Impfstoff-Plattform: „Push und Pull im Pharmabereich zusammenbringen“

Welche Rolle können digitale Plattformen bei der effizienten Produktion und Verteilung von Impfstoffen spielen? Das wollte LOGISTIK HEUTE von Nikolaus Hagl, Leiter des Bereichs Public Sector und Energy und Mitglied der Geschäftsführung bei SAP, wissen.  

Mit dem „Vaccine Collaboration Hub“ will SAP die Pharmaindustrie bei der bedarfsgerechten Verteilung von Impfstoffen unterstützen. (Foto: SAP Image Library)
Mit dem „Vaccine Collaboration Hub“ will SAP die Pharmaindustrie bei der bedarfsgerechten Verteilung von Impfstoffen unterstützen. (Foto: SAP Image Library)
Therese Meitinger

LOGISTIK HEUTE: Wo sehen Sie mit Blick auf die Impfstoff-Lieferketten aktuell Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit von Behörden und Unternehmen?

Nikolaus Hagl, SAP: Am Anfang der Lieferkette stehen die Impfstoffhersteller. Sie müssen auf Basis bestehender Produktions- und Logistikstrukturen eine große Menge an Impfstoffen ausliefern. Pharmahersteller, die ihre Prozesse bereits durchgängig digitalisiert haben, sind hier klar im Vorteil. Auf der anderen Seite stehen die Empfänger: In Deutschland sind das Bund und Länder sowie im nächsten Schritt Impfzentren und Apotheken, die die Impfstoffe wiederum an die Arztpraxen verteilen.

Während die Lieferketten in der Pharmaindustrie in der Regel verbrauchsorientiert und damit nach dem sogenannten Pull-Prinzip funktionieren, basieren die Lieferprozesse rund um Covid-19-Impfstoffe jedoch auf dem Push-Prinzip. Das bedeutet, nicht die Nachfrage, sondern die Produktion der Impfstoffhersteller gibt den Takt vor. Die Herausforderung: Kommt es in der Produktion zu Engpässen, sinkt die Zahl der möglichen Impftermine unmittelbar und Impfpläne müssen anpasst werden. Erhöht sich andererseits die Impfstoffproduktion kurzfristig, gilt es, zügig die Logistik anzupassen und neue Termine mit Impfwilligen zu vereinbaren. Um die Vakzine schnellstmöglich in der gefragten Menge zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen, müssen Bundesregierung, öffentlicher Verwaltung, medizinischer Einrichtungen und der Pharmaindustrie noch reibungsloser zusammenarbeiten. Am besten, indem sie diese Prozesse konsequent digitalisieren.

Welche Rolle kann IT bei der Bewältigung des Problems spielen?

Digitale Plattformen stärken die Resilienz der Logistikkette. Um Impfstoffe von der Produktion bis zum Patienten zügig und sicher zu transportieren, eignen sich Softwareportale, über die sich alle Beteiligten schnell und unkompliziert vernetzen, informieren und austauschen können.

Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür: Impfstoffhersteller, Logistiker, Behörden und medizinische Einrichtungen teilen ihre Daten über das Netzwerk. Erst dadurch entsteht die nötige Transparenz, um Einblick in alle Abläufe entlang der gesamten Lieferkette zu bekommen und Impfstoffe effizient verteilen zu können.

Welchen Ansatz verfolgt SAPs „Vaccine Collaboration Hub“ bei der Koordination der Tätigkeiten von Unternehmen und Behörden?

Mit dem „Vaccine Collaboration Hub“ (VCH) unterstützt SAP die Pharmaindustrie dabei, Impfstoffe bedarfsgerecht zu verteilen. Zugleich wird es für Behörden einfacher, Massenimpfungen umzusetzen.

Für transparente Einblicke ins Impfmanagement sorgen die im VCH gebündelten cloudbasierten Anwendungen – wie beispielsweise „SAP Logistics Business Network“, „SAP S/4HANA“ oder „SAP Analytics Cloud.“ Außerdem ist mit „Qualtrics Vaccine Management + Citizen Experience“ eine Lösung integriert, die Bund, Ländern und Kommunen hilft, herauszufinden, wie die Bürgerinnen und Bürger zur Impfung stehen. Auf Basis der Ergebnisse lassen sich entsprechende Maßnahmen ableiten, um eine größere Akzeptanz zu erreichen. Außerdem unterstützt die Software dabei, Impfungen zu planen oder mögliche Nebenwirkungen zu erfassen.

Über die offene Plattform des VCH teilen die Beteiligten alle relevanten Daten. Dies ermöglicht ihnen umfassende Einblicke in Verfügbarkeit, Liefermengen und Fortschritte von Impfprogrammen. Alle damit verbundenen Logistik- und Verteilungsprozesse lassen sich in Echtzeit planen.

SAP hat sich auf die Fahnen geschrieben, mit dem „Vaccine Collaboration Hub“ die Impfkampagne der Bundesregierung zu unterstützen. Welche konkreten Pläne gibt es hier?

Klar ist: Die Situation in der Pandemie und damit auch die Impffortschritte verändern sich täglich – und damit auch die Antwort auf die Frage nach konkreten Maßnahmen. Grundsätzlich gilt jedoch: Bundesregierung, Länder und Kommunen gleichermaßen können sich auf Software von SAP verlassen, um Ressourcen zu verwalten und Transparenz in einer vollständig vernetzten Logistikkette zu schaffen. Mit SAP-Tools können alle Beteiligten, potenzielle Engpässe bei Ressourcen und in den Lieferketten besser beheben, schneller auf Veränderungen reagieren, das faire Verteilen der Impfstoffe überwachen und das Vertrauen der Bürger stärken.

Im Moment nutzt beispielsweise das Bundesland Sachsen den Vaccine Collaboration Hub, um Impfdosen rein digital zu beschaffen, auszuliefern und seine Bestände zu verwalten. Als Grundlage dafür dienen SAP S/4HANA und eine Komponente für das Inventory Management. Dank der offenen Plattform und vordefinierter Templates gelang die Einführung in Sachsen innerhalb von vier Wochen.

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