Hafenblockaden: EU-Logistikplattform soll Ukraine Getreideausfuhr erleichtern

Die Europäische Kommission will in den kommenden drei Monaten zusätzliche Güterwagen, Schiffe und Lastkraftwagen mobilisieren, um Getreide aus der Ukraine in die EU-Länder zu holen. Auch um sie in Entwicklungsländer weiterzutransportieren.

EU-Verkehrskommissarin Adina Vălea will Logistikketten koordinieren und optimieren sowie neue Routen für die Ausfuhr des ukrainischen Getreides einrichten. (Foto: Europäische Union)
EU-Verkehrskommissarin Adina Vălea will Logistikketten koordinieren und optimieren sowie neue Routen für die Ausfuhr des ukrainischen Getreides einrichten. (Foto: Europäische Union)
Therese Meitinger
(erschienen bei Transport von Christine Harttmann)

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der Blockade ukrainischer Häfen können ukrainisches Getreide und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse ihre Bestimmungsorte nicht mehr erreichen. Die Lage gefährdet die weltweite Ernährungssicherheit. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission am 12. Mai  alternative Verkehrswege, sogenannte Solidaritätskorridore vorgeschlagen, über die Getreide aus der Ukraine exportiert werden kann, wie eine Pressemitteilung berichtet.

EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean erklärte dazu:

„20 Millionen Tonnen Getreide müssen die Ukraine innerhalb von weniger als drei Monaten unter Nutzung der EU-Infrastruktur verlassen. Dies ist eine gigantische Herausforderung, weshalb es von entscheidender Bedeutung ist, die Logistikketten zu koordinieren und zu optimieren, neue Routen einzurichten und Engpässe so weit wie möglich zu vermeiden.“

Trotz der direkten Bemühungen der EU und der Mitgliedstaaten, die Grenzübergänge zwischen der Ukraine und der EU zu erleichtern, warteten aktuelle auf ukrainischer Seiten Tausende von Lkw auf ihre Abfertigung, so die EU-Kommission. Für Güterwagen nennt die Kommission eine durchschnittliche Wartezeit von 16 Tagen. An einigen Grenzen seien es bis zu 30 Tage. Noch lagert aber Getreide, das zur Ausfuhr bereitsteht, in ukrainischen Silos.

Zu den Herausforderungen gehören nach EU-Angaben unterschiedliche Spurweiten: Ukrainische Wagen sind mit dem größten Teil des EU-Eisenbahnnetzes nicht kompatibel. Die meisten Güter müssen daher auf Lastkraftwagen oder Güterwagen mit EU-Standardspurweite umgeladen werden. Das ist zeitaufwendig, und die Umschlageinrichtungen entlang der Grenzen knapp.

Logistikplattform soll Angebot und Nachfrage koordinieren

Auf der Suche nach alternativen Exportwegen will die EU-Kommission dazu beitragen, zusätzliche Güterwagen, Schiffe und Lastkraftwagen einzusetzen und fordert europäische Unternehmen auf, Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Die Kommission will dazu eine Logistikplattform zur Vermittlung von Kontakten einrichten. Dort sollen Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt und die entsprechenden Kontakte hergestellt werden können. Die Mitgliedstaaten sollen spezielle Kontaktstellen für Solidaritätskorridore benennen, heißt es.

Zugleich sollten in den Verkehrsnetzen und Umschlagterminals ukrainische landwirtschaftliche Ausfuhrsendungen vorrangig behandelt werden. Die Infrastrukturbetreiber sollten Schienenplätze für diese Ausfuhren zur Verfügung stellen, so die EU. Außerdem braucht es nach Ansicht der Kommission Getreideladegeräte, um den Getreideumschlag zu beschleunigen. Dabei sind ihr zufolge die Branchenunternehmen gefragt. Zusätzlich soll ein Straßenverkehrsabkommen mit der Ukraine Engpässe beseitigen. Die Kommission prüft außerdem zusätzliche finanzielle Garantien für Transportunternehmen, die mit ihren Fahrzeugen in die Ukraine einreisen.

Was Zollvorgänge und sonstige Kontrollen betrifft, fordert die Kommission nationale Behörden nachdrücklich auf, größtmögliche Flexibilität walten zu lassen. Außerdem sollten sie für eine angemessene Personalausstattung sorgen, um die Verfahren an den Grenzübergangsstellen zu beschleunigen.

Um mehr Kapazitäten für die ukrainischen Ausfuhren im Gebiet der EU zu schaffen, will die Kommission die in der EU verfügbaren Lagerkapazitäten bewerten und sich dazu mit den Mitgliedstaaten abstimmen.

Mittel- bis langfristig wolle man auch darauf hinarbeiten, die Infrastrukturkapazität neuer Exportkorridore zu erhöhen, heißt es. Im Rahmen des Wiederaufbaus der Ukraine will sie neue Infrastrukturverbindungen aufzubauen. Sie will Projekte zur Verbesserung der Verkehrsverbindungen mit der Ukraine, einschließlich Schienenverbindungen und Schienen-Straßen-Terminals unterstützen.

Unter normalen Umständen werden 75 Prozent der Getreideproduktion der Ukraine exportiert, was rund 20 Prozent der nationalen jährlichen Ausfuhrerlöse entspricht. Vor dem Krieg entfielen 90 Prozent der Ausfuhren von Getreide und Ölsaaten auf ukrainische Schwarzmeerhäfen. Rund ein Drittel der Ausfuhren ist für Europa, China oder Afrika bestimmt.