Neustart: So reagieren Verbände auf die Corona-Beschlüsse der Regierung

In Logistik und Wirtschaft wird vor allem die Forderung nach mehr Einheitlichkeit laut.

Die Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollen schrittweise gelockert werden. (Foto: Thaut Images / Adobe Stock)
Die Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollen schrittweise gelockert werden. (Foto: Thaut Images / Adobe Stock)
Therese Meitinger

Nach mehrstündigen Beratungen haben sich die Bundesregierung und die Vertreter der Bundesländer am Nachmittag des 15. April auf Leitlinien für das weitere Vorgehen zur Bewältigung der Corona-Pandemie geeinigt. Bei der Vorstellung der Ergebnisse beschrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel die verlangsamte Verbreitung als einen „zerbrechlichen Zwischenerfolg“, der nicht viel Handlungsspielraum lasse. Es dürfe nun kein „falsches Vorpreschen“ geben. Entsprechend sieht der gemeinsame Fahrplan von Bund und Ländern auch nur vorsichtige Lockerungen der bestehenden Beschränkungen vor.  

So bleiben die Kontaktbeschränkungen erhalten, die einen Sicherheitsabstand von 1,5 bis zwei Metern zwischen Menschen vorsehen und den gemeinsamen Aufenthalt im Freien reglementieren. Großveranstaltungen wie etwa Messen bleiben bis zum 31. August verboten. Das Tragen von Schutzmasken wird ausdrücklich empfohlen. Ab dem 4. Mai sollen Schulen schrittweise wieder geöffnet werden. Im Handel zeichnet sich eine Erleichterung ab: Bestimmte Geschäfte dürfen ab dem 20. April wieder öffnen, wenn sie bis zu 800 Quadratmeter Ladenfläche haben und ein Hygienekonzept vorlegen können. Autohändler sowie Fahrrad- und Buchläden sind von dieser Beschränkung ausgenommen. Die Bundesländer können in allen Punkten eigene Regelungen erlassen; alle zwei Wochen soll der gemeinsame Fahrplan neu diskutiert werden.

Mit scharfer Kritik reagierte der Handelsverband Deutschland (HDE) auf die angekündigte Strategie. Er sieht größere Handelsunternehmen grundlos diskriminiert. „Lockerungen der Ladenschließungen dürfen sich nicht an Betriebsgrößen oder Verkaufsflächen festmachen“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in einer Mitteilung. „Die jetzt beschlossenen Vorgaben führen zu Wettbewerbsverzerrungen und Rechtsunsicherheiten.“ Abstands- und Hygieneregeln können seiner Ansicht nach sowohl in kleinen als auch großen Geschäften eingehalten werden. Die Unternehmen seien in der Lage entsprechende Vorgaben umzusetzen. Der Verband appellierte an die Politik, die Beschlüsse zu überdenken.

Einheitliche europäische Verfahren gefordert

Der Maschinenbau-Verband VDMA hingegen erklärte in einer Mitteilung, die Entscheidungen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten grundsätzlich mitzutragen. Für das künftige Vorgehen der Politik forderte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann jedoch mehr Einheit:

„Es ist für uns unbedingt erforderlich, dass alle Maßnahmen künftig nicht nur einvernehmlich beschlossen, sondern auch völlig einheitlich umgesetzt werden. Leider kommt es in den einzelnen Bundesländern, teilweise sogar in den Kommunen, zu einer völlig unterschiedlichen praktischen Handhabe bereits beschlossener Maßnahmen.“

Das gelte insbesondere bei Quarantäne-Regeln für Personen, die aus beruflichen Gründen nach Deutschland einreisen oder von einem Auslandseinsatz zurückkehren. „Hier muss es ein reibungsloses einheitliches europäisches Verfahren geben“, so Brodtmann weiter.

Bereits vor der Bekanntgabe des gemeinsamen Fahrplans von Bund und Ländern hatten am 15. April mehrere Logistikverbände einen schrittweisen Neustart der Wirtschaft gefordert. In einem gemeinsamen Positionspapier formulierten der Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ), der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BIEK), der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) sowie der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik ihre Forderungen. Auch sie unterstrichen darin die zentrale Bedeutung eines einheitlichen Vorgehens von Bund und Ländern bei der Erarbeitung von Regeln und Verfahren für den Lockdown-Exit. Die Reaktivierung der einzelnen Wirtschaftszweige soll nach Ansicht der Verbände zügig, differenziert erfolgen.

„Unternehmen, die über einen hohen Automatisierungsgrad verfügen, sollten rasch ermutigt werden, den Betrieb wieder aufzunehmen, soweit die Produktionsverfahren und Dienstleistungen mit wenigen menschlichen Kontakten und deshalb geringer Ansteckungsgefahr einhergehen“, heißt es in dem Positionspapier etwa. Ähnliches gelte für Betriebe im verarbeitenden Gewerbe, die in hohem Maße mit Zulieferbetrieben verflochten sind.

Zugleich unterstrichen die Verbände die zentrale Bedeutung der Logistik, die in der aktuellen Situation Absatz- und Beschaffungswege sicherten. „Wirtschaft und Politik müssen jetzt gemeinsam an der Überwindung der Krise arbeiten und tragfähige Lösungen finden. Dafür ist es erforderlich, die Logistikbranche weiterhin in den laufenden Abstimmungsprozess einzubinden“, so weiter in dem Positionspapier.

Der Digitalverband Bitkom betonte bereits im Vorfeld der Präsentation des Fahrplans am 15. April den disruptiven Charakter der Coronakrise.

„In der Debatte über mögliche Lockerungen muss stärker deutlich werden, dass es kein einfaches Zurück mehr geben darf“, erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg in einer Pressemitteilung. „Die Digitalisierung ist es, die unser gesellschaftliches Leben in diesen Tagen am Laufen hält.“

So gelte es, digitale Möglichkeiten zu nutzen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Die Unterbrechung der Infektionsketten durch eine möglichst frühzeitige Information von Betroffenen sei ein wichtiger Baustein für den Restart des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Berg weiter: „Bitkom unterstützt die Entwicklung von Apps, die mittels Bluetooth-Technologie pseudonymisiert und datensicher Nutzer informieren.“