ITF-Verkehrsausblick: „Weiter so“ kommt teurer als forcierte Dekarbonisierung

Die Prognose des International Transport Forums sieht akuten Handlungsbedarf und gibt fünf Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger.

Der Verkehssektor muss seine Anstrengungen in Sachen Dekarbonisierung deutlich verstärken, so eine Handlungsempfehlung des ITF. (Symbolbild: Vera NewSib / AdobeStock)
Der Verkehssektor muss seine Anstrengungen in Sachen Dekarbonisierung deutlich verstärken, so eine Handlungsempfehlung des ITF. (Symbolbild: Vera NewSib / AdobeStock)
Therese Meitinger

Ein beschleunigter Übergang zu nachhaltigem Verkehr könnte mit Blick auf Investitionen in die Kernverkehrsinfrastruktur kostengünstiger sein als ein „Weiter so“ - wenn jetzt gehandelt wird. Zu dieser Hauptaussage gelangt der ITF-Verkehrsausblick 2023 des International Transport Forums bei der OECD (ITF). Die Studie wird am 24. Mai auf dem Weltgipfel der Verkehrsminister in Leipzig vorgestellt.

Aktuelle Maßnahmen senken CO2-Emissionen nur um drei Prozent

Sämtliche bereits umgesetzte oder fest eingeplante Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Verkehrs werden laut der Analyse die weltweiten CO2-Emissionen des Verkehrs bis 2050 lediglich um drei Prozent senken. Damit würde der Verkehrssektor die zur Eindämmung des Klimawandels nötige Reduzierung weit verfehlen. Durch erheblich verstärkte Maßnahmen zur Dekarbonisierung wäre der Verkehrssektor den Studienautoren zufolge jedoch in der Lage, klimaschädliche Verkehrsemissionen bis 2050 um etwa 80 Prozent gegenüber 2019 zu senken.

Mit dieser Verringerung käme der Verkehr in den Bereich, mit dem der globale Temperaturanstieg auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden könnte, dem Ziel des Pariser Klima-Abkommens.

„Um dieses ehrgeizige Szenario zu erreichen, braucht es eine Kombination von Maßnahmen, die sich gegenseitig ergänzen – nämlich dabei, unnötigen Verkehr zu vermeiden, mehr Fahrten auf CO2-freie Mobilität zu verlagern und die Effizienz des Verkehrs generell zu verbessern“, sagte ITF-Generalsekretär Young Tae Kim anlässlich der Vorstellung des Berichts.

Zudem sei es zwingend notwendig, schnell wettbewerbsfähige Technologien und Kraftstoffe einzuführen, um Menschen und Güter mit deutlich weniger Emissionen zu befördern, so der ITF-Generalsekretär weiter.

Fünf Prozent weniger Investitionen erforderlich

Ein solch beschleunigter Übergang zu einem kohlenstoffarmen oder -freien Verkehr erfordert erhebliche Investitionen. Allerdings würde die Bereitstellung der Kerninfrastruktur für das ehrgeizige Szenario laut den ITF-Projektionen etwa fünf Prozent weniger Investitionen benötigen, als unter einem „Weiter so“-Szenario.

„Auf dem derzeitigen Entwicklungspfad verdoppelt sich der Güterverkehr in den nächsten 25 Jahren etwa und der Personenverkehr nimmt um 79 Prozent zu“, sagte Orla McCarthy, Projektleiterin des ITF-Verkehrsausblicks 2023.

Diese Berechnungen berücksichtigen den Investitionsbedarf für die zur Deckung der wachsenden Nachfrage nötige Kernverkehrsinfrastruktur, etwa Schienen, Straßen oder Häfen. Die Studie enthält ebenfalls Schätzungen für den weiteren Investitionsbedarf für elektrische Ladenetze.

Der Bericht enthält zudem fünf Empfehlungen für politische Entscheidungsträger:

  • Umfassende Strategien für die zukünftige Mobilität und Infrastruktur entwickeln: Anstatt Infrastruktur als eine Reaktion auf die prognostizierte Nachfrage zu planen, sollten Regierungen nach dem Prinzip „Entscheiden und Bereitstellen“ mit Blick auf die Umsetzung klarer politischer Ziele investieren, so die Studienautoren.
  • Den Übergang zu sauberen Fahrzeugflotten beschleunigen: Ein schneller Übergang zu sauberen Fahrzeugen und Kraftstoffen erfordert nach Überzeugung der Studienautoren gezielte politische Unterstützung mit ehrgeizigen Vorgaben und Fördermaßnahmen. Die notwendige unterstützende Infrastruktur, etwa Ladenetze, erfordert zusätzliche Investitionen.
  • Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung und Nachfragesteuerung umsetzen, wo sie am wirksamsten sind: Maßnahmen zur Förderung der Nutzung nachhaltiger Verkehrsträger funktionieren gut in Städten. Für Langstrecken, etwa Interkontinentalflüge, wirken sie kaum; hier sei die Einführung nicht- oder geringemittierender Fahrzeuge und Kraftstoffe vorrangig, so die Studie.
  • Die Zusatzvorteile für städtische Gebiete bei der Erwägung von Maßnahmen einbeziehen: Viele Maßnahmen zur Dekarbonisierung der städtischen Verkehre können nach ITF-Angaben außerdem Mobilität erschwinglicher machen, den Zugang zu Chancen verbessern, Staus reduzieren, Platz schaffen, Unfallrisiken verringern und Luftschadstoffe begrenzen.
  • Die Kfz-Besteuerung reformieren, um die externen Kosten neuer Fahrzeugflotten zu erfassen: Sinkende Einnahmen aus Kraftstoffsteuern werden sich laut den Studienautoren auf öffentliche Haushalte auswirken. Je weniger Emissionen die Fahrzeugflotten ausstoßen, desto mehr verlieren Kraftstoffsteuern ihre Hebelwirkung, mit der Anreize für nachhaltiges Verhalten gesetzt werden können. Straßenbenutzungsgebühren und Staugebühren könnten beidem entgegenwirken.