Fashionlogistik: Experten befürchten Preissteigerungen durch Unruhen in Bangladesch
Die Gewaltausbrüche in Bangladesch mit Hunderten Toten und der dadurch resultierende Regierungssturz könnten langfristig Folgen sowohl für Importeure als auch Konsumenten haben – in Form von höheren Preisen für Bekleidung. Das teilte der auf Supply Chain Management spezialisierte Softwareanbieter Setlog Ende August in einer Pressemeldung mit. Das Bochumer Unternehmen stützt sich dabei auf die Analyse von 20 Fashionmarken, die zusammengenommen mehr als 25 Prozent aller ihrer Waren allein in Bangladesch einkaufen sowie auf die Expertise von Steffen Günner, Geschäftsführer Einkauf des Dienstleisters Bay City.
Zwar sind nach den Ausgangssperren Anfang August die meisten Textilfabriken in Bangladesch wieder geöffnet, jedoch verweist Ralf Düster, Managing Director von Setlog, auf bereits entstandene Lieferverzögerungen- und Engpässe. Derzeit stauen sich Stoffe, die Bangladesch insbesondere in China zur Weiterverarbeitung einkauft, bis zu drei Wochen im Zoll der Häfen und Flughäfen:
„Zwei bis drei Wochen Verschiebung der geschätzten Ankunftszeit der Waren sehen und hören wir aktuell aus der Branche“, berichtet Düster.
Die Probleme bei der Verzollung rühren laut Steffen Günner daher, dass offene Stellen durch die Übergangsregierung noch nicht besetzt wurden. Doch der Zoll ist nur eine offene Baustelle, die andere sei die kaputte Infrastruktur. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstreuen sowie Oppositionellen und Studenten wurden zahlreiche Straßen und Gebäude beschädigt. Jetzt funktioniere beispielsweise der Bustransfer für Pendler zu ihren Arbeitsstätten nicht mehr richtig. „Im Schnitt arbeitet derzeit in den Textilfabriken nur 75 Prozent der Belegschaft“, berichtet Günner.
Das bringt die Besitzer und Manager in den Fabriken unter Druck: Sie können Produktionspläne und die oft Monate im Voraus vereinbarten Liefermengen nicht einhalten. Dadurch könnten Rechnungen von Importeuren und arbeiterlöhne gar nicht oder nur teilweise beglichen werden. Hinzu kommen Günner zufolge Lohnerhöhungen für die Arbeiter. Nach den Streiks der Belegschaften in den Textilfabriken hatte eine von der Regierung eingesetzte Kommission vor einigen Monaten eine Mindestlohnerhöhung um 56,25 Prozent auf 104 Euro ab Dezember durchgesetzt.
„Diese Lohnerhöhungen sind bisher genauso wenig eingepreist wie die gestiegenen Energiekosten und die Inflation“, erläutert Günner.
Der Einkaufsexperte glaubt, dass viele Fabriken aus ihrer Cash-Flow-Krise nicht herauskommen werden. Und wenn die Löhne und Gehälter nicht bezahlt werden, streiken die Angestellten erneut.
„Zum Teil sind das nicht nur friedliche Streiks. Mitunter beschädigen sie auch ihre eigenen Arbeitsstätten“, so Günner. Er geht davon aus, dass die Einkaufspreise, beispielsweise weniger als ein Euro für ein Kinder-T-Shirt, für Handelsketten und Discounter hierzulande nicht mehr gehalten werden können. „In den nächsten Tagen und Wochen werden Verbraucherinnen und Verbraucher nichts spüren. Aber spätestens Mitte 2025 werden die Preise für Mode anziehen“, befürchtet der Einkaufschef.
Sowohl Günner als auch Düster befürchten, dass Bangladesch trotz der großen Kapazitäten in Zukunft seine Rolle als aufstrebende „Nähfabrik Europas“ und zweitwichtigstes Importland für Modeanbieter in Deutschland verlieren kann, falls sich die Lage nicht bessert.
„Das wäre auch in Sachen Klimaziele ein enormer Rückschritt: Denn auch in diesem Punkt hat Bangladesch, das aus dem Unglück von Rana Plaza enorm gelernt hat, viel aufgeholt und ist deutlich weiter als andere Länder Asiens, bei denen das Thema Zertifizierung zum Teil noch in den Kinderschuhen steckt. Und Bangladesch bietet zudem ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis für nachhaltige Fashion“, erläutert Düster.
Die Nachhaltigkeitsoffensive des rund 170 Millionen Einwohner zählenden Landes sei ein Hoffnungsschimmer für die Textilwirtschaft. „Importeure, die nachhaltige Produkte anbieten wollen, überlegen sich sehr gut, ob sie Bangladesch als Produktionsland den Rücken kehren sollen“, sagt Düster.
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