Diskutierten über Logistik in der digitalen Weltordnung (v.l.): Prof. Dr. Michael Hauth, Marcel Scmidt, Franz Hero, Sandra Lehmann, Frank Weber, Prof. Dr. Raimund Klinkner und Prof. Dr. Michael Benz. (Foto: Thilo Jörgl)
Sandra Lehmann

Kann Deutschland seinen Status als inoffizieller Logistikweltmeister in einer digitalen Welt halten? Dieser Frage gingen am 22. November Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Logistik im Rahmen der Logistics Digital Conference (LDC!) in Frankfurt am Main nach. Am Ende der Session „Monitoring & Transparency: Logistikinfrastruktur in der digitalen Weltordnung“, die von LOGISTIK HEUTE-Redakteurin Sandra Lehmann moderiert wurde, waren sich die Diskutanten einig: Die Bundesrepublik wird im weltweiten Logistikranking auch weiterhin oben mitspielen, muss dafür aber verstärkt in den Ausbau der digitalen Infrastruktur investieren.

Neue Parameter relevant

Dabei ginge es nicht nur um massive finanzielle Investitionen – etwa in die Erweiterung des Breitbandnetzwerkes bis in ländliche Regionen – sondern für einzelne Unternehmen auch darum, Schritte hin zu einer vernetzten Supply Chain zu unternehmen. So wies Prof. Dr. Michael Benz, geschäftsführender Gesellschafter der Benz + Walter GmbH bereits in seiner Keynote darauf hin, dass in Sachen logistischer Exzellenz nicht mehr nur Transportvolumen und eine gute physische Infrastruktur zähle, sondern die Nutzung großer Datenmengen und der Aufbau digitaler Wertschöpfungsnetzwerke. Firmen müssten sprichwörtlich in ihren digitalen Keller gehen und sich um ihre bereits angesammelten Daten kümmern. „Sortieren Sie, was da ist und entsorgen Sie, was nicht mehr gebraucht wird. Nutzen Sie die relevanten Informationen, um mehr Transparenz in Ihre Supply Chains zu bringen“, sagte Benz. Dies könne auch für mittelständische Unternehmen ein Weg sein, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen.

Anfangen und anpacken

Einfach mal anzupacken und zu beginnen, war auch der Rat, den Prof. Dr. Raimund Klinkner, Gründer und Geschäftsführer des Institute für Manufacturing Excellence sowie Vorsitzender des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL), für das Publikum im Gepäck hatte. Dazu müsse auch die Politik ihren Beitrag leisten, wie der Logistikexperte betonte. „Wir brauchen auch in der Bundesregierung zukünftig eine zentrale Anlaufstelle für digitale Belange. Derzeit ist das Thema auf drei verschiedene Ministerien aufgeteilt. Das hindert uns daran, in diesem Punkt voranzukommen“, sagte Klinkner. Gemeinsam mit der BVL hatte er diesen Vorstoß bereist vor wenigen Wochen in einem offenen Brief an die Mitglieder des Bundestags formuliert (LOGISTIK HEUTE berichtete).

Kooperationen suchen

Offenheit gegenüber Kooperationspartnern und neuen Geschäftsmodellen, ist für Franz Hero, Senior Vice President Supply Chain & Logistics Development beim Softwarehersteller SAP, ein weiteres wichtiges Mittel, wenn es um eine verbesserte Logistikinfrastruktur geht. Das betreffe nicht nur den Austausch von Daten, sondern auch die Förderung von Logistik- und IT-Start-ups in aller Welt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir vor allem dann gute und zukunftsfähige Lösungen entwickeln, wenn wir uns mit Experten aus aller Welt austauschen und Know-how einsammeln.“

Mehr Offenheit wagen

Eine Einstellung, die sich Marcel Schmidt, Mitbegründer des Jungunternehmens Lieferlotse, bei vielen anderen Konzernen aus der Logistikwirtschaft auch wünschen würde. „Als wir mit unserer Idee, Pakete und Güter von Privatpersonen transportieren zu lassen, auf große Unternehmen zugegangen sind, war man anfangs durchaus interessiert. Sobald es aber darum ging, zu kooperieren und Daten auszutauschen, überwog bei den meisten die Angst vor der Disruption des eigenen Geschäftsmodells.“ Dabei, so der Gründer, könnte genau eine solche Zusammenarbeit vielen Speditionen und Logistikdienstleistern dieses Schicksal ersparen.

Physische Struktur ändert sich

Die Verbesserung digitaler Rahmenbedingungen könnte auch erhebliche Auswirkungen auf physische Infrastrukturen wie Distributionszentren und Transportwege haben. Wie Prof. Dr. Michael Hauth, Vorsitzender des Intralogistik-Netzwerks Baden-Württemberg, zu bedenken gab, könnten große Lagerflächen in Zeiten datengetriebener Supply Chains bald passé sein. „In der Fashionlogistik etwa könnte man schon in naher Zukunft Lieferketten so optimieren, dass die Ware von einem Kunden zum nächsten geschickt wird. Das verhindert Retouren und spart Fläche.“ Ideen, auf die sich auch der Bereich Logistikimmobilien einstellen muss, wie Frank Weber, Head of Industrial Agency bei Jones Lang LaSalle, betonte. Zum einen müssten innovative Flächenkonzepte geschaffen, zum anderen die adäquate Anbindung der Immobilien an große Datenstrukturen sichergestellt werden.

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