Lieferkettengesetz: Mode, Textil und Einzelhandel sind mangelhaft vorbereitet

Große Lücken macht eine Umfrage von K3 und Sapio Research unter anderem in der Methodik für Compliance-Nachweise aus.

Auch große Unternehmen aus der Modeindustrie müssen ab 2023 nachweisen, dass sie die Wahrung von Menschenrechten entlang der Lieferkette gewährleisten. (Symbolbild: Africa Studio / AdobeStock)
Auch große Unternehmen aus der Modeindustrie müssen ab 2023 nachweisen, dass sie die Wahrung von Menschenrechten entlang der Lieferkette gewährleisten. (Symbolbild: Africa Studio / AdobeStock)
Therese Meitinger

Das Marktforschungsinstitut Sapio Research hat 100 Entscheidungsträger im SCM von Fashion-, Lifestyle-, Textil- und Einzelhandelsunternehmen mit Blick auf das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz befragt. Ziel der im März und April 2022 im Auftrag des britischen Softwareanbieters K3 durchgeführten Marktforschung war es, herauszufinden, wie Unternehmen auf das schrittweise Inkrafttreten des Gesetzes ab dem 1. Januar 2023 vorbereitet sind, so eine Mitteilung vom 24. Mai.

Das LkSG legt klare und umsetzbare Anforderungen zu den Sorgfaltspflichten von Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern (2023) beziehungsweise 1.000 Mitarbeitern (2024) fest – und zwar vom Rohstoff bis hin zum Verkaufsprodukt. Ziel ist es, den Schutz der Menschenrechte und die Achtung der Umwelt in globalen Lieferketten zu gewährleisten.

Die von Sapio Research Befragten sind in den Bereichen IT, Operations/Logistik/Supply Chain sowie Finanzwesen tätig und verantworten die Lieferketten in den Branchen Mode und Lifestyle, in der Textilindustrie sowie im Einzelhandel in Deutschland. Sie bekleiden C-Level- und Management-Positionen oder sind Abteilungsleiter in Unternehmen mit 1.000 bis 4.999 Mitarbeitern (43 Prozent) sowie 5.000 bis 10.000+ Mitarbeitern (57 Prozent). Vier von fünf der befragten Unternehmen beziehen Produkte aus Ländern mit weniger strengen Standards als in der EU (82 Prozent) und benötigen daher Systeme und Verfahren, um die Einhaltung des LkSG zu gewährleisten.

Nicht alle Unternehmen sind ausreichend auf das LkSG vorbereitet.

Drei von fünf Befragten gaben in der Erhebung an, dass sie sich der bevorstehenden LkSG-Gesetzgebung vollständig bewusst sind. Die Marktforschung von Sapio Research brachte jedoch auch Wissensdefizite ans Licht: Rund ein Drittel der Umfrage-Teilnehmer (34 Prozent) haben zwar bereits von dieser Gesetzgebung gehört, kennen aber deren Details nicht. Von denjenigen, die sich der Notwendigkeit der Einhaltung des LkSG bewusst sind, kann etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) noch nicht Compliance-konform agieren. 18 Prozent von ihnen sind sich nicht sicher, ob sie dies bis zum Inkrafttreten des LkSG schaffen werden. Die Umfrage deute darauf hin, dass dies mit den derzeitigen Systemen und Prozessen eine Herausforderung sein werde, so die Pressemitteilung.

Mangelnde Transparenz in den Lieferketten

Sieben von zehn Unternehmen (71 Prozent) holen der Umfrage zufolge Zertifizierungen von ihren direkten Lieferanten ein, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltrisiken in ihrer Supply Chain zu bewerten und zu vermeiden. Auffällig sei jedoch, dass weniger als die Hälfte der Befragten (47 Prozent) diese auch von den Lieferanten ihrer Lieferanten (indirekten Zulieferern) einforderten – was erhöht die Risiken in der Lieferkette erheblich erhöhe, so Sapio Research.

Unternehmen nutzen ineffiziente, nicht automatisierte Methoden.

27 Prozent der Umfrage-Teilnehmer gaben an, dass sie die Zertifizierungen in Papierform in einem Aktenschrank aufbewahren. Zwei Drittel der 94 Prozent, die Audits in ihrer Lieferkette durchführen, speichern die Ergebnisse in Datenbanken – wobei 37 Prozent sie in Papierform aufbewahren, bei Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern sind es sogar 46 Prozent.

Rund ein Viertel der kleineren Unternehmen speichert die Audit-Ergebnisse in Ordnern auf gemeinsam genutzten Laufwerken oder sogar auf den persönlichen Laufwerken der verantwortlichen Mitarbeiter. 19 Prozent der Befragten nutzen eine Tabellenkalkulation.

Damit steige die Fehleranfälligkeit und die Informationen seien somit schwer zugänglich, sowie zu verwalten und aufzufinden, heißt es in der Mitteilung. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) glauben der Umfrage zufolge nicht, dass die Technologie, die sie heute zur Unterstützung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette einsetzen, die relevanten Daten und Kennzahlen vollständig automatisch in ihre Finanzberichterstattung integrieren kann. Bei kleineren Unternehmen sind dies sogar zwei Drittel der Unternehmen. Dies führt unumgänglich zu Ineffizienzen. Darüber hinaus müssen Unternehmen, die vom LkSG betroffen sind, die Möglichkeit haben, im Rahmen ihrer Finanzberichterstattung über die Einhaltung der Vorgaben zu berichten.

„Sind diese Informationen nicht in die Systeme für die Finanzberichterstattung integriert, ist die Einhaltung des LkSG eine sehr zeitaufwändige, manuelle Aufgabe, die anfällig für Fehler und Ungenauigkeiten ist und Unternehmen einem hohen Risiko aussetzt“, erläutert Karsten Kurella, Enterprise Sales Director bei der K3 Business Technology Group.

Neue Technologien sind erforderlich.

93 Prozent der Befragten sind der Erhebung zufolge davon überzeugt, dass sie neue technologische Lösungen benötigen, um das LkSG-Gesetz in ihrem Unternehmen in vollem Umfang umsetzen und einhalten zu können. Nur 30 Prozent der Befragten geben sich sehr zuversichtlich. Sie denken, dass die die Technologie, die sie derzeit zur Speicherung und Aufzeichnung von Zertifizierungen in der Lieferkette verwenden, ihnen die Einhaltung der LkSG-Gesetzgebung vollständig ermöglichen wird.

Bei Unternehmen mit 1.000 bis 4.999 Mitarbeitern sinkt dieser Anteil auf nur 14 Prozent. Darüber hinaus erklärten sieben von zehn Unternehmen, dass ihre derzeitige Methode zur Speicherung und Aufzeichnung von Zertifizierungen in der Lieferkette automatisch Warnungen sendet, wenn Zertifizierungen ablaufen. Interessanterweise gaben größere Unternehmen seltener an, dass ihre derzeitige Methode automatisch diese Warnungen sendet. Allerdings können nur 43 Prozent der Unternehmen fehlende oder ungenaue Zertifizierungen automatisch erkennen.

Die Umsetzung des LkSG soll fürs Marketing genutzt werden.

Fast alle Befragten (98 Prozent) der Umfage beabsichtigen, die Themen Nachhaltigkeit, geringere Umweltauswirkungen und den Schutz des Wohlergehens der Arbeitnehmer in ihren Lieferketten für ihr Marketing zu nutzen.

„Dabei gilt es zu beachten, dass Unternehmen, die diese Metriken für Marketing-Zwecke nutzen möchten, auch allen Anforderungen des LkSG in vollem Umfang entsprechen und gewährleisten müssen, dass ihre Daten vertrauenswürdig sind“, ergänzt Karsten Kurella.