LDC!: Der Retournierer von heute muss nicht der Rücksender von morgen sein
Retouren sind im vergangenen Jahr durch Medienberichte über die Vernichtung von Rücksendungen und die politische Diskussion darüber in Verruf geraten. Wie Onlinehändler sinnvoll und effizient mit Warenrücksendungen umgehen können war deshalb Thema einer LOGISTIK HEUTE- Onlinesession, die im Rahmen der Logistics Digital Conference (LDC!) am 11. November über die Bühne ging. Unter dem Motto „E-Commerce-Logistik: Die Retourenfrage im Fokus“ diskutierte LOGISTIK HEUTE-Chefredakteur Matthias Pieringer mit Vertretern des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh), von Arvato Supply Chain Solutions, Trusted Returns sowie Miebach Consulting über geeignete Maßnahmen, um Rücksendungen zu geringeren Kosten abzuwickeln, nachhaltiger zu agieren und gleichzeitig den Kundenwunsch im Fokus zu behalten.
Retouren besser verstehen
Dazu, so Gero Furchheim, Präsident des bevh, müsste man sich zunächst damit auseinandersetzen, was Retouren eigentlich genau sind und auch anerkennen, dass sie als legitimer Teil zu einem regulären Geschäftsprozess gehören.
„Damit nehmen wir Rücksendungen das Dämonische – ein Label, das durch die sehr emotionale Diskussion im vergangenen Jahr entstanden ist. Gleichzeitig müssen wir insbesondere durch die Hilfe der Wissenschaft herausfinden, wo tatsächliche Retourentreiber liegen und wie sich Konsumenten sinnvoll in das Thema einbinden lassen“, erläuterte Furchheim.
Um diesen Zielen näherzukommen, gibt der bevh noch im November dieses Jahres ein Kompendium verschiedenster Forschungsansätze zum Thema Retouren heraus. Im Rahmen dieses Vorhabens hätte der Verband unter anderem ermittelt, dass der Kunde und seine Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle im Retourenprozess spielen:
„Wir haben herausgefunden, dass hier bei vielen Konsumenten eine Lücke zwischen Wollen und Machen klafft. Etliche Kunden möchten sich zwar umweltbewusst verhalten, schicken aber zeitgleich sehr viel Ware an Händler zurück. Aus diesen Erkenntnissen müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen und geeignete Maßnahmen entwickeln“, so Furchheim.
Den Kunden stärker in den Rücksendeprozess zu integrieren ist auch der Ansatz von Artjom Bruch, Gründer und Geschäftsführer des Retourenspezialisten Trusted Returns.
„Je mehr Transparenz und Informationen wir innerhalb des Retourenmanagements bieten, desto bewusster können Konsumenten mit dem Thema umgehen. Ihnen wird dadurch schneller klar, wie viel sie eigentlich zurücksenden und auch warum“, sagte Bruch.
Unterstützt durch digitale Hilfsmittel wie virtuelle Label oder KI-basierte Analysetools ist es aus Sicht des Fachmanns möglich, den Kunden besser zu verstehen und eventuell unnötige Retouren zu vermeiden.
„Manchmal genügt es, ein Ersatzteil zu versenden, anstatt ein komplettes Gerät zurückzunehmen. In anderen Warenbereichen wiederum kommt man mit Gutschriften oder Rabatten an einer Rücksendung vorbei. Bis auf den Fashionbereich, der eine Sonderstellung einnimmt, liegt in etlichen Produktsektoren noch sehr viel Potenzial im Retourenbereich“, so Bruch.
Um bei notwendigen Rücksendungen keine unnötigen Kosten entstehen zu lassen, riet Dr. Alexander Klaas, Head of Data Science bei Miebach Consulting, den Session-Teilnehmern dazu, zurückgesendete Ware so schnell wie möglich wieder anzubieten und weiterzuversenden.
„Ein nicht unerheblicher Kostentreiber bei Retouren ist die Lagerhaltung. Deshalb sollte die Ware möglichst nur kurz im Distributionszentrum verweilen und sich im besten Fall bereits vor der Vereinnahmung wieder auf dem Weg zum nächsten Kunden befinden.“
Leichter werde dieser Prozess, wenn etwa Transparenz darüber bestehe, wann ein Händler mit welchen Rücksendungen rechnen muss. Nicht nur zu diesem Zweck verwies Klaas auf den Einsatz datenbasierter Analysetools. Diese können aus Sicht des Experten auch helfen, den Retourenanteil weiter zu senken:
„Zum einen quantifiziert man damit seine hauseigenen Retourentreiber und zum anderen erkennt man durch eine Analyse besser, weshalb Kunden Ware zurücksenden. Manchmal hakt es nur an der Darstellung von Produkten auf der Website“, erläuterte Klaas.
Mithilfe von großen Datenmengen eine genaue Einschätzung des Rücksendeprozesses vornehmen zu können, sieht auch Michael Peters, Vice President Business Development bei Arvato Supply Chain Solutions, als wichtigsten Punkt, um sich in der Retourenfrage weiterzuentwickeln. Im Rahmen der Onlinesession erklärte der Logistikfachmann, dass dies auch für die Beratung von Retailern essenziell sei.
„Wenn wir als Dienstleister sehr gut darüber Bescheid wissen, warum welches Teil zu uns zurückkommt, können wir unsere Händler rechtzeitig auf ein besonders hohes Retourenrisiko in einzelnen Bereichen hinweisen. Diese können dann wiederum gegensteuern und sich anders aufstellen“, sagte Peters.
Zudem empfahl der Experte ein Bündel an Maßnahmen bereitzuhalten, um unnötige Retouren zu vermeiden. Insbesondere im Fashionbereich könne sich Peters etwa eine verbesserte Größenberatung durch den Einsatz künstlicher Intelligenz vorstellen. Wichtig sei, bei allen Aktionen immer den Kunden im Blick zu haben.
„Ein unkomplizierter und transparenter Retourenprozess kann dafür sorgen, dass der Retournierer von heute nicht auch der Rücksender von morgen ist.“
Die Teilnehmer des Panels, die über eine virtuelle Umfrage abstimmen konnten, welche Maßnahmen sie in Sachen Retourenmanagement für besonders vielversprechend halten, sprachen sich in der Mehrheit für den Einsatz von IT aus, um Fehlkäufe zu vermeiden. 39 Prozent wünschten sich, dass das Spenden von retournierten Artikeln künftig erleichtert wird.
Die Logistik steht im Blickpunkt
Während ich diese Zeilen schreibe, reißen die belastenden Meldungen zur Corona-Pandemie leider immer noch nicht ab. Wichtigste Gebote sind in dieser Situation: die Ausbreitung des Virus stoppen, die Gesundheit schützen, die Beeinträchtigung der Lieferketten möglichst gering halten, den Waren- und Informationsfluss sicherstellen und natürlich als Gesellschaft zusammenhalten.
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