Von der Kühlung bis zur Dokumentation: Bei der Auslieferung von Arzneimitteln müssen zahlreiche Anforderungen erfüllt werden. Um diesen gerecht zu werden, kommen bislang zumeist Insellösungen zum Einsatz. Das Cologne Institute for Digital Ecosystems (CIDE) der TH Köln hat daher im Projekt „sensoKo“ gemeinsam mit der M2m Germany GmbH ein System entwickelt, mit dem Logistikprozesse in der Pharmaindustrie vereinfacht werden sollen. Das berichtet eine Pressemitteilung von Ende Februar.
„Jeden Tag werden in Deutschland rund 57.000 Medikamente an Apotheken ausgeliefert. Dabei müssen gemäß der ,Good Distribution Practice of medicinal products for human use‘ (GDP) bestimmte Anforderungen eingehalten werden, zum Beispiel die durchgängige Überwachung und vollständige Dokumentation der Temperatur“, sagt Prof. Dr. Matthias Böhmer vom CIDE.
Zur Umsetzung dieser Leitlinie werden den Kooperationspartnern zufolge bislang mehrere Behälter mit spezifischen Temperaturbereichen verwendet. Um die Temperatur in diesen zu kontrollieren, kommen sogenannte Datenlogger – das sind kompakte, batteriebetriebene Geräte mit Mikroprozessor, Datenspeicherung und mehreren Sensoren – zum Einsatz, die in die Behälter gelegt werden.
Diese Lösungen seien allerdings nicht optimal, so Böhmer: „Zum einen geht dadurch viel Platz in den Transportfahrzeugen verloren. Zum anderen müssen die Datenlogger einzeln und teilweise sogar manuell ausgelesen werden – das kostet Zeit und ist mitunter unpräzise. Deshalb kann die Kühlkette aktuell nicht immer eingehalten werden, so dass Arzneimittel entsorgt und ausgetauscht werden müssen“, so Böhmer. Um die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten und laufende Betriebskosten bei Pharmaunternehmen zu reduzieren, wurde der Mitteilung zufolge im Projekt „sensoKo“ ein neuartiges Transportbehältersystem mit mehreren Isolierkammern und integrierter Sensorik entwickelt.
Temperatur per App im Blick
In einem ersten Schritt führte das Projektteam demnach eine vorläufige Marktanalyse durch und untersuchte die Prozessabläufe in der bisherigen Lieferkette, um daraus Anforderungen an das Gesamtsystem abzuleiten. Dadurch konnten zunächst drei wesentliche Temperaturbereiche für den Transport von Arzneimitteln identifiziert werden: tiefgekühlt, also unter 20 Grad Celsius; frisch, zwischen zwei und acht Grad Celsius; und Raumtemperatur, zwischen 15 und 25 Grad Celsius. Die jeweiligen Temperaturen werden den Kooperationspartnern zufolge in dem neu entwickelten System mithilfe von Sensoren gemessen. Diese können im Gegensatz zu den Datenloggern fest verbaut werden, sind in hohem Maße wiederverwertbar, haben eine optimierte Energieeffizienz und messen die Temperatur zuverlässiger.
Darüber hinaus ermittelte das Team die Aufgaben, Bedarfe und Schnittstellen von Großhandel, Transport und Apotheken, um einen GDP-konformen und sicheren Transport der Arzneimittel zu gewährleisten. „Die Übergabe zwischen diesen Akteur*innen erfolgt mit unserem System über Scans der Transportboxen und einen nachvollziehbaren Prozess, indem die Sensoren permanent überwacht werden und jeder Prozessschritt interaktiv geloggt wird. Dafür haben wir eine Smartphone-App implementiert. Die Sensoren kommunizieren direkt im Internet of Things (IoT), sodass die Temperaturbereiche in Echtzeit überwacht werden können. Somit kann permanent kontrolliert werden, ob Kisten in falschen Momenten geöffnet oder bestimmte Temperaturwerte innerhalb der Kammern überschritten werden“, so Böhmer.
Arzneimittel-Logistik hat Luft nach oben
In mehreren Funktionstests, in denen der Prozessablauf einer Arzneimittellieferung simuliert wurde, konnte das Gesamtsystem schließlich erfolgreich getestet werden, wie die Kooperationspartner berichten. „Die von uns entwickelte Softwarearchitektur sowie die dazugehörigen Hardwarekomponenten ermöglichen eine deutlich präzisere Überwachung der Temperaturen in Mehrkammer-Isolierbehältern. Dadurch kann die Qualität von Arzneimittel-Logistik verbessert werden und die bisher mitunter zeitaufwändige Dokumentation wird automatisiert“, sagt Böhmer. Das Ergebnis des Projektes ist direkt anwendbar in der Domäne der Pharmalogistik. Bestandteile der Entwicklung wie die mobile App zur Überprüfung von Prozessketten oder die IoT-Plattform für die echtzeitnahe Auswertung von Daten lassen sich nach Überzeugung der Projektpartner aber auch in weiteren Bereichen – zum Beispiel in Wertschöpfungsketten in der Industrie 4.0 – verwenden.
Darüber hinaus gebe es verschiedene Möglichkeiten, das bestehende System zu optimieren und zu erweitern. „Um Abweichungen von den festgelegten Temperaturbereichen noch effizienter und vor allem frühzeitig zu erkennen, könnten in weiteren Untersuchungen alternativ auch auf Künstlicher Intelligenz basierende Modelle erforscht werden“, so Böhmer. Zudem sei es sinnvoll, in Folgearbeiten auch lokationsbezogenes Tracking zu implementieren, um die Lieferketten der Arzneimittel für die beteiligten Akteure besser nachvollziehbar zu machen und die Dokumentation zu erleichtern.
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