Lieferkettengesetz: Unternehmen fürchten Wettbewerbsnachteile

Laut einer Studie sehen Unternehmen besonders große Herausforderungen in der Sorgfaltspflicht für Einhaltung der Menschenrechte in der gesamten Lieferkette.

Überfordert das deutsche Lieferkettengesetz kleine und mittlere Unternehmen? Fragen wie diesen geht eine aktuelle Studie nach. (Foto: Sergey Nivens / AdobeStock)
Überfordert das deutsche Lieferkettengesetz kleine und mittlere Unternehmen? Fragen wie diesen geht eine aktuelle Studie nach. (Foto: Sergey Nivens / AdobeStock)
Therese Meitinger

Das F.A.Z.-Institut und die Hypo Vereinsbank haben am 5. Juli die Ergebnisse ihrer Studie „Lieferkettengesetz und soziale Nachhaltigkeit“ veröffentlicht. Sie widmet sich dem Mitte Juni vom Bundestag verabschiedeten Lieferkettengesetz. Im Frühjahr 2021 wurden dazu online 125 Top-Entscheider deutscher Unternehmen unterschiedlicher Größe nach ihren Erwartungen zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes und dessen Auswirkungen auf das eigene Unternehmen befragt. Untersucht wurden unter anderem Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, aus der Chemie- und Pharmaindustrie sowie aus dem Handelssektor.

 Ein Viertel der Unternehmen rechnet der Umfrage zufolge damit, dass das Lieferkettengesetz negative Auswirkungen auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit haben wird. Vor allem kleinere Betriebe mit einem Jahresumsatz von fünf bis 50 Millionen Euro (32 Prozent) und Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe (30 Prozent) befürchten, dass ihre Konkurrenzfähigkeit unter dem Gesetz leiden wird. Andererseits erwarten aber auch 17 Prozent der Unternehmen eine Verbesserung ihrer Wettbewerbssituation. Dabei sei das Lieferkettengesetz in den Führungsetagen deutscher Unternehmen aktuell sehr präsent, so die Studie: Insgesamt drei Viertel der Unternehmen in allen Umsatzklassen haben sich bereits mit den Auswirkungen beschäftigt.

Überwachung und Dokumentation als Fokusthemen

Um die Anforderungen des Gesetzes in allen Punkten zu erfüllen, müssen die meisten Unternehmen den Studienautoren zufolge ihre Geschäftsprozesse anpassen oder sogar zusätzliche Maßnahmen ergreifen.

Jedes zweite Unternehmen bewertet der Studie zufolge die unternehmerische Sorgfaltspflicht, die Menschenrechte in der gesamten Lieferkette zu gewährleisten, als besonders schwierig. Das gilt insbesondere für größere Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 250 Millionen Euro (64 Prozent). Als Folge rückten die auf Lieferketten bezogene Administration und Dokumentation stärker in den Fokus der Unternehmen, argumentiert die Erhebung: Jeweils 46 Prozent bewerten die Berichterstattungspflicht und die Vertragsgestaltung mit Lieferanten als weitere zentrale Herausforderungen. Dabei befürchten 70 Prozent der befragten Entscheider, dass die Überwachung der gesamten Lieferkette den Mittelstand – insbesondere kleine Unternehmen – überfordern würde.

„Beim Thema Nachhaltigkeit geraten die Lieferketten immer stärker ins Blickfeld. Das gilt nicht nur für große Unternehmen, sondern auch für viele Mittelständler. Sie sind in der Regel Teil der Wertschöpfungsketten größerer Organisationen, verfügen aber oft nur über kleine Einkaufs-, Finanz- oder Nachhaltigkeitsabteilungen“, kommentiert Markus Beumer, Firmenkundenvorstand der HypoVereinsbank, die Studie.

Ein Großteil der Unternehmen habe die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit und des Potenzials nachhaltigen Wirtschaftens bereits erkannt, resümiert eine Mitteilung zur Studie: Neun von zehn Firmen haben sich laut Studie schon mit den Auswirkungen der eigenen Unternehmenstätigkeit auf Aspekte wie Menschenrechte, Arbeitnehmerbedingungen und Verbraucherschutz auseinandergesetzt – über die Hälfte bereits intensiv. Dabei entwickeln sich nachhaltige Lieferketten auch für mehr und mehr Unternehmen zu einem Wettbewerbsvorteil und einer Wachstumschance.