Politische Störfaktoren: Deutsche Firmen überdenken globale Standorte

Laut einer Erhebung der deutschen Außenhandelskammern führt etwa der strikte Lockdown in China dazu, dass 47 Prozent der dort ansässigen deutschen Unternehmen ihre Standorte kritisch hinterfragen.

Mehr als ein Viertel der im Ausland aktiven deutschen Unternehmen möchte sein Lieferanten-Portfolio auch über die Regionen hinweg vergrößern, so eine aktuelle Umfrage. (Symbolbild: Kamonrat / Fotolia)
Mehr als ein Viertel der im Ausland aktiven deutschen Unternehmen möchte sein Lieferanten-Portfolio auch über die Regionen hinweg vergrößern, so eine aktuelle Umfrage. (Symbolbild: Kamonrat / Fotolia)
Therese Meitinger

Deutsche Unternehmen sehen sich gezwungen, ihre globalen Standortentscheidungen und Lieferstrategien an die sich verändernde Weltlage anzupassen: Im „AHK World Business Outlook“ der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) unter 4.200 im Frühjahr befragten Unternehmen gibt ein Drittel an, ihre internationalen Standorte derzeit kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Das berichtet eine Pressemitteilung vom 12. Mai. Mehr als ein Drittel der Unternehmen sieht demnach die Notwendigkeit, aufgrund der aktuellen globalen Verwerfungen die Risiken von neuen Standorten gänzlich neu zu bewerten. Auch sehen 34 Prozent der weltweit aktiven deutschen Unternehmen eine Zunahme von politischem Einfluss auf die Lieferketten auf sich zukommen. 

„Nicht nur der russische Angriffskrieg in der Ukraine mit seinen Folgen zeigt, dass ein kompletter Ausfall von Geschäftsbeziehungen möglich ist“, sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.

Die Umfrage zeigt auch, dass mehr als ein Viertel der weltweit vernetzten Unternehmen sein Lieferantenportfolio auch über Regionen hinweg vergrößern will und dass mehr als ein Fünftel eine Verlagerung von Produktion an neue Standorte als notwendig ansieht. Bei Entscheidungen über Lieferanten, Transportwege und Produktionsstandorten müssten Betriebe neben rein betriebswirtschaftlichen Faktoren nunmehr immer stärker politische Risiken berücksichtigen, so Treier. Deshalb spiele beispielsweise auch der unterschiedliche Umgang von Staaten mit der Corona-Pandemie eine Rolle.

Zunehmender Protektionismus wird erwartet

Der seit Wochen andauernde strikte Lockdown in China hat nach DIHK-Angaben etwa dazu geführt, dass derzeit knapp die Hälfte der dort ansässigen deutschen Unternehmen (47 Prozent) sich gezwungen sieht, ihre Standorte kritisch zu überdenken. Jedes achte Unternehmen erwägt demnach sogar, das Land zugunsten eines Standortes näher am europäischen beziehungsweise deutschen Heimatmarkt zu verlassen. Hinzukomme der zunehmende Protektionismus des Landes, den etwa jedes zweite in China ansässige deutsche Unternehmen (56 Prozent) langfristig erwarte, so die Umfrage.

„Am Beispiel China sehen wir, dass Unternehmen ihre Standortentscheidungen nicht über Nacht fällen. Es braucht meistens Jahre, sich hier zu etablieren und bei der Größe des Landes fällt eine Verlagerung umso schwerer. Desto erstaunlicher ist das Umfrageergebnis“, sagt Treier.

Ein weiterer Faktor sind die anhaltenden Störungen der Lieferketten: Ein Drittel der deutschen Unternehmen im Ausland fühlt sich durch veränderte politische Einflussnahme auf die Lieferketten zum Überdenken des Auslandsgeschäfts gezwungen.

Einer Renationalisierung von Wertschöpfungsketten erteilt DIHK-Außenwirtschaftschef Treier eine Absage:

„Es ist aus betriebs- wie auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive richtig und wichtig, Standorte und Transportwege anzupassen. Es ist aber ein Trugschluss, dass es einem Land wie Deutschland zum Vorteil gereicht, wenn es sein internationales wirtschaftliches Engagement zurückdreht.“

Wenn Deutschland seinen Wohlstand halten oder ausbauen wolle, müsse man gerade jetzt stärker in die Welt hinaus.