Logistik-Start-ups: Fast 90 Prozent weniger Investitionen als 2021
Die Unternehmensberatung McKinsey hat in der aktuellen Analyse „Logistics start-up funding: The investor pullback continues“ die Entwicklung der Venture-Capital-Investitionen in Logistik-Start-ups untersucht. Demnach sind mehr als zwei Jahre nach dem Ende der Coronapandemie die wirtschaftlichen Nachwirkungen des nachlassenden E-Commerce-Booms und der gestiegenen Kapitalkosten auf den Logistiksektor immer noch spürbar. Nach einem Rekordhoch von 25,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 sind laut einer Pressemitteilung vom 8. August die Investitionen in Logistik-Start-ups bis 2023 auf nur noch 2,9 Milliarden US-Dollar gefallen – ein Rückgang von fast 90 Prozent und das niedrigste Niveau seit 2015. Mehrere Faktoren tragen McKinsey zufolge zu diesem starken Rückgang bei, darunter hohe Zinssätze, eine verlangsamte Entwicklung des Welthandels und des E-Commerce, und ein Markt mit Überkapazitäten bei Frachtdienstleistern, was die Frachtraten 2023 gedrückt hat.
Logistik als herausforderndes Umfeld
Die Venture Capital-Investitionen sind laut den Studienautoren in allen Branchen von 2022 bis 2023 weltweit um etwa 35 Prozent zurückgegangen. Besonders hart getroffen wurde demnach der Logistik-Sektor, der 2023 nur noch 0,8 Prozent der gesamten VC-Investitionen anzog – ein deutlicher Rückgang gegenüber den rund drei Prozent in den fünf Jahren zuvor. Neben Investitionen sind auch globale Frachtvolumina stark gesunken, da die Nachfrage nach physischen Gütern zurückgegangen ist. So stagnierten die Seefrachtvolumina zwischen 2022 und 2023, während die Luftfrachtvolumina um vier Prozent zurückgingen. Auch die Frachtraten spiegeln diesen Rückgang wider: Die Luftfrachtraten sanken zwischen 2022 und 2023 um 22 Prozent, während die Seefrachtraten gar um 70 bis 90 Prozent fielen. Dieser starke Einbruch der Seefrachtraten lässt sich McKinsey zufolge allerdings damit erklären, dass Kapazitäten nach dem Ende der Covid-Pandemie in den Markt zurückkehrten und andere Frachtarten wieder wirtschaftlich rentabler wurden.
Investitionen in bestimmte Segmente
Allerdings sind Investitionen im Logistiksektor der Erhebung zufolge nicht vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Großteil des verbleibenden Risikokapitals fließt demnach in den Last-Mile-Sektor, der sich auf die letzte Phase des Lieferprozesses spezialisiert hat. Start-ups in diesem Bereich konnten ihren Anteil an den gesamten Logistikinvestitionen im Jahr 2023 um fünf Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr auf 40 Prozent erhöhen. Dennoch liegen diese Zahlen weiterhin unter dem Investitionsdurchschnitt von 46 Prozent der Jahre 2010-2020. Einen deutlichen Zuwachs der Investitionen im Vergleich zu den Vorjahren können Software- und System-Start-ups verzeichnen. Flossen von 2010 bis 2020 durchschnittlich nur zehn Prozent des Investitionsvolumens in diesen Sektor, waren es 2023 25 Prozent. Angetrieben wurde diese Entwicklung durch die wachsende Nachfrage nach Digitalisierung und KI-Lösungen in der Logistik.
Regionale Verschiebungen, Indien als Newcomer
US-amerikanische Start-ups zogen 2023 das meiste Interesse der Investoren auf sich und machten 43 Prozent der Gesamtinvestitionen aus, so McKinsey. Dies markiert einen Wandel gegenüber den Vorjahren, als asiatische Start-ups (ohne China und Indien) die meisten Investitionen erhielten. Indische Start-ups verdoppelten ihren Anteil an Gesamtinvestitionen von 2022 auf 2023 von zehn auf 19 Prozent und ziehen erstmal mit Europa gleich, was auf die Diversifizierung der Produktions- und Lieferketten verschiedener Branchen sowie die Wachstumschancen im indischen Markt zurückzuführen ist.
Herausforderungen und Chancen
„Der Logistiksektor macht knapp zehn Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts aus. Dies unterstreicht seine außerordentliche Relevanz für die Weltwirtschaft und die Notwendigkeit, wieder zur alten Investitionsstärke zu finden, auch im Venture Capital Bereich, aus dem die meisten Innovationen finanziert werden“, sagt Ludwig Hausmann, Senior Partner bei McKinsey.
„Entscheidend dafür ist, dass sich alle Beteiligten auf realistische Wege zur Profitabilität der jungen Unternehmen konzentrieren. Wachstum wird immer eine Schlüsselrolle spielen, aber in einer Branche, die von erheblichem Kostendruck und Fragmentierung geprägt ist, wird eine schnelle finanzielle Rentabilität immer wichtiger.“ Etablierte Logistik-Unternehmen hingegen könnten durch Übernahmen und Partnerschaften eigene innovative Lösungen und Produkte entwickeln, und so Wachstumseffekte erzielen. Solche M&A und JV-Aktivitäten sind laut der Studie durch reduzierte Bewertungsniveaus im Startup-Bereich erschwinglicher geworden.
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