Lieferketten-Strategien: Auf dem Weg zu China+1

Der sich wandelnde Stellenwert des Produktionsstandorts und Sourcingmarkts China ist Thema der Titelgeschichte der Mai-Ausgabe von LOGISTIK HEUTE.

Die Abhängigkeit vom chinesischen Sourcingmarkt birgt auch Risiken. (Symbolbild: vegefix / AdobeStock)
Die Abhängigkeit vom chinesischen Sourcingmarkt birgt auch Risiken. (Symbolbild: vegefix / AdobeStock)
Therese Meitinger

Verspätungen, Lieferengpässe, steigende Frachtraten oder Containermangel waren in den vergangenen Jahren aus dem Supply Chain Management deutscher Unternehmen nicht wegzudenken. Teil des Szenarios war die Zero-Covid-Politik der chinesischen Regierung, die mit Einreisebeschränkungen und regional begrenzten Lockdowns zusätzliche Unsicherheiten nach sich zog. Stellen deutsche Unternehmen die Rolle Chinas in ihrem Procurement auf den Prüfstand?

Die Analyse "Sourcing in China", für die der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in China aktive Unternehmen befragte, sieht zumindest keine prinzipielle Abkehr. Vielmehr gewinnt das Konzept China + 1 an Bedeutung. Viele Unternehmen verfolgen der BME-Studie zufolge die Strategie, ihr China-Geschäft in punktuellen Märkten Asiens zu diversifizieren, anstatt sich aus dem Markt zurückzuziehen.

„Thailand ist traditionell im Automotive-Bereich sehr stark aufgestellt, in Malaysia ist die Chipindustrie in der Penang-Gegend ansässig, wo auch heute schon ­Unternehmen wie Infineon vertreten sind“, schildert Eric Reuter, Vice President Asien bei der Digitalspedition Forto, einige Alternativen.

Forto ist in mehreren asiatischen Ländern vertreten – doch das Gros der Kunden der Digitalspedition verschifft nach wie vor die mit größten Mengen aus China heraus. „Die Produktionskapazitäten, die China quer durch die Branchen hat, kann heute kein anderes Land bieten“, ist Reuter überzeugt.    

Große Kompetenzen für Elektronikkomponenten

Andere setzen bewusst auf den Beschaffungsmarkt China. „Wir kaufen mittlerweile gut die Hälfte unseres Einkaufsvolumens aus China ein“, erklärt etwa Erich Graf, Vice President Corporate Procurement bei Diehl Controls. Die Tochter der Diehl Gruppe, die ihren Hauptsitz im Allgäu hat, produziert elektronische Steuerungen für Business-to-Business-Kunden, die in weißer Ware wie Waschmaschinen oder Kühlschränken, aber auch in Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Besonders im Bereich der Elektronikkomponenten hat China Grad zufolge enorme Kompetenzen aufgebaut, sodass bestimmte Teile kaum in vergleichbarer Qualität zu ähnlich wettbewerbsfähigen Preisen zu bekommen seien.

Doch der Beschaffungsmarkt China bringt Probleme mit sich: Restriktionen im Zuge des Ukrainekriegs, zudem der schwelende, in seinen Folgen unkalkulierbare Konflikt zwischen China und Taiwan. „Sollte China tatsächlich in Taiwan militärisch aktiv werden, wird es schwierig, aus Taiwan Material zu beschaffen“, sagt Graf. Die Aggression würde seiner Überzeugung nach aber auch auf China zurückfallen und zu Restriktionen durch Dritte wie beispielsweise die USA führen.

„Für den Ausfall von Taiwan sind wir über Multiple-Sourcing-Strategien gut aufgestellt; wenn wir in China nicht mehr beschaffen können, wäre das ein Problem, auf das ich derzeit keine eindeutige Antwort habe“, so Graf.

Welche Strategien Unternehmen mit Blick auf das Sourcing und die Produktion in China du Südostasien verfolgen, ist Thema der Titelgeschichte von LOGISTIK HEUTE 5/2023. Die Ausgabe ist am 19. Mai erschienen.

Abgelöster Logistikweltmeister

Deutschland ist nicht mehr „Logistikweltmeister“. Die Bundesrepublik findet sich 2023 laut dem siebten Bericht „Connecting to Compete: Trade Logistics in the Global Economy“ der Weltbank über den Logistics Performance Index (LPI) nur noch auf Rang drei im weltweiten Ranking wieder. In der Liste thront Singapur auf Platz eins, gefolgt von Finnland.