheiten der Elektronik- und Halbleiterindustrie anpassen, um ihre Versorgung zu sichern. Dazu gehört unter anderem stets Halbleiter der neuesten Generation zu verwenden und eine risikoadjustierte Einkaufspolitik zu verfolgen. Unternehmen dürfen nicht warten, dass die Knappheit an Halbleitern vorbei ist, sondern müssen selbst sehr aktiv Maßnahmen einleiten“, fasst Kirschstein zusammen.
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