Interview mit Paul Hopton, Scoutbee: „Künstliche Intelligenz kann helfen, neue Lieferwege zu finden“
LOGISTIK HEUTE: Wie haben sich die jüngsten Attacken der Huthi-Miliz auf Frachter im Roten Meer auf internationale Lieferketten niedergeschlagen?
Paul Hopton: Sie haben bei den Reedereien viel Unsicherheit gebracht, aber auch bei allen, die von den Lieferketten abhängig sind. Am stärksten betroffen ist der Seefrachtverkehr zwischen Europa und Asien, der oft über das Rote Meer und den Suezkanal führt. Viele Akteure haben diese Route zunächst komplett gemieden und den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung in Kauf genommen, der ein Plus von elf bis 14 Tagen bedeutet. Weil das zu Beginn der Attacken kurzfristig passiert ist, traten bei manchen Unternehmen Engpässe auf. Bei Tesla und Volvo kam es zu Produktionsstopps. Auch den Transport von verderblichen Gütern mussten manche Unternehmen angesichts der längeren Passagezeiten neu planen. All das ließ an verschiedenen Stellen die Kosten steigen.
Auf welche mittelfristigen Konsequenzen sollten sich Unternehmen einstellen?
Es sieht nicht so aus, als würde sich die Situation in absehbarer Zeit entspannen. Die Preise für Container von Asien nach Europa sind seit ihrem Höchststand zu Beginn der Anschläge zwar gesunken, liegen aber immer noch fast viermal so hoch wie im November, was tiefgreifende Auswirkungen auf Unternehmen hat, die auf Teile und Materialien aus Asien angewiesen sind. Darüber hinaus beginnen wir, Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsziele zu erkennen, da der für die zusätzlichen Fahrten benötigte Treibstoff gestiegen ist und die Reedereien die Stilllegung älterer, kohlenstoffineffizienter Schiffe hinauszögern. Dies ist eine weitere Herausforderung für die vielen Unternehmen, die sich mit den Nachhaltigkeitsanforderungen von Scope 3 auseinandersetzen müssen.
Die Huthi-Milizionäre sind nur eines von mehreren aktuellen geopolitischen Risiken. Von welchen Glaubenssätzen sollten Einkaufverantwortliche sich jetzt trennen?
Man spricht ja von der Polykrise, einem Zeitpunkt, zu dem viele Dinge gleichzeitig passieren. So gab es zum Beispiel von Kurzem auch Wassermangel am Panamakanal, der ja ebenfalls eine wichtige Schiffspassage ist. Auch unerwartete Ereignisse sind in letzter Zeit immer wieder aufgetreten. Schon mit Covid haben Unternehmen angefangen, ihre Just-in-Time-Lieferketten auf den Prüfstand zu stellen. In extremer Form kann man das in England beobachten, wo meine Eltern leben. Dort haben mit dem Live-Experiment Brexit viele Lieferketten aufgehört zu funktionieren. Entsprechend wurde die Lagerhaltung hochgefahren, wobei ein wachsendes Inventar auch viel Kapital bindet.
Welche Strategien helfen bei der Absicherung gegen kurzfristige Lieferkettendisruptionen?
Wir müssen neue Wege suchen, um alternative Lieferketten aufzubauen. Zum Beispiel helfen Multi-Supplier-Strategien, um mehr Flexibilität in die Supply Chain zu bekommen. Auch eine regionale Differenzierung bei den Lieferanten ist sinnvoll. Interessant ist auch der Ansatz, den chinesische E-Commerce-Anbieter verfolgen, die ganz ohne Logistikzentren auskommen. Sie arbeiten vielmehr mit entsprechend geplanten Produktionszyklen, die es erlauben, dass direkt von der Fabrik zum Kunden geliefert wird.
Welche Rolle können digitale Ansätze dabei spielen?
Bei Scoutbee konzentrieren wir uns sehr stark auf die Suche nach neuen Lieferanten für Unternehmen. Dabei nutzen wir künstliche Intelligenz und unsere Fähigkeit, mit dieser das gesamte Internet gezielt zu durchforsten, um neue Zulieferer zu finden. Wir haben schnell gelernt, dass Unternehmen oft eine tiefe Expertise in den Regionen haben, in denen sie aktiv sind. Orientieren sie sich in Richtung einer anderen Region, ist dieses Wissen jedoch nur teilweise nützlich. Unsere künstliche Intelligenz kann Unternehmen helfen, in ihnen unbekannten Regionen neue Lieferwege zu finden.
Die Fragen stellte Therese Meitinger.
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