Kreislaufwirtschaft: Wie die Circular Economy die Logistik verändert

Siemens Digital Logistics hat analysiert, wie die EU-Gesetzgebung zur Kreislaufwirtschaft Supply Chains einen Schub verpasst.

Rücknahme, Reparatur & Co.: Die EU-Gesetzgebung zur Kreislaufwirtschaft verändert auch die Logistik sehr stark. (Bild: Narong Jongsirikul/Fotolia)
Rücknahme, Reparatur & Co.: Die EU-Gesetzgebung zur Kreislaufwirtschaft verändert auch die Logistik sehr stark. (Bild: Narong Jongsirikul/Fotolia)
Sandra Lehmann

2023 werden innerhalb der EU neue Gesetzgebungen in Kraft treten, die insbesondere die Kreislaufwirtschaft in unterschiedlichen Sektoren in den Blick nimmt. Das beeinflusst auch Prozesse in der Supply Chain ganzheitlich und verändert zugleich die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure. Aus Sicht des Softwareentwicklers Siemens Digital Logistics (SDL) müssen daher zukünftig alle Produktions- und Versorgungsabläufe als Stationen eines Wertschöpfungskreislaufs verstanden werden, der Ressourcen schont und Belastungen auf die Umwelt minimiert. Dabei gehe es nicht nur um Abfallmanagement. Die Kreislaufwirtschaft müsse als ganzheitliches Konzept – vom Produktdesign und -engineering inklusive Produkt- und Materialkreislauf – verstanden werden.

Von Lieferkettengesetz bis Rücknahmeverpflichtung

Die sich daraus ergebenden Schritte sind SDL zufolge nicht als Option zu verstehen, sondern als übergeordneter Umsetzungsauftrag, der sich nicht aufschieben lässt. Neue Bestimmungen und Regularien auf EU-Ebene wie das Lieferkettengesetz, die Rücknahmeverpflichtung, der gesetzliche Anspruch auf Reparatur oder die Einführung des digitalen Produktpasses beeinflussten die Funktion und Richtung von Logistik in vielen Bereichen maßgeblich.

Hinzu käme, dass ESG-Kriterien (ESG = Environmental, Social, Governance) wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und CO2-Neutralität im operativen Alltag von Speditionen und Transportdienstleistern Berücksichtigung finden müssen. Alles zusammen lasse die Komplexität von Planungs- und Realisierungsprozessen in der Logistik weiter steigern. Was tun, wenn der Weg von A nach B nicht mehr ans Ziel führt? Wenn der Status „delivered“ nur die Zwischenstation einer Lieferkette ist, die zugleich Voraussetzungen für ständige Erneuerung, Rückführung, Wiederverwertung und Umweltoptimierung schaffen muss? Wer die Supply Chain neu denkt und als Infrastruktur eines regenerativen Systems versteht, das sie künftig abbilden muss, ist auf der richtigen Spur, sagt Volker Albrecht, CEO von Siemens Digital Logistics. Aufgabe von Logistik und Supply Chain Management im Dienste der Circular Economy wird es aus Sicht des Experten sein, diese Infrastruktur mithilfe cleverer IT-Lösungen und digitaler Plattformen zu schaffen und zu betreiben.

Produktdesign, Produktionsanlagen, Herstellungsprozesse müssen neu gedacht werden

Form follows Circular Economy: Wie können Produkte und ihre Verpackungen so designt werden, dass im Reparaturfall oder in der Aufbereitung nur wenige Handgriffe nötig sind, um sie in den Wertschöpfungskreislauf zurückzuführen? Alles muss neu gedacht werden: Produktionsanlagen, Herstellungsprozesse, Verpackungen, Logistikkonzepte. Produktzyklen werden kürzer, die Modularität von Produktkomponenten wächst.

Logistik wird kleinteiliger und komplexer

Sowohl Verlader als auch Logistikdienstleister werden in der Circular Economy eine Transformation durchlaufen. Die Lieferfähigkeit eines Artikels wird zukünftig ebenso entscheidend sein wie die Möglichkeit der Rückführung an den Hersteller oder den Reparaturdienstleister. Artikelnummern werden zu Mosaiksteinchen eines einzelnen Produkts, hinterlegt mit umfassenden Informationen zu Material, Beschaffenheit und Produktzyklus. Das Netz der Logistikpartner wird um Reparatur-, Aufbereitungs- und Retourenspezialisten erweitert werden. All das macht Logistik kleinteiliger und komplexer.

Das Dienstleistungsspektrum wächst

Logistikdienstleister werden ihre Infrastruktur um ergänzende Angebote und flächendeckende Dienstleistungen erweitern. Das Feld der Kontraktlogistik wird beispielsweise um innovative Value Added Services ergänzt und gewinnt neue Bedeutung. Zusätzliche Geschäftsfelder entstehen und mit ihnen die Option, einen All-inclusive-Service zu etablieren, mit dem Logistiker noch tiefer in die Prozesse ihrer Kunden eintauchen. Auf diese Weise reifen sie zu einem Partner heran, der weit mehr im Blick hat als die Performance und CO2-Bilanz der Lieferkette.

Die Supply Chain wird zum Ökosystem

Damit die neue Materialflusskomplexität erfolgreich und zu überschaubaren Kosten gemanagt werden kann, müssen viele Rädchen ineinandergreifen. Lieferanten, Hersteller, Transport- und Logistikdienstleister bilden ein Ökosystem aus Partnern, die komplementäre Angebote und Dienstleistungen bieten. Den Raum für gemeinsames Planen, Handeln und Agieren in der Kreislaufwirtschaft bilden digitale IT-Lösungen und Prozesse. Ein hoher Automatisierungsgrad ist unverzichtbar, damit Abwicklungskosten attraktiv bleiben.