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Lieferketten-Studie: Deutsche Industrie setzt auf Lieferanten-Diversifizierung und Lagerhaltung

Laut dem aktuellen Lieferkettenreport von Reichelt Elektronik rechnet die deutsche Industrie mit anhaltenden Supply-Chain-Störungen, hat sich aber gut mit der Lage arrangiert.

Die Beschaffungssituation von Materialien hat sich in der deutschen Industrie im Verfleich zu der Situation vor vor zwei Jahren deutlich verbessert. (Foto: industrieblick/AdobeStock)
Die Beschaffungssituation von Materialien hat sich in der deutschen Industrie im Verfleich zu der Situation vor vor zwei Jahren deutlich verbessert. (Foto: industrieblick/AdobeStock)
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Therese Meitinger

Störungen in der Lieferkette halten 84 Prozent der deutschen Industrieunternehmen nach wie vor in Atem. Zu dieser Erkenntnis kommt der Lieferkettenreport im Auftrag des Distributors Reichelt Elektronik, für den das dritte Jahr in Folge 500 deutsche Entscheider aus verschiedenen Industriebranchen befragt wurden. Die Umfrage wurde laut einer Pressemitteilung vom 6. November durch das Institut OnePoll im Oktober 2023 durchgeführt.

Trotz der anhaltenden Störungen glauben laut der Studie fast die Hälfte (46 Prozent) der Industrieentscheider an eine künftige Verbesserung der Lage, während 43 Prozent vom Gegenteil überzeugt sind. Im Jahr 2021 blickten noch fast zwei Drittel positiv in die Zukunft. In Bezug auf die Resilienz ihres eigenen Unternehmens sind die Umfrageteilnehmer zuversichtlich, obwohl die Mehrheit (54 Prozent) zustimmt, dass ihr Unternehmen in den letzten drei Jahren erhebliche Verluste hinnehmen musste. Sie sind der Ansicht, dass diese Einbußen durch die Einführung eines zuverlässigen Systems zur Überwindung von Schwierigkeiten in der Lieferkette kompensiert werden konnten (67 Prozent).

Mix aus Just-in-Time und Lageraufstockung

Die Materialien in den Lagerbeständen werden knapp, die Lieferungen verspäten sich oder fallen ganz aus – dann steht die Produktion im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland erst einmal still. Das Ergebnis der diesjährigen Befragung zeigt eine Verbesserung zu den Vorjahren: Während 2021 durchschnittlich 35 Tage und 2022 durchschnittlich sogar 46 Tage Produktionsstillstand zu verzeichnen war, konnten die Unternehmen im Jahr 2023 an nur 32 Tagen nicht produzieren. Immerhin waren 19 Prozent der Befragten trotz der Hürden gar nicht betroffen. Dieses Ergebnis zeige eindrücklich den Erfolg der in den letzten zwölf Monaten implementierten Maßnahmen, argumentieren die Studienautoren.

Der Trend geht laut der Erhebung nach wie vor zur Erhöhung der Lagerbestände als eine der ersten Gegenmaßnahmen zu Lieferengpässen. Im Jahr 2021 verfolgten 44 Prozent der Unternehmen diese Strategie, 2022 waren es 50 Prozent. Auch dieses Jahr hat sich kaum etwas geändert, da knapp die Hälfte der befragten Unternehmen diese Strategie verfolgt, und weitere 36 Prozent planen ihre Bestände für bestimmte, kritische Komponenten in den kommenden zwölf Monaten weiter aufzustocken. Im Detail gehören dazu die herstellenden Industrien von Hardwarekomponenten sowie elektronischen Bauteile, Produktion und Fertigung sowie die Automobilindustrie, wo etwa die Hälfte der Unternehmen auf diese Maßnahme setzt.

Fast die Hälfte der Befragten sind laut dem Report in den vergangenen zwölf Monaten wieder zum Just-in-Time-Konzept zurückgekehrt. Trotzdem bestücken sie ihre Lagerhallen nach wie vor mit den wichtigsten Komponenten. Besonders die Elektronik- und Hardware- sowie die Textilindustrie, der Sektoren Transport und Spedition sowie Luft- und Raumfahrt setzen auf diese Kombination. Die Rückkehr zu Just-in-Time bestätigt damit die Ergebnisse der Reichelt-Umfrage von 2022, worin über die Hälfte der Unternehmen sich vorstellen konnten, wieder auf diese Strategie zu setzen.

Diversifizierung der Lieferanten

Trotz der anhaltend volatilen Lieferkette hat sich die Beschaffung von Komponenten und Materialien in den letzten zwei Jahren der Umfrage zufolge deutlich verbessert, nur noch 44 Prozent haben demnach Schwierigkeiten damit. Anfang 2022 gaben noch über 89 Prozent an, dass sie im Vorjahr vor diesem Problem standen. Besonders gefürchtet ist der Preisanstieg für kritische Komponenten, anstelle von 62 Prozent der Unternehmen im Jahre 2022 sind es nun 73 Prozent. Die Sorge um den Fachkräftemangel (61 Prozent) ist wieder präsenter, während die Sorge um Lieferengpässe bei kritischen Komponenten wie Mikroelektronik zurückgegangen ist (57 Prozent). Die Angst vor der Inflation ist allgegenwärtig – 61 Prozent der Teilnehmer sehen diese als Risikofaktor.

Der Lieferkettenreport hebt besonders eine neue Strategie hervor, die neben der Erhöhung der Lagerbestände im Jahr 2023 nach Ansicht der Studienautoren besonders wichtig ist, um den Lieferkettenengpässen die Stirn zu bieten und ihre Resilienz aufzubauen oder zu erhalten: Ein Großteil der Unternehmen (90 Prozent) sieht die Diversifizierung der Lieferanten als Kernstrategie. Die deutsche Industrie favorisiert auch Onshoring, also der Wechsel zu lokalen Lieferanten (81 Prozent) und die Umstellung auf kostengünstigere Lieferanten (80 Prozent). Mit diesen Strategien, sich von einzelnen Lieferanten sowie welt- und handelspolitischen Ereignissen unabhängig zu machen, soll die Versorgungssicherheit der Ressourcen und Bauteile garantiert werden.

Wunsch nach Eigenständigkeit

Während man im Jahr 2021 noch auf das Licht am Ende des Tunnels – damals das Ende der Coronapandemie – hoffte, hat sich die wirtschaftliche und politische Lage in Deutschland und weltweit zugespitzt: Konflikte im Osten und Nahen Osten, allgemeine Rezession und Inflation sowie erhöhter Arbeitsaufwand durch Umweltauflagen und dem neuen Lieferkettengesetz haben ein großes Bedrohungspotenzial für die deutschen Industrieunternehmen. Besonders dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schreiben 56 Prozent der Befragten aus der deutschen Industrie großen Einfluss auf den Welthandel zu.

Dennoch lasse sich die deutsche Industrie weder von der globalen Situation noch von neuen Gesetzen paralysieren, so die Studienautoren. 70 Prozent können die neuen Regelungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bereits umsetzen oder sind weit fortgeschritten. Das wird auch durch die geplanten Maßnahmen für das kommende Jahr oder die bereits umgesetzten Maßnahmen im letzten Jahr veranschaulicht. Hierbei wechseln 74 Prozent der befragten Unternehmen zu umweltfreundlicheren Lieferanten, während 68 Prozent auf Lieferanten umsteigen, die die Einhaltung von Menschenrechten nachweisen können.

Der Wunsch nach Unabhängigkeit ist im Jahr 2023 allgegenwärtig: Die Mehrheit der in der Studie befragten Unternehmen (81 Prozent) hofft auf eine stärkere offizielle Förderung seitens der Politik für deutsche Forschungsprojekte wie der Halbleiterproduktion oder anderer essenzieller Bauteile, um wettbewerbsfähig zu bleiben und autarker zu werden. Im Jahr 2022 sprachen sich nur 58 Prozent dafür aus, 2021 waren es sogar nur 38 Prozent. 68 Prozent wünschen sich, dass man sich künftig eher auf neue Technologiezweige spezialisiert, da sie dort bessere Chancen sehen, die Technologieführerschaft auszubauen, beispielsweise in der Quantentechnologie (62 Prozent).

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