HANNOVER MESSE Digital Edition: Lieferketten als heimliche Protagonisten
Internationale Lieferketten zogen sich – neben der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit – am Eröffnungstag der HANNOVER MESSE Digital Edition als eines der Leitmotive durch mehrere Veranstaltungen. Im Konferenzprogramm war der Montag dabei für politische Themen vorgesehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihre 16. und letzte HANNOVER MESSE eröffnete, argumentierte etwa, die Coronapandemie hätten in der deutschen Wirtschaft einen Nachholbedarf Sachen Resilienz und Vorsorge aufgedeckt.
„Die Probleme mit den Maskenbeschaffung haben im letzten Frühling gezeigt, wie anfällig internationale Lieferketten sind“, so Merkel. „Wir müssen daraus zwei Schlussfolgerungen ziehen: Zum einen die Diversifizierung der Handelslieferketten und die Bewahrung des Multilateralismus, zum anderen aber auch die Stärkung der Position Deutschlands und Europas.“
Mikrochips, Kunststoffe, Stahl und Kupfer gefragt
Dr. Gunther Kegel, Präsident des Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), forderte auf dessen Eröffungspressekonferenz ebenfalls eine deutlich aktivere deutsche Industriepolitik vonseiten der Bundesrepublik und der Europäischen Union. 60 Prozent der ZVEI-Mitglieder befürworteten einer Umfrage zufolge einen Auf- und Ausbau von Mikroelektronik-Produktionsstätten zur Versorgungssicherheit. Schließlich bereiten der Branche aktuell Beschaffungsengpässe von Vorleistungen Probleme. Lieferschwierigkeiten gibt es unter anderem bei Mikrochips, Kunststoffen, Stahl und Kupfer.
„Im Jahr 2020 war das Problem vor allem eine schwache Nachfrage, das hat sich jetzt gedreht. Die Nachfrage übersteigt etwa bei Halbleitern deutlich das Angebot“, so Kegel. „Wir rechnen damit, dass sich die Verknappung in der Elektronik in den nächsten Wochen eher noch verschärfen wird, und sich unsere Lieferketten im dritten oder vierten Quartal 2021 normalisieren werden.“
Neben den Engpässen machen sich nicht nur in der Elektronikindustrie knappe Transportkapazitäten bemerkbar, die zu höhere Kosten und längere Kosten nach sich ziehen. Trotz der herausfordernden Bedingungen blicken die ZVEI-Mitgliederunternehmen jedoch vorsichtig optimistisch auf 2021, man erwarte ein Produktionswachstum von fünf Prozent gegenüber 2020 und sei mit einer Kapazitätsauslastung von 82 Prozent fast wieder beim Vorjahresniveau angekommen, so Kegel. Auch das Geschäftsklima erhole sich.
Engpässe in den Vorleistungen schlagen sich auch bei den Anlagen- und Maschinenbauern nieder. Laut einer Umfrage des VDMA klagt aktuell rund ein Viertel der befragten 726 Mitgliedsfirmen über Produktionsbehinderungen infolge der von Engpässen in der Lieferkette.
„Das Problem ist das schnelle Anspringen der Konjunktur“, erläutert Dr. Ralph Wiechers, Chefökonom des VDMA die Hintergründe. „Doch auf regionale Lieferketten umzuschwenken, macht wenig Sinn.“
Nur die globale Ausrichtung von Supply Chains zahlt auf die Resilienz ein. Erst in globalen Handelssystemen ergeben sich Diversifizierungsmöglichkeiten.
„Die Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau zeigen sich auch in dieser Krise eine bemerkenswerte Resilienz und nutzen ihre Marktchancen“, so VDMA-Präsident Karl Haeusgen. „Insbesondere die Aussichten für weiteres Wachstum in China und anderen asiatischen Ländern sowie den USA sind gut. Der Auftragseingang liegt klar auf Wachstumskurs.“
Die Chancen, dass die Produktion ab dem zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr wieder wachse, seien ebenfalls gut. Daher hat der VDMA seine bisherige Prognose um drei Prozentpunkte erhöht und erwartet nun für 2021 ein reales Produktionswachstum von sieben Prozent. Logistiknahe Bereiche haben sich Haeusgen zufolge besser von den ersten Einbrüchen erholt als etwa die Prozessindustrie oder der Anlagenbau.
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