Logistikimmobilien: Zwischen Chancen und Risiken

Die jährliche Bulwiengesa-Studie geht 2022 der Frage nach, wie die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland und Europa den Logistikimmobilienmarkt verändert.

Die Bulwiengesa Studie 2022 beschäftigt sich mit den Auswirkungen aktueller wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen auf den Logistikimmobilienbereich. (Foto: Sandra Lehmann)
Die Bulwiengesa Studie 2022 beschäftigt sich mit den Auswirkungen aktueller wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen auf den Logistikimmobilienbereich. (Foto: Sandra Lehmann)
Sandra Lehmann

Welche Herausforderungen aber auch Chancen bringen die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen für den deutschen und den europäischen Logistikimmobilienmarkt mit sich? Mit dieser Kernfrage beschäftigt sich die Bulwiengesa-Studie „Logistik und Immobilien 2022“, die unter dem Titel „Akute Herausforderungen gleich aktuelle Chancen?“ am 5. Oktober im Rahmen der Fachmesse EXPO REAL in München vorgestellt wurde. Die jährlich erscheinende Erhebung, die gemeinsam mit den Partnern Berlin Hyp AG, Bremer AG, Garbe Industrial Real Estate GmbH sowie Savills Immobilien Beratungs-GmbH entstand, gibt Aufschluss über aktuelle Entwicklungen in Bezug auf Flächenbedarf, Renditen, Mieten, Projektentwicklung sowie Markttrends im Logistikimmobiliensektor.

Sehr viele Fertigstellungen in 2022

Bulwiengesa zufolge zeigt sich die Assetklasse trotz aktueller Herausforderungen wie dem Ukrainekrieg, der steigenden Inflation und der Energiekrise recht stabil. So prognostizieren die Studienautoren für 2022 mehr Developments als je zuvor und rechnen mit der Fertigstellung einer Neubaufläche von mehr als 5,8 Millionen Quadratmetern. Dieser Wert soll für 2023 sogar noch steigen. Für das kommende Jahr erwartet Bulwiengesa, dass die sechs Millionen Quadratmeter-Marke geknackt wird. An der Spitze der Top-Logistikimmobilienentwickler steht in der diesjährigen Studie erstmals das US-amerikanische Unternehmen Panattoni, gefolgt von der VGP Group und Garbe Industrial Real Estate.

Robust zeigen sich der Studie zufolge auch die Transaktionszahlen innerhalb der Assetklasse. Zwar geht Oliver Rohr, Teamleiter des Münchner Bulwiengesa-Büros, nicht davon aus, dass der Wert von mehr als elf Milliarden Euro aus dem vergangenen Jahr 2022 erreicht wird, allerdings stehe fest, dass Logistikimmobilien weiterhin eine sehr attraktive Investitionsmöglichkeit bleiben. Auch bei den Renditen geht der Fachmann aktuell davon aus, dass diese bis Ende des laufenden Jahres noch um circa 20 bis 40 Basispunkte steigen werden. Zu den Top-Investoren zählen 2022 neben Garbe auf Platz eins auch Frasers Property und Lip Invest auf den Rängen zwei und drei. Trotz dessen warnt Berlin Hyp vor zu hohen Erwartungen.

„Die hohen Refinanzierungskosten im Zuge der veränderten Zinslandschaft veranlassen viele Investoren aktuell dazu, sich zurückzuhalten und neu zu kalkulieren“, erläuterte Maria Teresa Dreo-Tempsch, Vorstandmitglied der Berlin Hyp.

In Sachen fertiggestellte Neubaulogistikfläche und Investitionsvolumen ist laut der Bulwiengesa-Studie Berlin das Maß aller Dinge. Die deutsche Hauptstadt verdrängte mit einem Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Euro in den vergangenen fünf Jahren das Rhein-Maingebiet von Platz eins auf Platz zwei des Rankings. Auf Platz drei liegt 2022 Dortmund, das mit einem Investitionsvolumen von 2,2 Milliarden Euro Hamburg auf die Plätze verweist. Als Trends bei den Topstandorten beobachten die Autoren einen Anstieg der Investionsaktivitäten in den östlich gelegenen Bundesländern. Diese Entwicklung sei insbesondere den Bestrebungen mehrerer Technologieunternehmen geschuldet, in die Produktion von Chips einzusteigen. Dazu zähle die Ankündigung von Intel in der Nähe von Magdeburg eine Chipfabrik zu eröffnen.

Hinsichtlich aktueller Markttrends sind sich die Macher und Partner der Studie einig: die momentane weltpolitische Lage sowie der Druck zur Einhaltung der ESG-Kriterien werde weiterhin die Mietpreise im Logistikimmobiliensektor treiben und Baukosten steigen lassen.

„Ich sehe da auf absehbare Zeit keine merkliche Entspannung“, sagte Michael Dufhues, Vorstand der Bremer AG. „Zumindest die Kosten für die technische Ausrüstung von Gebäuden werden weiterhin hoch bleiben. Der Mangel an Material, gestörte Lieferketten, die Verwendung neuer Materialien im Sinne der ESG-Kriterien sowie die ungenügende Abdeckung mit qualifizierten Baufirmen sind die Hauptgründe für den starken Preisanstieg.“

Und auch beim Near- und Reshoring, das als großer Trend gilt, sehen die Experten wenig Spielraum.

„Es mag sein, dass viele Unternehmen sich derzeit überlegen, Produktions- und Logistikkkapazitäten zurück nach Europa zu holen. Aufgrund des anhaltenden Flächenmangels, der hohen Baukosten und der steigenden Mieten ist das allerdings ein reines Wunschkonzert und derzeit schlicht nicht umsetzbar“, sagte Bertrand Ehm, Director Industrial Investment bei Savills im Rahmen der Vorstellung der Studie.

Dennoch überlegten sich bereits jetzt viele Unternehmen, welche Standorte für eine Rückverlagerung von Logistikstrukturen in Frage kommen. „Unseren Untersuchungen nach liegen hier vor allem die Niederlande und Tschechien als Regionen ganz vorne“, so Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter von Bulwiengesa.

„Das hat vor allem damit zu tun, dass beide Standorte sehr zentral in Europa liegen und zumindest in den Niederlanden stark in eine modale Infrastruktur investiert wird.“