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Kreislaufwirtschaft: EU-Projekt soll Lebensdauer von Produktionsmitteln verlängern

Das Forschungsprojekt ALICIA soll beim Aufbau eines Circular Manufacturing Ecosystem unterstützen.

Das ALICIA Projekt-Team beim Kick-off-Meeting (Foto: ALICIA Circular Manufacturing Ecosystem)
Das ALICIA Projekt-Team beim Kick-off-Meeting (Foto: ALICIA Circular Manufacturing Ecosystem)
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Sandra Lehmann

Der Großteil der Maschinenteile in der Produktion – wie Roboterarme oder Förderbänder – erreichen nicht ihre maximale Lebensdauer und werden vorzeitig aussortiert. Schätzungen zufolge werden in der Automobilindustrie bis zu 70 Prozent der Produktionsbetriebsmittel vorzeitig außer Betrieb genommen, verschrottet oder bestenfalls als Ersatzteile verkauft. Das ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch nicht nachhaltig. Das EU-Projekt „ALICIA“ soll Abhilfe schaffen und dabei helfen, ein Circular Manufacturing Ecosystem für Produktionsmittel zu entwerfen.

ALICIA steht für assembly lines in circulation, also Montagelinien im Umlauf. Zwölf Partner aus Forschung und Industrie entwickeln innerhalb von drei Jahren verschiedene smarte, digitale Tools für eine nachhaltige Nutzung von Produktionsressourcen. Koordiniert wird das Projekt von der Technischen Universität München (TUM).

Industrielle Akteure und Gebrauchtmaschinenmarkt vernetzen

Durch die Entwicklung innovativer digitaler Werkzeuge zielt das Projekt darauf ab, effiziente wirtschaftliche Verbindungen zwischen industriellen Akteuren und dem Gebrauchtmaschinenmarkt herzustellen. Diese strategische Verknüpfung soll den Projektpartnern zufolge eine 100-prozentige Wiederverwendung von Vermögenswerten ermöglichen und somit Nachhaltigkeit und Ressourcenoptimierung fördern. Diese digitalen Werkzeuge sollen eine neue Art der Kreislaufwirtschaft schaffen.

ALICIAs Vision: In fünf bis zehn Jahren werden Produktionsressourcen, wie ganze Produktionslinien, einzelne Maschinen und Ersatzteile, so lange unter den einzelnen Fabriken in Europa gehandelt und wiederverwendet, bis ihre Lebensdauer maximal ausgeschöpft wird. Ziel der ALICIA-Online-Plattform ist es, Käufer von Produktionsmitteln mit Anbietern zusammenzubringen. Darüber hinaus werden Dienstleister integriert, wie zum Beispiel KMU, die Wiederaufbereitungsdienste anbieten, oder Recyclingunternehmen, die ihre Dienste Fabrikbesitzern anbieten können. Die Plattform werde durch eine Reihe innovativer digitaler Werkzeuge unterstützt, die den Prozess der Identifizierung und Auswahl geeigneter gebrauchter Montageanlagen für neue Produktionslinien vereinfachen und die Integration dieser gebrauchten Anlagen in moderne Montagesysteme ermöglichen.

In der Realität soll das folgendermaßen funktionieren: Ein Fabrikbesitzer oder Betriebsleiter braucht eine neue Produktionsanlage. Mithilfe einer maschinenlesbaren Ontologie werden seine Anforderungen an eine Second-Hand-Anlage digital abgebildet. Dabei werden neben produktionstechnischen Faktoren auch soziale, wirtschaftliche und Umweltaspekte beachtet. Denn wenn die Mitarbeiter mit der angeschafften Maschine nicht arbeiten können oder deren verbleibende Lebensdauer nicht wirtschaftlich ist, macht ein Second-Hand-Kauf wenig Sinn. Durch einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz soll das Projekt die Umschulung und Fortbildung von Arbeitnehmern ermöglichen. Darüber hinaus soll die maschinenlesbare Ontologie dafür sorgen, dass Frauen die gleichen Chancen haben, sich am Modell der Kreislaufwirtschaft zu beteiligen und davon zu profitieren.

Marktplatz fürs Suchen und Finden

Der Online Marketplace verbindet die Akteure des Second-Hand-Geschäfts. Darunterfallen nicht nur Käufer und Verkäufer sowie Gebrauchtmaschinenhändler, sondern auch Dienstleister im Bereich der Wiederaufbereitung oder des Recyclings. Der Marketplace findet im CME sowohl Anwendung, um eine für den Kunden passende Maschine zu finden, als auch um seine abgeschriebenen Anlagen wiederum anderen Fabriken anzubieten. Ein bereits bestehender Online-Marktplatz, der Market 4.0, soll im Laufe des Projektes unter andrem mit den realen Daten des Industrieauktionshauses für Gebrauchtmaschinen Surplex erweitert werden. Surplex wird als Drehscheibe fungieren und den Vermittlungsprozess zwischen bestehenden und gebrauchten Fabrikanlagen erleichtern. Neben einer eigenen Datenbank für Gebrauchtanlagen werde Surplex das Know-how für eine ähnliche Plattform für den Verkauf von Gebrauchtanlagen einschließlich der internen Datenstrukturen und Prozesse zur Verfügung stellen.

Die beste Kombination auswählen

Eine AI Matchmaking Engine vergleicht das Angebot auf dem Marketplace von verfügbaren fabrikinternen Produktionsmaschinen, anderen Second-Hand-Anlagen und Maschinen- und von potentiellen Neumaschinen mit den Anforderungen des Kunden in der maschinenlesbaren Ontologie. Sie wählt die beste Kombination von Ressourcen für die gewünschte Montagelinie aus.

Um den Fabrikbesitzer zu überzeugen, wird ein Digitaler Shadow (DS) der für ihn gematchten Produktionsanlage erstellt. Der DS ist ein Modell einer zukünftigen Second-Hand-Linie. ALICIA soll die Grenzen des Stands der Technik erweitern, indem es einen „halbautomatischen“ DS entwickelt, der Daten über verfügbare Produktionsressourcen, die automatisch vom Marketplace eingespeist werden, mit manuell eingegebenen CAD-Modelldaten kombiniert. Dieses digitale Abbild der potenziellen Second-Hand-Linie simuliert die Produktionsleistung. Sobald die reale Second-Hand-Linie gebaut wurde, wird der Digital Shadow zu einem Digital Twin (DT) weiterentwickelt. Der DT wird in Echtzeit mit Produktionsdaten von den Maschinensensoren sowie anderen Quellen gespeist und somit zum Abbild der realen Produktionslinie.

Für den reibungslosen Aufbau und die unverzügliche Inbetriebnahme der Second-Hand-Linie wird eine Plug & Produce Middleware eingesetzt. Diese enthält alle Maschinendaten wie deren Eigenschaften, Parameter und Schnittstellen. Zum Schutz der Nutzerdaten wird ALICIA sowohl Cloud-basierte als auch On-Premise-Lösungen anbieten, die den Nutzern die vollständige Kontrolle über die Nutzung ihrer Daten ermöglichen. Die Lösungen können bei Bedarf lokal installiert und betrieben werden.

Bis zu 40 Prozent Zeitersparnis bei der Suche

Produktionsverantwortliche sollen durch das Kreislaufwirtschaftssystem bis zu 40 Prozent schneller und mindestens um die Hälfte günstiger eine gebrauchte Produktionslinie erwerben, als dass sie eine neue gebaute installiert bekommen. Durch die maximale Ausnutzung der Maschinenlebensdauer könne der Material- und Energieverbrauch um bis zu 80 Prozent im Vergleich zur Neumaschine reduziert werden. Mit dem geschlossenen ALICIA-Kreislauf können Assets laut der Projektpartner bis zu 100 Prozent wiederverwendet werden.

ALICIA wird von der Europäischen Union mit knapp 5,86 Millionen Euro unter der Projektnummer 101091577 im Rahmen des Horizon-Programms gefördert. Das Projekt begann offiziell im Januar 2023 und hat eine Laufzeit von drei Jahren.

Die zwölf Projektpartner sind:

  • Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) an der Technische Universität München (Deutschland) (Projektkoordinator)
  • Comau S.p.A., Grugliasco (Italien)
  • Conti Temic microelectronic GmbH, Ingolstadt (Deutschland)
  • DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin (Deutschland)
  • ECI-Mechatronics GmbH, Schwaz (Österreich)
  • Intrasoft International S.A. (Luxemburg)
  • Institut Mines-Télécom (IMT), Palaiseau (Frankreich)
  • Laboratory for Manufacturing Systems & Automation (LMS) an der Patras University (Griechenland)
  • MTS Consulting & Engineering GmbH, Fürstenbeck (Deutschland)
  • Surplex Iberica SLU, Barcelona (Spanien) • Institut für Maschinenbau- und Betriebsinformatik (mbi) an der Technische Universität Graz (Österreich)
  • Yaghama B.V., Delft (Niederlande)
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