Import- und Export-Seismograph: Der Brexit tut schon vor dem Brexit weh

Tonnage zwischen Deutschland und Großbritannien geht 2018 im zweistelligen Prozentbereich zurück.

Scheiden tut weh, sogar schon vor der eigentlichen Trennung: Das zeigt der aktuelle Import- und Export-Seismograph von AEB und IAL in Bezug auf den Brexit.(Foto: bluedesign/Fotolia)
Scheiden tut weh, sogar schon vor der eigentlichen Trennung: Das zeigt der aktuelle Import- und Export-Seismograph von AEB und IAL in Bezug auf den Brexit.(Foto: bluedesign/Fotolia)
Matthias Pieringer

Nach Erkenntnissen aus dem aktuellen Import- und Export-Seismograph (ESD/ISD) ist der Handel zwischen Deutschland und Großbritannien bereits vor dem Brexit eingebrochen. Im Jahr 2018 sanken demnach die deutschen Exporte nach Großbritannien um 11,4 Prozent auf 16,5 Millionen Tonnen. Die Importe gingen sogar um 15,4 Prozent auf 14,7 Millionen Tonnen zurück.

„Ein wesentlicher Treiber der hohen Rückgänge im Import waren Einbrüche bei Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas“, sagte Prof. Dr. Christian Kille vom Institut für angewandte Logistik (IAL) an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Das IAL gibt den Import- und Export-Seismographen gemeinsam mit dem auf Logistik und Außenwirtschaft spezialisierten Stuttgarter Softwarehaus AEB heraus.

Einbußen in Schlüsselindustrien

Logistik-Wissenschaftler Kille zufolge zeigen aber auch die Schlüsselindustrien mit hoher Wertschöpfung einen deutlichen Rückgang. „Großbritannien spürt schon jetzt die Folgen der Brexit-Entscheidung, ohne dass der Brexit umgesetzt wurde.“ Wie der Seismograph deutlich macht, weisen sowohl in der Chemie- als auch in der Pharmabranche die Im- und Exporte hohe Verluste auf. Auch in der bislang eng miteinander verflochtenen Fahrzeug- und Zuliefererbranche sind der Analyse zufolge in beiden Richtungen Verluste im zweistelligen Prozentbereich festzustellen. Die deutschen Importe von der Insel sanken in der Automotivebranche um 12,1 Prozent auf 430.000 Tonnen, die Exporte gingen um 11,4 Prozent auf 1,73 Millionen Tonnen zurück.

Kein Brexit-Poker gefragt

„Unternehmen können es sich nicht leisten, auf den Ausgang des Brexit-Pokers zu waren. Sie haben ihre Entscheidungen bereits getroffen und gehandelt“, erläuterte AEB-Zollexperte Dr. Ulrich Lison den „Brexit vor dem Brexit“. Zugleich warnte er: „Insbesondere in der preissensiblen Lebensmittelbranche werden Zölle zu merklichen Veränderungen führen.“ Der derzeitige Transportboom zwischen der EU und der britischen Insel, wie ihn das Transportmarktbarometer der Frachtenbörse melde, diene in erste Linie dem Aufbau von Lagerbeständen als Vorsichtsmaßnahme für den Fall eines harten Brexits, stellten Kille und Lison fest.

Der Import- und Export-Seismograph (ESD/ISD) erscheint zweimal jährlich und beleuchtet die Außenhandelsströme von und nach Deutschland. Die Auswertungen fußen unter anderem auf Daten des Statistischen Bundesamtes.