Handel: Coronavirus stellt Wirtschaftszweig vor massive Herausforderungen

Wissenschaftler der Universität Bamberg rechnen mit Lieferengpässen und steigenden Einkaufspreisen.

Der Onlinehandel könnte laut Wissenschaftlern der Universität Bamberg von der Coronavirus-Krise profitieren. (Symbolbild: Valdis Torms/Fotolia)
Der Onlinehandel könnte laut Wissenschaftlern der Universität Bamberg von der Coronavirus-Krise profitieren. (Symbolbild: Valdis Torms/Fotolia)
Sandra Lehmann

Laut Prof. Dr. Eric Sucky und Dr. Björn Asdecker vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik, an der Universität Bamberg stellt das Coronavirus den Handel schon jetzt vor große Herausforderungen. Das gab die Universität am 13. März bekannt.

„Durch die spontanen Hamsterkäufe der vergangenen Wochen ist es für Händler derzeit sehr schwierig, ihren Warenbedarf zu kalkulieren“, erklärt Lehrstuhlinhaber Eric Sucky die aktuelle Situation. „Die erhöhten Schwankungen der Bedarfsverläufe, die so nicht zu prognostizieren waren, verursachen einen beachtlichen zusätzlichen Koordinationsaufwand, um die Warenverfügbarkeit zu gewährleisten.“

Außerdem rechnet Asdecker nach eigenen Aussagen in den kommenden Wochen mit Lieferengpässen und steigenden Einkaufspreisen. Sollte nun zusätzlich zu diesen Belastungen eine Schließung der Geschäfte drohen, könnte dies zu existenziellen Problemen für stationäre Händler führen. Eine solche Maßnahme hatte am Montag, den 16. März, unter anderem die Bayerische Landesregierung beschlossen. Geschlossen blieben demnach alle Ladenlokale des Einzelhandels mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Optikern, Drogerien, Bau- und Gartenmärkten, Sanitätshäusern, Hörgeräteakustiker, der Post, Geschäften für Tierbedarf, Tankstellen und Reinigungen. Ausgenommen sei zudem der Onlinehandel.

„Durch den intensiven Wettbewerb untereinander und insbesondere mit dem Onlinehandel ist die Lage für den niedergelassenen Einzelhandel auch ohne Corona angespannt. Ein Blick in die deutschen Innenstädte reicht, um zu erkennen, dass sich die Anzahl der Geschäftsaufgaben häufen“, so Björn Asdecker. „Bei dieser Ausgangslage könnte das Coronavirus für die verbliebenen Händler zu einer echten Gefahr werden. Dies sollte man bei der Diskussion möglicher Wirtschaftshilfen unbedingt berücksichtigen.“

Wie der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder am 16. März bekannt gab, ist ein wirtschaftliches Nothilfeprogramm für Betriebe in Bayern geplant, die durch angeordnete Schließungen unmittelbar in Not geraten. Dazu zähle auch der Einzelhandel. Geplant sind laut Söder Hilfen im Rahmen von 5.000 bis 30.000 Euro.

Gleichzeitig ergeben sich aus der aktuellen Krise aber auch Chancen, so Asdecker. Diese sieht der Wissenschaftler insbesondere für den Onlinehandel.

„Die Reduktion von Sozialkontakten wird dazu führen, dass große Bevölkerungsteile in den kommenden Tagen und Wochen vermehrt Zeit im Internet verbringen und dort auch bestellen. Dies wird neue Kundengruppen erschließen.“

Zwar werden der Onlinehandel und die Zustellbranche nicht vom Coronavirus verschont bleiben. Gleichwohl lasse sich das Geschäftsmodell aufgrund des minimalen persönlichen Kontakts im Krisenfall grundsätzlich aufrechterhalten und könne deshalb einen wichtigen Versorgungsbeitrag leisten. Eine besondere Gelegenheit ergibt sich nach Meinung von Asdecker für den Lebensmittel-Onlinehandel. Bislang kaufen Kunden Lebensmittel nur sehr selten im Internet. Laut der Studie „Tradedimensions“ des Marktforschungsunternehmens Nielsen zeichnen Lebensmittel für Einzelhandelsumsätze in Höhe von 205,7 Milliarden Euro verantwortlich. Davon werden bislang nur 1,6 Milliarden Euro im Internet erzielt. Dies entspricht weniger als einem Prozent.

„Wenn es die Lebensmittel-Onlinehändler in den kommenden Wochen schaffen, ihre Ausliefernetzwerke aufrechtzuerhalten, könnte das für dieses schwierige Marktsegment einen Durchbruch darstellen und dem Onlinehandel langfristig zu weiterem Wachstum verhelfen“, schlussfolgert Asdecker.

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