Handel: Textileinzelhandel fordert staatliche Hilfen

Händler sehen sich durch die Ausbreitung des Coronavirus in ihrer Existenz gefährdet.

Um die derzeitigen Ladenschließungen zu kompensieren, fordern viele Textileinzelhändler Hilfe vom Staat. (Symbolbild: Maridav/Fotolia)
Um die derzeitigen Ladenschließungen zu kompensieren, fordern viele Textileinzelhändler Hilfe vom Staat. (Symbolbild: Maridav/Fotolia)
Sandra Lehmann

Einzelhändler in Deutschland, insbesondere aus dem Bereich Textil, sehen sich durch die angeordneten Geschäftsschließungen im Zuge der Coronavirus-Krise in ihrer Existenz gefährdet und fordern unkomplizierte staatliche Hilfen. So teilte etwa der Fashionanbieter Marc O‘Polo AG am 17. März mit, dass nach eigenem Empfinden die Geschäftsfähigkeit des deutschen Modehandels durch die aktuellen Einschränkungen des öffentlichen Lebens massiv bedroht sei.

„Das Geschäftsmodell des Handels ist in der aktuellen Situation zum Erliegen gekommen. Die Bundesregierung muss die avisierten Maßnahmen sehr schnell zu den bedürftigen Unternehmen bringen. Dies ist keine Frage von Wochen, sondern vielfach eine Frage von Tagen“, kommentiert Dieter Holzer, CEO der Marc‘O Polo AG mit Sitz in Stephanskirchen.

„Wir unterstützen unsere Handelspartner mit unseren Möglichkeiten. Die von der Regierung angestoßene Aussetzung des Insolvenzrechtes und die Kurzarbeitsregelung sind wichtige Schritte. Gleichzeitig müssen nun geeignete Werkzeuge zur Entlastung des gesamten Handels, der Industrie und der Lieferketten sehr schnell greifen“, so Holzer weiter.

Die Forderung nach staatlicher Unterstützung kommt indes nicht nur von den Unternehmen selbst, sondern auch von unterschiedlichen Handels- und Textilverbänden. Um eine Insolvenzwelle im Modegeschäft zu vermeiden, sei es aus Sicht der Verbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) unabdingbar, den Händlern möglichst rasch Liquiditätshilfen zukommen zu lassen.

„Kreditinstitute müssen schnelle Übergangskredite gewähren und die Politik muss kurzfristig den Bezug von Kurzarbeitergeld unbürokratisch ermöglichen“, fordert Rolf Pangels, Hauptgeschäftsführer des BTE Handelsverbands Textil. Außerdem appelliert er an die Gewerkschaft Verdi, bereits genehmigte Sonntagsöffnungen nicht kurzfristig zu torpedieren. „Der stationäre Handel braucht jetzt jede sich bietende Gelegenheit zum Verkauf seiner Produkte, damit er auch künftig noch am Standort bestehen und Arbeitsplätze sichern kann!“

Hinzu käme, so die drei Verbände in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass der Handel mit Textilien, Schuhen und Lederwaren aufgrund des Saisongeschäftes mit modischen Wechseln besonders stark von einer umfänglichen Kaufzurückhaltung betroffen sei. Nahrungsmittel seien lebensnotwendig, andere Anschaffungen könnten zumindest aufgeschoben werden.

„Hosen oder Schuhe aus der Frühjahrskollektion kann der Modehandel aber im Herbst kaum noch verkaufen“, berichtet Pangels. „Schon ab Mai, Juni wird das schwieriger, da die Kunden dann vor allem zu Artikeln aus den Sommerkollektionen greifen.“

Zudem seien die Lager vieler Modehändler derzeit noch prall gefüllt. Insbesondere in diesem Punkt forderte der Präsident des BTE, Steffen Jost, dass der Handel eng zusammenstehen und partnerschaftlich agieren müsse. Es sei aus seiner Sicht unabdingbar, dass die vor wenigen Wochen getätigten Order neu verhandelt werden. Keinesfalls dürfe die Situation eintreten, dass ohne Absprache neue Herbstware geliefert werde, obwohl die Handelslager noch voll mit Frühjahrsware sind und gleichzeitig neue Infektionswellen entstehen, so Jost in einer Stellungnahme zur Coronakrise. Der BTE-Präsident appelliere daher eindringlich an die Partner in der Industrie, die Organisation der Lieferungen von Herbstware bereits jetzt mit dem Modehandel abzustimmen.

„Um die Existenz von kleinen, mittleren und auch größeren Modehändlern nicht noch stärker aufs Spiel zu setzen, darf es hier keine Denkverbote geben.“ Andernfalls wird es eine noch stärkere Insolvenzwelle geben, die auch nicht im Interesse der Lieferanten sein kann. „Ein Modehandel, der im Wesentlichen nur noch aus Vertikalen und großen Onlinern besteht, führt für die allermeisten Markenproduzenten zu großen Problemen.“

Des Weiteren forderte Jost auch ein Entgegenkommen von Vermietern stationärer Einzelhändler. „Vermieter dürfen die Coronakrise nicht ignorieren und weiter ihre üblichen Mieten verlangen“, erläuterte Jost am 18. März in einer Erklärung des Verbands.

Verzicht auf Mieteinnahmen gefordert

Am besten sei es aus seiner Sicht, wenn die Vermieter für die Zeit der erzwungenen Geschäftsschließungen auf ihre Mietforderungen komplett verzichten würden. Zumindest aber eine deutliche Kürzung sei laut dem Verbandspräsidenten unbedingt notwendig.

„Ansonsten werden viele Geschäfte die nächsten Monate nicht überstehen und wir werden eine explosionsartige Zunahme der Leerstände verzeichnen.“

Um die entstehenden Einbußen im stationären Geschäft zu kompensieren, versuchen aktuell viele Händler auf bestehende Onlinekanäle umzuschwenken. So lockt etwa der Rottendorfer Modehändler S. Oliver auf seiner Homepage mit versandkostenfreier Lieferung bis zum 31. März, jenem Zeitraum, für den die Schließungen stationärer Geschäfte vorerst angeordnet wurden. Fashionanbieter Esprit hingegen gibt derzeit online nicht nur Rabatt auf viele Artikel, sondern verkündet in seinem Onlineshop auch, sich weiter an sein bisheriges Lieferversprechen von zwei bis vier Tagen zu halten.

Binnenmarktlogistik aufrechterhalten

Schuhplus, ein Omnichannelhändler für Schuhe in Übergröße, sieht indes nicht nur die Politik in der Pflicht, wenn es um einen Ausweg aus der Krisensituation geht. Die aktuellen Forderungen nach schnellen Krediten sind aus Sicht des Unternehmens zwar verständlich und notwendig, dennoch verweist der Händler gegenüber LOGISTIK HEUTE darauf, dass dieses Vorgehen nur übergangsweise helfe:

„Eine Vergabe von Krediten schafft kurzweilige Liquidität, wird jedoch das Grundproblem nicht lösen“, erklärt Georg Mahn, Gründer und Expansionsleiter von Schuhplus. „Viele KMU-Unternehmen werden eine aktuell nicht absehbare Krise finanziell schlichtweg nicht durchhalten: Wenn Umsätze wegbrechen, ein System auf Null gefahren wird, dann gibt es keine Einnahmen. Wenn stationäre Geschäfte etwa nicht auf Rücklagen zurückgreifen können oder im viralen Omnichannel aufgestellt sind, somit zumindest Teilumsätze im E-Commerce erzeugen können, dann entsteht eine existenzielle Durststrecke, die durch staatliche Maßnahmen allein nicht aufgefangen werden kann.“

Vielmehr, so Mahn zu LOGISTIK HEUTE, sei es nun wichtig, dass die Politik die Binnenmarktlogistik sicherstelle, um KMU-Unternehmen aus dem Omnichannel- und E-Commerce-Bereich zu ermöglichen, ihre Geschäfte zumindest im Stand-by-Modus zuhalten.