Humanitäre Logistik: Hilfe, die ankommt
In Krisenfällen gilt es für Hilfsorganisationen schnell und effektiv zu reagieren. Dabei spielt Logistik eine zentrale Rolle. Ein Forschungsprojekt des Wissenschaftsfonds FWF untersucht, wie private Logistikunternehmen und humanitäre Organisationen verstärkt zusammenarbeiten können. Denn mit ihrem Know-how und internationalen Netzwerken können private Logistikunternehmen wichtige Partner in Krisenfällen sein. Wissenschaftler der Wirtschaftsuniversität Wien untersuchen in einem aktuellen Projekt des Wissenschaftsfonds FWF, wie sich die Expertise der privaten Dienstleister in den humanitären Bereich übertragen lässt. Ein Team rund um Tina Wakolbinger vom Institut für Transportwirtschaft und Logistik analysiert mithilfe von spieltheoretischen Modellen, welche Logistikaktivitäten von Hilfsorganisationen an kommerzielle Unternehmen ausgelagert werden können und welche Vertrags- und Preisformen positiven Ergebnisse für alle sicherstellen.
Logistik hat untergeordnete Rolle gespielt
Berücksichtigt werden dabei die Art der Katastrophe, die Charakteristiken der Hilfsorganisationen und die jeweiligen Phasen von Krisenfällen. "Logistik hat traditionell in vielen Non-Profit-Organisationen eine untergeordnete Rolle gespielt, obwohl dieser Bereich einen Großteil der Kosten verursacht", erklärt Wakolbinger. Die humanitäre Hilfe sei ein riesiger Markt für den privaten Sektor. Im Moment gebe es aber noch viele Schwierigkeiten in der Kollaboration mit der internationalen Katastrophenhilfe, wie Wakolbinger sagt. Die Befragungen, die im Rahmen des noch laufenden Forschungsprojektes durchgeführt wurden, zeigen, dass auf beiden Seiten Skepsis besteht. Schwierigkeiten liegen im Bereich des fehlenden Vertrauens, der Leistungsmessung sowie des Informationsaustausches.
Zeit und Ressourcen nötig
Speziell kleinere Non-Profit-Organisationen haben Angst vor der Abhängigkeit von einem Unternehmenspartner. Für Unternehmen ist die Sicherstellung der Mitarbeitersicherheit ein wichtiges Thema. Es benötigt Zeit und Ressourcen, erfolgreiche Kooperationen aufzubauen. Ein erfolgreiches Beispiel für die Teilnahme von Unternehmen an der Katastrophenhilfe sind Desaster Response Teams des KEP-Dienstleisters Deutsche Post DHL, die bei der Abwicklung der Hilfsgüterströme an Flughäfen unterstützen.
Erfahrungen machen
"Bis jetzt ist sehr viel ad hoc passiert und ohne Evaluation", erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin. "Jetzt beginnen Unternehmen gezielter zu überlegen, was sinnvoll ist und was der langfristige Nutzen der Zusammenarbeit sein kann." Neben wirtschaftlichen Überlegungen und Erschließung neuer Märkte zählen auch Reputationsgewinn und Mitarbeitermotivation dazu. Auch für die Logistik-Profis können das wichtige Erfahrungen sein. Denn von den NGOs lernen sie viel über Arbeiten unter Zeitdruck mit limitierten Ressourcen sowie auch über die lokalen Märkte.
Zusammenarbeit muss sich rechnen
"Auf lange Sicht muss sich die Zusammenarbeit für alle Partner rechnen", betont Wakolbinger. Daher sei es wichtig, Vertragsbedingungen auszuformulieren und zu gestalten, die wichtige Fragen wie Umfang, Fristen und gebietsbezogene Abgrenzungen für gemeinnützige Services klären.
Rückführungslogistik noch zu wenig im Fokus
Aus dem wachsenden Bedarf an humanitären Einsätzen müssen sich die Hilfsorganisationen inzwischen auch der Frage der Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten stellen. Die sogenannte "Rückführungslogistik" im Katastrophenfall sei aus wissenschaftlicher Sicht ein noch zu wenig beachtetes Thema, so Wakolbinger. Die Frage sei, was mit medizinischen Abfällen, Chemikalien, Verpackungen oder Gebrauchsgegenständen nach Beendigung des Hilfseinsatzes passiert. Firmen und NGOs wie etwa "Disaster Waste Recovery" haben sich auf den Bereich des Abfallmanagements im Katastrophenfall spezialisiert, und Organisationen verpflichten sich zusehends, nicht nur rasch, sondern auch nachhaltig Hilfe zu leisten.
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