Intralogistik: Weitere Übernahmen zu erwarten

Experten zufolge würden auch Amazon, Alibaba & Co. gerne Intralogistikhersteller kaufen.
Übernahmen in der Intralogistik: Einige gab es bereits, weitere werden Experten zufolge kommen. Foto: lenka/Fotolia; Montage: Karl Bartl
Übernahmen in der Intralogistik: Einige gab es bereits, weitere werden Experten zufolge kommen. Foto: lenka/Fotolia; Montage: Karl Bartl
Thilo Jörgl

Seit geraumer Zeit sind in der Intralogistikszene spektakuläre Übernahmen zu beobachten. Experten gehen laut einer Recherche von LOGISTIK HEUTE davon aus, dass es in den kommenden Jahren so weitergehen wird. Denn unter den interessierten Käufern manches Intralogistik-Anbieters sind nicht nur Wettbewerber zu finden, sondern auch branchenfremde Unternehmen. Und inzwischen suchen auch die Großkunden der Maschinenbauer nach Übernahmekandidaten. Wie Szenekenner gegenüber LOGISTIK HEUTE bestätigten, zählen dazu unter anderem Konzerne wie Alibaba oder Amazon. Offizielle Bestätigungen dieser Unternehmen, die offenbar an so mancher Türe von Intralogistikanbietern schon angeklopft haben, gibt es indes nicht.

Diverse Gründe

Gründe für die Übernahmewelle gibt es viele. Die Konjunktur brummt, die Kassen der Unternehmen sind voll. Und nach Angaben des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) steigt die Nachfrage nach Intralogistikprodukten weiter an – für 2018 rechnet man mit einem Plus von etwa drei Prozent. 2017 erzielten die deutschen Unternehmen laut VDMA hierzulande ein Produktionsvolumen von 21,3 Milliarden Euro. Dazu kommt noch, dass beispielsweise große Konzerne wie etwa die Toyota Industries Corporation oder die Kion Group nicht nur neue Länder erobern wollen, sondern sich zu breit aufgestellten Lösungsanbietern mausern. Toyota legte daher angeblich 1,2 Milliarden Euro auf den Tisch, um die niederländische Firma Vanderlande zu kaufen. Die Kion Group übernahm bereits 2016 den Materialfluss-Spezialisten Dematic. „Mit Dematics Präsenz in Nordamerika und unserer Präsenz in Europa und China wird unsere Vision, zu einem globalen Anbieter von Supply-Chain-Lösungen, Flurförderzeugen und Dienstleistungen zu werden, zu einer Vision, die uns über das Jahr 2020 hinaus führen und die gesamte Branche formen wird“, sagte Gordon Riske, CEO der Kion Group, anlässlich der abgeschlossenen Übernahme.

Verändertes Kundenverhalten

Diversifizierung, Synergien herstellen, neue Märkte erobern. Das sind nur drei wichtige Gründe, warum es nach vielen ruhigen Jahren zu Übernahmen gekommen ist, die auch außerhalb der Intralogistikszene für Aufsehen gesorgt haben. Doch auch das Kundenverhalten spielt eine Rolle bei den Überlegungen der Manager, wie Prof. Dr. Willibald A. Günthner von der TU München gegenüber LOGISTIK HEUTE sagt. „Viele Kunden suchen Lösungsanbieter aus einer Hand.“ Und Prof. Dr. Thorsten Schmidt von der TU Dresden ergänzt: „Die Umsetzung der Projekte wird einfacher, wenn die Lösungen aus einer Hand kommen, wenn Systeme intern offengelegt werden können.“

Alibaba investiert in China

In der Welt der Übernahmen lässt sich noch ein anderes Phänomen beobachten: Die Kunden der großen Intralogistikanbieter steigen selbst ins Automatisierungsgeschäft ein – und kaufen potenzielle Lieferanten gleich ganz auf. Bestes Beispiel: Die beiden E-Commerce-Riesen Alibaba und Amazon. Alibaba will beispielsweise mit Milliardeninvestitionen sein Auslandsgeschäft anschieben. Der Amazon-Wettbewerber verkündete im September 2017, in den kommenden fünf Jahren 15 Milliarden US-Dollar in sein globales Logistiknetzwerk zu investieren. Das Unternehmen stocke zunächst seine Beteiligung an dem chinesischen Logistikdienstleister Cainiao Smart Logistics Network von 47 auf 51 Prozent auf. Dazu investiere der Konzern bald 807 Millionen Dollar, teilte Chinas größter Internethändler vergangenes Jahr mit. Und Insider berichten: Die Chinesen seien fieberhaft auf der Suche nach einem Intralogistiker, den sie erwerben können.

Amazon baut auf Kiva

Den hat Konkurrent Amazon schon 2012 gefunden: Kiva Systems hieß der außerwählte Kandidat, der mittels kleinen Robotern und ausgefeilter Software Regale zu Kommissionierern fährt. Damit erspart man Kommissionierern lange Laufwege. Satte 775 Millionen US-Dollar blätterten die Amerikaner für den Deal damals auf den Tisch. Branchenkenner rieben sich die Augen. Denn angeblich machte Kiva Systems damals gerade mal zwischen 40 und 50 Millionen US-Dollar Umsatz pro Jahr. „Der Betrag ist irre. Vermutlich dachten die Amerikaner, dass Kiva Systems eine Revolution sei“, betont ein Szenekenner im Gespräch mit LOGISTIK HEUTE. Eine „echte“ Übernahme war der Deal indes nicht. Denn Kiva Systems produziert seit dem Kauf nur exklusiv für Amazon – inzwischen unter dem Namen Amazon Robotics. Wer Amazon besser kennt, weiß: Heutzutage setzt der E-Commerce-Gigant die orangen Roboter massiv ein. Im Januar 2017 verkündeten die Amerikaner, dass inzwischen 45.000 Geräte in insgesamt 20 Logistikzentren zum Einsatz kommen. Auch in Deutschland rollen diese Roboter – in den neuen Logistikzentren Winsen und Frankenthal beispielsweise, wie ein Amazon-Sprecher gegenüber LOGISTIK HEUTE bestätigte. Nicht bestätigen wollte der Sprecher hingegen, dass Amazon aktuell auf der Suche nach einem passenden Intralogistikanbieter ist, den das Unternehmen sich einverleiben kann. Doch Insider berichten von solchen Anfragen. Und so abwegig ist es wohl auch nicht: Experten schätzen, dass Amazon weltweit pro Jahr rund drei Milliarden US-Dollar in den Bereich Logistik und Automation investiert.

Weitere Übernahmekandidaten

Welche Intralogistiker laut Experten als die nächsten Übernahmekandidaten gelten und wie die (Familien-)Unternehmen auf Anfragen reagieren, lesen Sie in der Januar-Februar-Ausgabe von LOGISTIK HEUTE, die am 16. Februar erschienen ist. In der Titelstory „Das große Fressen“ ab S. 26 erfahren Sie zudem, warum selbst bei einer leichten Konjunktureintrübung der Trend zu Übernahmen nicht abflauen würde.