Forschung: Datenbrillen für individuelle Unterstützung

Die Universität Bielefeld forscht am Projekt „Avikom“.

Der Vorgänger der Avikom-Brille kann zum Beispiel Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung bei der Montage von Vogelhäuschen unterstützen. (Foto: Universität Bielefeld)
Der Vorgänger der Avikom-Brille kann zum Beispiel Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderung bei der Montage von Vogelhäuschen unterstützen. (Foto: Universität Bielefeld)

Das Forschungsprojekt „Avikom“ der Universität Bielefeld und der Fachhochschule Bielefeld beschäftigt sich mit der Entwicklung eines intelligenten audiovisuellen Assistenzsystems für Beschäftigte in Montage und Logistik. Beteiligt sind laut Mitteilung der Universität acht regionale Partner.

Assistenz durch Datenbrille

Das System soll Beschäftigte künftig mit Handlungshinweisen über visuelle Einblendung und Sprache unterstützen und kann so auch bei Anlernprozessen assistieren, heißt es. Die Datenbrille mit speziellem Headset liefere Informationen genau dann, wenn sie gebraucht werden.

„In modernen Montage- und Logistikprozessen werden auch heute noch wesentliche Arbeiten von Hand erledigt. Das neue System soll bei solchen Tätigkeiten assistieren“, sagte Professor Dr. Thomas Schack, der die Forschungsgruppe „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“ der Universität Bielefeld leitet.

Das Gemeinschaftsprojekt Avikom

Die Universität Bielefeld und die Fachhochschule Bielefeld kooperieren den Angaben zufolge für das Projekt mit regionalen Unternehmen. Partner sind die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, das Bildungswerk der ostwestfälisch-lippischen Wirtschaft (BOW), das Netzwerk OWL Maschinenbau, die Unternehmen Euscher und Dreckshage (alle aus Bielefeld), Fischer Panda (Paderborn) sowie MIT Systemarmaturen (Vlotho). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Europäische Sozialfonds (ESF) fördern der Mitteilung zufolge das Projekt bis April 2022. Insgesamt werden demnach 2,4 Millionen Euro für das Projekt aufgewendet.

Kognitives und mobiles Assistenzsystem

Die Avikom-Brille arbeitet nach Angaben der Universität Bielefeld mit Augmented Reality (erweiterter Realität) und blendet im Sichtfeld Zusatzinformationen ein. Zudem kombinieren die Forschenden sie mit einem intelligenten Kopfhörer mit Mikrofon (dem „Headset for Augmented Auditive Reality“, kurz: „HEA²R“). Dieses System wurde laut Angaben von einem Gründungsprojekt des Instituts für Systemdynamik und Mechatronik (ISyM) der Fachhochschule Bielefeld entwickelt. Darüber könne das Avikom-System ähnlich wie ein Navigationssystem mit der Nutzerin oder dem Nutzer sprechen.

„Auch können sich Beschäftigte in lauten Produktionszonen über das Gerät miteinander unterhalten, ohne dass sie der Umgebungslärm stört“, sagt Professor Dr. Joachim Waßmuth vom ISyM. „Dafür ist das System mit einem intelligenten Verfahren zur Störschallunterdrückung ausgestattet“.

Individuelle Unterstützung

Avikom steht für: Audiovisuelle Unterstützung durch ein kognitives und mobiles Assistenzsystem. Das Besondere am Assistenzsystem sei, so Schack, dass es nicht einfach Handlungsanweisungen vorgebe. Es kenne die nutzende Person, erfasse die aktuelle Situation und erkenne eigenständig Objekte und Handlungsschritte. Damit sich das System auf die jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer einstellen könne, sollen die Fertigkeiten der Beschäftigten vorab über eine softwarebasierte Diagnostik erfasst werden. Die Software soll so vorausschauend diagnostizieren, welche Schwierigkeiten die Personen bei unterschiedlichen Arbeitsprozessen haben. Auf dieser Basis können über das System individualisierte Hinweise gegeben werden, um die Beschäftigten gezielt und motivierend zu unterstützen.

In der Praxis

Im Test bei verschiedenen Unternehmen wird Avikom der Mitteilung zufolge etwa eingesetzt, um Ausbilderinnen und Ausbilder zu entlasten. So könnten Auszubildende sich mit der Datenbrille als Assistenzsystem mit Abläufen in der Werkhalle vertraut machen. Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Fernunterstützung bei der Reparatur von Maschinen. So könne ein Mechaniker, dem Spezialwissen für eine Reparatur fehlt, über die Datenbrille von Experten Unterstützung erhalten. Diese müssten nicht anreisen, sondern könnten gewissermaßen durch die Brille des Mechanikers sehen, über den Kopfhörer kommentieren und Hinweise einblenden.

Papierlos in der Lagerlogistik

In der Lagerlogistik könne die Brille zum Beispiel dafür sorgen, dass die Beschäftigten keine ausgedruckten Aufträge mehr benötigen, sondern eingeblendet oder angesagt bekommen, welche Waren zusammengestellt werden müssen. Die Brille kann Beschäftigte dann durch das Warenlager zu den jeweiligen Artikeln navigieren, sodass sie nicht immer wieder zum Zentralrechner zurückgehen müssten.