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Interview: „Pharma-Supply-Chains sind vor Corona sicherer als andere Industrien“

Die wirtschaftliche Krise um das Coronavirus zieht immer weitere Kreise. Dabei geraten auch die Lieferketten der Pharmaindustrie zunehmend in den Fokus, denn medizinische Wirkstoffe werden mittlerweile vor allem in Asien hergestellt.

Professor Dr. David Francas von der Hochschule Heilbronn sieht Diskussionsbedarf in Sachen Supply-Chain-Resilienz. (Foto: Hochschule Heidelberg)
Professor Dr. David Francas von der Hochschule Heilbronn sieht Diskussionsbedarf in Sachen Supply-Chain-Resilienz. (Foto: Hochschule Heidelberg)
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Droht also ein akuter Arzneimittelengpass? Professor Dr. David Francas, der an Hochschule Heilbronn im Studiengang Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik lehrt, hat die möglichen Auswirkungen des Coronavirus auf die globale Arzneimittelversorgung in einem wissenschaftlichen Aufsatz untersucht.

LOGISTIK HEUTE: Über die Abhängigkeit der Pharmabranche von chinesischen Wirkstoffen wird derzeit viel berichtet. Wird sie im Zusammenhang mit den durch die Coronavirus-Krise unterbrochenen Lieferketten zum Problem?

David Francas: Ein unerwarteter Ausfall auf der Lieferentenseite stellt grundsätzlich jede Supply Chain vor Herausforderungen. Besonders anfällig sind hier aus Versorgungssicht pharmazeutische Lieferketten, die Arzneimittelwirkstoffe überwiegend oder gar ausschließlich aus China, und hier vor allem aus von Abschottung betroffenen Städte und Regionen, beziehen.

Von der indischen Regierung angekündigte Exportbeschränkungen für Wirkstoffe und ein erster, von amerikanischen Behörden gemeldeter, durch den Coronavirus (Covid-19) versursachter Lieferengpass verdeutlichen die angespannte Lage. Insgesamt sind die pharmazeutischen Lieferketten aber aufgrund der vergleichsweise hohen Bestände an Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln deutlich besser als andere Industrien abgesichert. Entscheidend für die kommende Entwicklung werden Länge und das Ausmaß möglicher Produktions- und Lieferunterbrechungen sein sowie die weitere Dynamik des Covid-19-Ausbruchs.

Wie kann das Pharma-SCM einem akuten Engpass vorbeugen?

In der aktuellen Situation ist insbesondere das reaktive Supply-Chain-Risikomanagement gefordert. Es gilt nun, größtmögliche Transparenz über Art und Ausmaß von Störungen zu erzeugen und die weitere Entwicklung genau zu beobachten. Neben der Situation in China ist hier beispielsweise auch die Lage in Italien zu nennen, einem auch weltweit bedeutenden Standort der Pharmaindustrie. Ein weiterer Erfolgsfaktor für eine schnelle und effiziente Reaktion auf Störungen ist die enge Zusammenarbeit mit Lieferanten, Logistikdienstleistern und Behörden.   

Wie lässt sich eine entsprechende Abhängigkeit längerfristig reduzieren?

Über die Industriegrenzen wird das Thema Supply Chain Resilienz, also die Absicherung von Lieferketten gegenüber sogenannten „High-Impact, Low-Probability Störungen“ wie dem aktuellen Covid-19-Ausbruch noch intensiver diskutiert werden müssen. Auf politischer Ebene werden Diskussionen um Produktionsrückverlagerungen, nationale Arzneimittelreserven und Rabatt- und Preisstrukturen insbesondere im Bereich der Generika weiter zunehmen. Gerade im Bereich der Produktionsrückverlagerungen scheint aufgrund der Vielzahl von in China produzierten Wirkstoffen und den hohen, damit verbunden Kosten, eine Änderung, wenn überhaupt, nur auf transnationaler Ebene möglich. Eine Wahrheit ist aber auch, dass die zusätzliche Absicherung der Lieferketten mit Mehrkosten verbunden sein wird, welche sich direkt oder indirekt auf die Kosten des Gesundheitssystems auswirken würden.

Die Fragen stellte Therese Meitinger

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