Kreislaufwirtschaft: Münchner Wohnungsbaugesellschaft katalogisiert Baustoffe

Unterstützung erhält das Unternehmen dabei vom Umweltberatungsinstitut EPEA.

Die Münchner Wohnungsbaugesellschaft GWG setzt für die Neuerschließung eines Areals in Ramersdorf auf Urban Mining. Ziel ist es, die Kreislaufführung von Baustoffen zu unterstützen. (Foto: GWG)
Die Münchner Wohnungsbaugesellschaft GWG setzt für die Neuerschließung eines Areals in Ramersdorf auf Urban Mining. Ziel ist es, die Kreislaufführung von Baustoffen zu unterstützen. (Foto: GWG)
Sandra Lehmann

Für ihr Entwicklungsgebiet im Münchner Stadtteil Ramersdorf geht die GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH neue Wege. Wie das Unternehmen Anfang Mai in einer Pressemeldung bekannt gab, sollen sämtliche Materialien und Baustoffe, die im Rahmen des geplanten Abrisses von Gebäuden anfallen, katalogisiert und auf ihre Wiederverwendbarkeit geprüft werden. Zur Unterstützung bei dieser Aufgabe hat die GWG das Umweltberatungsinstitut EPEA ins Boot geholt, eine Tochter der in Stuttgart ansässigen Bauberatung Drees & Sommer SE. Die Kreislaufspezialisten haben die Katalogisierung der Baustoffe übernommen. Damit soll nach Angaben der GWG sowohl dem Rohstoffmangel als auch den steigenden Energie- und Baupreisen entgegengewirkt werden.

„Aufgrund der Gebäudesubstanz ist eine Sanierung der Immobilien nicht möglich“, sagt Rositsa Doneva, Teamleiterin Klimaschutz bei der GWG.

„Zudem wollen wir mehr Wohnfläche schaffen und in den nächsten Jahren insgesamt 900 Wohnungen bauen. Die alten Häuser müssen daher modernen und energetisch optimierten Gebäuden weichen.“

Um aber möglichst viele Rohstoffe aus dem Bestand zu retten, setzt die GWG auf eine umfassende Stoffstromanalyse. Stark vereinfacht geht es dabei um den Weg eines Stoffes von seiner Gewinnung über seine Verarbeitung bis hin zu seiner Wiederverwertung oder Entsorgung.

„Durch die Stoffstromanalyse können wir überhaupt erst abschätzen, welche Bauteile wir in unseren eigenen Neubauvorhaben wieder einsetzen können, welche Materialien sich für eine Baustoffbörse eignen oder ob sogar eine Hersteller-Rücknahme sinnvoll ist“, so Doneva weiter.

Entwickelt wurde die Stoffstromanalyse von Andrea Heil und Matthias Heinrich, die bei EPEA kreislauffähiges Bauen und Urban Mining vorantreiben. Dabei handelt es sich um einen noch relativ jungen Begriff in der Abfallwirtschaft, der aber schon bald ein neues Zeitalter einläuten könnte:

„Wir brauchen einen Paradigmenwechsel – weg von der Einweg- und Abfallwirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft“, so Heinrich. Im Rahmen der Analyse habe das Team für die GWG Türrahmen, Fensterglas, Metall, Holz und sogar alte Müllhäuschen katalogisiert und Möglichkeiten zur Weiterverwendung aufgezeigt. „Die Baubranche verschlingt hierzulande etwa 90 Prozent der geförderten mineralischen Rohstoffe und verursacht gleichzeitig mehr als die Hälfte des Abfallaufkommens. Wertvolle Materialien landen bei Umbau oder Abriss auf dem Müll, während bei Neubauvorhaben teilweise dieselben Materialien teuer bezahlt werden.“

Das wolle die GWG nun ändern.

Grundsätzliche Erkenntnisse aus der Stoffstromanalyse:

„Sofern sie keine Schadstoffe enthalten, lassen sich beinahe alle Baustoffe wiederverwenden oder zumindest höherwertig recyceln. Zudem zeigt die Analyse mögliche Verwertungswege für die vorhandenen Bauteile auf“, erklärt Andrea Heil.

„Nehmen wir zum Beispiel die Fenster“, führt Rositsa Doneva aus. „Davon haben wir insgesamt 147. Sofern sie den aktuellen energetischen Anforderungen entsprechen, könnten wir sie ohne Probleme nach der Sanierung erneut einsetzen. Falls nicht, können sie immer noch ein zweites Leben bekommen – etwa als Trennwände im Innenbereich oder bei Gewächshäusern.“

Das Recycling von Baumaterial ist nicht ein Vorteil für die Umwelt, weil es den CO2-Ausstoß und den Ressourceneinsatz reduziert. Außerdem spart die Weiterverwendung auch Kosten, denn Bauschutt wird immer teurer. Die Entsorgung eines fünf Kubikmeter großen Containers mit gemischtem Bauschutt kostet der GWG zufolge bis zu 400 Euro. Ein Weiterverkauf bringt dagegen Geld ein. Im Durchschnitt erzielen Dachziegel 50 Cent pro Stück. Aufbereiteter Betonbruch schlage mit 8,50 Euro pro Kubikmeter zu Buche. Ein Kilogramm Stahlschrott ist etwa 20 bis 30 Cent wert. Hochgerechnet auf die Rohstoffsubtanz der gesamten Bundesrepublik summiert sich die Rohstoffmenge in Gebäuden, Tiefbau und Straßen auf 29 Milliarden Tonnen, so die Wohnungsbaugesellschaft. Hinzu kommt:

„Die Materialien sind in einem viel brauchbareren Zustand“, sagt Matthias Heinrich. „Man muss nicht erst das Erz aus einer Mine weiterverarbeiten, sondern hat direkt das fertige Produkt“. Gerade bei älteren Gebäuden ist es jedoch oft mühselig, alle relevanten Daten zusammenzusuchen. „In der Regel kommt man nicht umhin, sich alles ganz genau vor Ort anzuschauen. Es gibt Fälle, in denen muss auch stichprobenartig ein Loch in die Wand gebohrt werden, um zu prüfen, was wirklich dahinter ist“, so Heinrich.

In Zukunft soll hier ein digitaler Ressourcenpass Abhilfe schaffen, eine Art Klimaführerschein fürs Gebäude. Darin soll genau dokumentiert werden, welche Produkte und Materialien eingesetzt werden, wie groß ihr ökologischer Fußabdruck ist und welchen Wert sie haben.

Premium