LOGISTIK HEUTE: Warum wollten Sie bei Ludwig Meister Ihre Supply Chain optimieren?
Max Meister: Vor mehr als zehn Jahren ist uns aufgefallen, dass die Leistungen für unsere Kunden nicht gut genug oder relativ teuer für uns zu erbringen waren. Das heißt, wir hatten zwar sehr hohe Bestände, konnten unseren Kunden dennoch nicht die volle Warenverfügbarkeit bieten. Deshalb haben wir angefangen, uns strukturell damit auseinanderzusetzen. Die Frage war für uns, wie müssen wir einen modernen Einkauf aufbauen, der uns überhaupt in die Lage versetzt, die richtigen Produkte zum richtigen Zeitpunkt verfügbar zu haben? Wir sind vom Einkauf Schritt für Schritt weitergegangen und haben dann gesehen, dass es die gesamte Supply Chain betrifft. Also haben wir uns zu einer ganzheitlichen Optimierung der Lieferkette End-to-End entschlossen.
Sie haben im Rahmen des Pitches für den Supply Chain Management Award erwähnt, dass eine solche Optimierung der Lieferkette keine leichte Aufgabe ist. Dennoch haben Sie es gewagt. Wie sind Sie genau vorgegangen und was hat Ihnen geholfen dranzubleiben?
Wir haben die Gesamtaufgabe in kleinere Abschnitte eingeteilt und haben uns dann einer Aufgabe nach der anderen gewidmet. Das war sicherlich auch einer Gründe, warum wir erfolgreich waren. Wir haben nicht nur auf das Ziel geblickt, sondern viel mehr darauf, wie unsere Transformation läuft und wo wir aktuell stehen. Das hat verhindert, dass wir angesichts der vielen Hindernisse, die vor uns lagen, erstarren. Dieses Vorgehen hatte noch weitere Vorteile: Je weiter wir gekommen sind, desto größer war unsere Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb. Wir konnten uns plötzlich in vielen Dingen positiv von unseren Mitbewerbern abheben.
Essenziell in Ihrem Konzept ist die eindeutige Datenbasis. Warum ist dieser Punkt so wichtig für eine funktionierende Supply Chain?
Die sogenannte Single Source of Truth ist für mich der Anfang von allem. Denn wenn man es schafft, seine Daten an einem Ort, in guter Qualität und sehr strukturiert vorzuhalten, ist man auch in der Lage, die Komplexität seiner Supply Chain zu managen. Das fängt dabei an, dass man nicht mehrere Systeme hat, die man synchronisieren muss, um alle relevanten Quellen wie Lieferanten, Einkauf, Logistik und so weiter, zu berücksichtigen. Und dann generiert man daraus vielleicht auch noch Daten, die eine unterschiedliche Aussage treffen. Das macht beispielsweise Aufgaben wie eine Bedarfsprognose im Einkauf sehr komplex. Wenn man unsaubere Datenquellen hat, erhöht es den Pflegeaufwand und reduziert die Genauigkeit der Aussagen. Somit sinkt die Zuverlässigkeit. Mit einer gemeinsamen Datenbasis kann man hingegen sehr viel bessere Prognosen für viele Bereiche erstellen.
Wie schaffen Sie es, eine eindeutige Datenbasis herzustellen?
Es gibt auch bei uns Datensätze, die keine besonders hohe Qualität haben und Fehler enthalten. Allerdings haben wir durch die einheitliche Datenbasis viel weniger Differenzierungsprobleme. Es gibt jeden Kunden nur ein einziges Mal und alle essenziellen Informationen zu diesem Kunden sind an einem Platz vorhanden. Das bedeutet, wir machen keine zusätzlichen Fehler, weil bei der Synchronisierung einzelner Systeme etwas schiefläuft oder es Missverständnisse hinsichtlich der Bestellungen, Retouren oder verschiedenen Umsatzkennzahlen gibt. Dadurch wiederum können wir Technologien wie künstliche Intelligenz besser einsetzen.
Wie genau meinen Sie das?
Ich sehe künstliche Intelligenz als absolute Zukunftstechnologie, die helfen kann, aus schlechten Daten bessere zu machen. Ist die Datenbasis jedoch von vornherein eine gute, kann man mit Unterstützung durch KI exzellente Ergebnisse generieren. Das ist für unser Unternehmen ein riesiger Wettbewerbsvorteil. Verbunden mit unserer Datenbasis bringt uns KI auch an weiteren Stellen unserer Supply Chain weiter. Wir nutzen die Technologie zum Beispiel für unseren Pickroboter. Dieser weiß mittels künstlicher Intelligenz wie viele und welche Teile in einer Box sind, greift und kommissioniert sie automatisch. Wir gleichen das in Echtzeit mit unserem System ab. Dadurch entfällt beispielsweise das Anlernen.
Welche Vorteile hat die Optimierung Ihrer Supply Chain für Ihre Kunden?
Durch die End-to-End-Verknüpfung unserer Lieferkette, können wir unseren Kunden viel genauer sagen, wie lange sie auf bestimmte Produkte warten müssen und wann der beste Zeitpunkt für eine Bestellung ist. Wir beschaffen einen bestimmten Artikel immer beim selben Lieferanten, können also die Wiederbeschaffungszeit ausrechnen. Durch einen KI-gestützten Algorithmus, den wir für externe Daten nutzen, versuchen wir diesen Zeitrahmen zusätzlich zu verbessern. Darüber hinaus haben wir einen Kritikalitätsindex für unsere Produkte entwickelt. Damit messen wir, wie leicht beziehungsweise schwierig ein Artikel zu beschaffen ist. Dazu setzen wir unterschiedliche Parameter in Beziehung: Wo kommt ein Produkt her, welche Rückmeldung bekommen wir vom Lieferanten zur Beschaffungszeit und wie oft wird der Artikel geordert? Bei hoher Kritikalität ist klar, dass wir rechtzeitig und in ausreichender Menge einkaufen müssen.
Sie sagen, eine gute Datenbasis bietet Transparenz. Warum ist dieser Punkt aus Ihrer Sicht so wichtig?
Transparenz bietet sehr viele Vorteile, vor allem aber schont sie Ressourcen, reduziert Bestände sowie Fehlerquellen und erhöht den Kundenservice. Außerdem ist Transparenz in einigen Bereichen heute schon obligatorisch – zum Beispiel beim Preisvergleich übers Internet. Deshalb werden Unternehmen, die Daten nicht teilen möchten, langfristig keine Chance haben. Sie haben bei Ludwig Meister einen langen Weg zurückgelegt, um Ihre Supply Chain zu verbessern.
War das immer einfach oder gab es Hürden?
Die Ergebnisse unserer Bemühungen waren nicht von Anfang an zu sehen und sie haben sich zu Beginn auch nicht positiv auf unseren Umsatz ausgewirkt. Gleichzeitig haben wir unter anderem in der IT, unserem Einkauf und unserer Logistik investiert. Es gab Momente, in denen meine Schwester Elisabeth, die meine CO-CEOin ist, und ich vieles hinterfragt und auch Gegenwind bekommen haben. Heute sind wir froh über unsere Ausdauer und das Vertrauen in die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter sowie in uns als Führungsteam. Denn auch, wenn es oft stressig und anstrengend ist, hatte ich noch nie so viel Spaß bei der Arbeit wie heute.
Wie sind Sie darauf gekommen, sich für den Supply Chain Management Award zu bewerben?
Ich war 2023 auf ein LOGISTIK HEUTE-Forum zum Thema Best Practices als Speaker eingeladen. Thomas Rappl, Chief Transformation Officer bei Knorr-Bremse, hat dort einen Vortrag gehalten. Es ging um das Konzept, mit dem das Unternehmen den Supply Chain Management Award 2022 gewonnen hat. Das hat mich sehr beeindruckt und ich habe mir vorgenommen, dass wir uns mit Ludwig Meister auch um diesen Preis bewerben. Zumal ich der Überzeugung bin, dass die Leistung, die wir unseren Kunden mithilfe unserer Supply Chain inzwischen bieten, herausragend ist und wir dafür sorgen, dass sie weniger Versorgungspässe haben.
Was haben Sie während des Bewerbungsprozesses gelernt?
Für uns war der Audit durch unseren Sparringspartner von PwC besonders essenziell. Dieser Blick von außen und auch die Fragen haben dazu beigetragen, dass ich meinen strategischen Blick schärfen konnte.
Während der Präsentation haben Sie auch das Wort Supply-Chain-Helden erwähnt. Der Plural ist Ihnen besonders wichtig. Weshalb?
Weil wir die Verbesserung unserer Supply Chain ohne unsere Lieferanten, Partner, Kunden und vor allem ohne unser Team nicht hinbekommen hätten. Man schafft eine solche Aufgabe nicht allein, es braucht viele. Mir ging es in der Präsentation darum, genau das rüberzubringen.
Das Gespräch führte Sandra Lehmann.
Das Interview ist erschienen in LOGISTIK HEUTE 12/2024, im Rahmen der Titelgeschichte „Ludwig Meister und Cellumation ausgezeichnet“ zu den Supply Chain Awards 2024.
(English translation, see below)
“Supply chain heroes only exist in the plural”
Technical distributor Ludwig Meister has improved its supply chain in recent years with a holistic concept. As a result, the Dachau-based company won the Supply Chain Management Award 2024. In an interview with LOGISTIK HEUTE, Max Meister, Co-CEO of Ludwig Meister, explains where the impetus for optimization came from and the importance of a clear database for a functioning supply chain.
LOGISTIK HEUTE: Why did you want to optimize your supply chain at Ludwig Meister?
Max Meister: More than ten years ago, we realized that the services we were providing for our customers were not good enough or were relatively expensive for us. This meant that although we had very high stock levels, we were still unable to offer our customers full availability of goods. That's why we started to deal with this structurally. The question for us was, how should we build a modern purchasing system that would enable us to have the right products available at the right time? We moved on from purchasing step by step and then realized that it affects the entire supply chain. So we decided to optimize the supply chain end-to-end.
During the pitch for the Supply Chain Management Award, you mentioned that optimizing the supply chain in this way is no easy task. Nevertheless, you took the plunge. How exactly did you go about it and what helped you stick with it?
We divided the overall task into smaller sections and then dedicated ourselves to one task at a time. That was certainly one of the reasons why we were successful. We didn't just focus on the goal, but much more on how our transformation is going and where we currently stand. This prevented us from freezing in the face of the many obstacles that lay ahead of us. This approach also had other advantages: The further we got, the greater our differentiation from the competition. We were suddenly able to set ourselves apart from our competitors in many positive ways.
A clear database is essential to your concept. Why is this point so important for a functioning supply chain?
For me, the so-called single source of truth is the beginning of everything. Because if you manage to keep your data in one place, in good quality and very structured, you are also able to manage the complexity of your supply chain. This starts with not having multiple systems that you have to synchronize in order to take into account all relevant sources such as suppliers, purchasing, logistics and so on. And then you might also generate data that makes a different statement. This makes tasks such as demand forecasting in purchasing very complex. If you have unclean data sources, it increases the maintenance effort and reduces the accuracy of the statements. This reduces reliability. With a shared database, on the other hand, you can create much better forecasts for many areas.
How do you manage to create a clean database?
We also have data records that are not of particularly high quality and contain errors. However, we have far fewer differentiation problems thanks to the standardized database. Each customer only exists once and all the essential information about this customer is available in one place. This means we don't make any additional errors because something goes wrong with the synchronization of individual systems or there are misunderstandings regarding orders, returns or various sales figures. This in turn allows us to make better use of technologies such as artificial intelligence.
What exactly do you mean by that?
I see artificial intelligence as a technology of the future that can help turn bad data into better data. However, if the database is good from the outset, you can generate excellent results with the support of AI. This is a huge competitive advantage for our company. Combined with our database, AI also helps us in other areas of our supply chain. For example, we use the technology for our picking robot. Using artificial intelligence, it knows how many and which parts are in a box, grabs them and picks them automatically. We compare this with our system in real time. This eliminates the need for training, for example.
What are the benefits of optimizing your supply chain for your customers?
By linking our supply chain end-to-end, we can tell our customers much more precisely how long they have to wait for certain products and when the best time is to order. We always procure a particular item from the same supplier, so we can calculate the replenishment time. We use an AI-supported algorithm, which we use for external data, to further improve this time frame. We have also developed a criticality index for our products. We use this to measure how easy or difficult it is to procure an item. For that purpose, we correlate various parameters: where does a product come from, what feedback do we receive from the supplier on the procurement time and how often is the item ordered? If criticality is high, it is clear that we need to purchase in good time and in sufficient quantities.
You say that a good database provides transparency. Why do you think this point is so important?
Transparency offers many advantages, but above all it saves resources, reduces inventories and sources of error and increases customer service. In addition, transparency is already mandatory in some areas - for example, when comparing prices online. That’s why companies that do not want to share data will not stand a chance in the long term. You have come a long way at Ludwig Meister to improve your supply chain.
Was it always easy or were there hurdles you had to overcome?
The results of our efforts were not visible right from the start and they did not have a positive impact on our turnover at the beginning. At the same time, we invested in IT, our purchasing department and our logistics, among other things. There were moments when my sister Elisabeth, who is my CO-CEO, and I questioned many things and also faced headwinds. Today, we are happy about our perseverance and the trust we have in the abilities of our employees and in ourselves as a management team. Because even though it is often stressful and exhausting, I have never had as much fun at work as I do have today.
What made you decide to apply for the Supply Chain Management Award?
I was invited to speak at a LOGISTIK HEUTE forum on best practices in 2023. Thomas Rappl, Chief Transformation Officer at Knorr-Bremse, gave a presentation there. It was about the concept with which the company won the Supply Chain Management Award 2022. That really impressed me and I decided that we would also apply for this award with Ludwig Meister. Especially as I am convinced that the service we now offer our customers with the help of our supply chain is outstanding and that we ensure that they have fewer supply bottlenecks.
What did you learn during the application process?
The audit by our sparring partner from PwC was particularly essential for us. This outside perspective and the questions helped me to sharpen my strategic view. During the presentation, you also mentioned the word supply chain heroes. The plural is particularly important to you. Why is that? Because we would not have been able to improve our supply chain without our suppliers, partners, customers and, above all, our team. You can't accomplish a task like this alone, it takes a lot of people. That's what I wanted to get across in the presentation.
The interview was conducted by Sandra Lehmann.
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