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Nachhaltigkeit: Klimaneutralität muss strategisches Unternehmensziel sein

Das Kooperationsprojekt „Wege zum klimaneutralen Unternehmen“ stellt seine Ergebnisse für eine klimaneutrale Transformation vor.

Wie können Unternehmen klimaneutral agieren und die Kreislaufwirtschaft stemmen? Diesen Fragen geht ein Kooperationsprojekt nach. (Symbolbild: Wladimir 1804/stock.adobe.com)
Wie können Unternehmen klimaneutral agieren und die Kreislaufwirtschaft stemmen? Diesen Fragen geht ein Kooperationsprojekt nach. (Symbolbild: Wladimir 1804/stock.adobe.com)
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Sandra Lehmann

Im Juni 2024 endet Runde zwei des Kooperationsprojekts „Wege zum klimaneutralen Unternehmen“ vom Verband Klimaschutz-Unternehmen und dem Fachgebiet umweltgerechte Produkte und Prozesse (Upp) der Universität Kassel. Nach einem Pilotprojekt mit zehn Mitgliedern der Klimaschutz-Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 entwickelten seit Sommer 2022 erneut zehn Unternehmen mit wissenschaftlicher Unterstützung individuelle Maßnahmen und Fahrpläne für ihre Transformation. Sieben der Betriebe sind Klimaschutz-Unternehmen, ein Drittel der Projektunternehmen beschäftigte sich zusätzlich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft. Am 5. Juni präsentierten sie anlässlich der Woche der Umwelt in Berlin ihre Ergebnisse.

Alle zehn Unternehmen haben ambitionierte Ziele: Der Großteil orientiert sich mindestens an den Science Based Targets, die auf dem 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens basieren. Sie wollen bis 2045 treibhausgasneutral werden. Dafür will die Gruppe nach Eigenangaben bis zum Zwischenziel 2030 ihre Treibhausgasemissionen von mehr als 165.000 Tonnen in individuellen Basisjahren zwischen 2018 und 2021 um 80 Prozent reduzieren auf etwas mehr als 33.000 Tonnen. Das entspricht den Emissionen von fast 17.500 Erdumrundungen mit dem Auto oder mehr als 2.160 Flügen von Frankfurt nach Mallorca. Projektpartner und teilnehmende Unternehmen raten anderen Betrieben, Klimaneutralität als strategisches Ziel zu verankern und die Transformation als Chance zu begreifen.

„Klimawandel ist ein Geschäftsrisiko, an das Betriebe ihre Pläne anpassen müssen. Wenn sie negative Umweltauswirkungen ihrer Produkte, Dienstleistungen und Prozesse minimieren, senken sie die Risiken nachhaltig“, sagt Philipp Andree, Geschäftsführer der Klimaschutz-Unternehmen.

„Um in einem wettbewerbsintensiven Markt weiterhin erfolgreich zu sein, müssen und wollen wir uns transformieren. Das bedeutet Veränderung. Dabei ist es wichtig, Auszubildende und Mitarbeiter zu ermutigen Ideen einzubringen und sie zu befähigen Maßnahmen umzusetzen. Sie werden zu Botschaftern, das stärkt außerdem unser Image und erleichtert die Personalsuche“, so Tim Kohlhaas Geschäftsführer von KIS Antriebstechnik, dessen Familienbetrieb mit 43 Mitarbeitern bis 2027 energieautark werden will.

Sich zu transformieren kann für Unternehmen und ihre Lieferketten neue Geschäftsmodelle bedeuten wie bei „ZINQ“, eine Lösung des gleichnamigen Unternehmens, die Stahl- und Metallbauteile mit Zinkoberflächen vor Rost schützen soll:

„Damit die energetische und stoffliche Transformation gelingt, müssen wir vollständig zirkulär wirtschaften. Dafür müssen fossile Energien auf Erneuerbare umgestellt und Stoffe wie Metalle verbraucht, genutzt und wieder in den Kreislauf gebracht werden. In unserem zirkulären Geschäftsmodell betrachten wir schon beim Design alle negativen und positiven Umweltauswirkungen unserer Produkte und Prozesse sowie klimaschädliche Emissionen. Wir dokumentieren die Daten und konnten 2023 den ersten digitalen Produktpass (DPP) als Prototyp vorstellen. Darin erfassen wir alle Umweltauswirkungen unserer Produkte in Scope 1 bis 3 und geben sie in der Wertschöpfungskette weiter. Produktpässe müssen schon am Anfang der Zulieferkette aufgebaut werden. Die Herausforderung ist, dass genau hier häufig Daten fehlen“, berichtet Geschäftsführerin Dr. Birgitt Bendiek.

„Unternehmen sind Vorreiter bei Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft. Sie wissen, was zu tun ist und zeigen, was jetzt schon geht. Wir müssen in Deutschland aber noch schneller werden“, bilanziert Prof. Jens Hesselbach als Leiter des Upp nach zwei Projektrunden.

Gefragt nach Hemmnissen, die die beteiligten zehn Unternehmen auf ihrem Weg zur Klimaneutralität sehen, fehlen für 70 Prozent Technologien oder Erfahrung damit, 80 Prozent geben regulatorische Rahmenbedingungen an.

„Behörden warten gegenseitig auf Genehmigungen. Oder wir bekommen Zertifikate für neue Anlagen nicht, weil Sachverständige fehlen oder nicht klar ist, was die Behörden fordern“, erläutert Jan Faßbender, der in der deutschen Geschäftsleitung des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim für Technik zuständig ist. „Wir brauchen synchronisierte und konsolidierte Planungsverfahren. Genehmigungen für zentrale Bausteine der Transformation müssen schnell, niederschwellig und mit eingeschränkter Beteiligung der Öffentlichkeit möglich sein. Und wir brauchen Planungssicherheit. Deutschland braucht für die Netzinfrastruktur für Strom, Gas und Wasserstoff einen Energiekoordinator auf Bundesebene, bei dem Bedarf angemeldet wird, der den Netzausbau bis zum Anschlusspunkt koordiniert und sagen kann, wer wann mit wieviel Leistung angebunden wird“, so Faßbender.

Regulatorik ist auch für MPG Mendener Präzisionsrohr ein Hemmnis, die seit neun Monaten auf die Zertifizierung einer neuen PV-Anlage warten. Hinzu kommen Umstellungskosten für Neuanschaffungen, die für immer mehr Unternehmen zum Problem werden. Im Sommer 2023 war das für die Hälfte der Projektunternehmen ein Hemmnis, im Frühjahr 2024 für 80 Prozent. MPG stellt kupferlegierte Wärmetauscherrohre her und will bis 2030 seine Emissionen aus Scope 1 und 2 auf null bringen sowie Scope 3 um 75 Prozent reduzieren.

„Wir sind ein sehr energieintensiver Betrieb, aber wollen bis 2030 weitestgehend treibhausgasneutrale Produkte anbieten. Dafür müssen wir von Erdgas auf Grünstrom umstellen. Doch verglichen mit fossilen Energien sind die Investitionen und Betriebskosten für emissionsarme Technologien um ein Vielfaches teurer. Für solch große Investitionen fehlt uns auch die Kreditfähigkeit und die Transformation ist für uns so kaum finanzierbar“, sagt Geschäftsführer Dr. Andreas Gahl.

Seit Start des Projekts "Wege zum klimaneutralen Unternehmen" Anfang 2021 haben 19 unterschiedlich große Betriebe aus verschiedenen Branchen am zweijährigen Projekt teilgenommen. Für alle wurden Transformationspläne für ihre individuellen Wege zur Klimaneutralität entwickelt. Im Herbst 2024 startet Runde 3 mit dem Beratungsunternehmen Limón als weiterem Partner. An der zweiten Runde des Projekts "Wege zum klimaneutralen Unternehmen" beteiligten sich zehn Unternehmen, sieben davon sind Klimaschutz-Unternehmen:

  • Almo-Erzeugnisse Erwin Busch GmbH
  • Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co.KG
  • Hailo-Werk Rudolf Loh GmbH & Co.KG
  • IMD Labor Oderland GmbH - Irlbacher Blickpunkt Glas GmbH
  • KIS Antriebstechnik GmbH & Co. KG
  • KWS Saat SE & Co. KGaA
  • Meta-Regalbau GmbH & Co. KG
  • MPG Mendener Präzisionsrohr GmbH
  • Zinq GmbH & Co.KG
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