Energiekrise: Der Automotive-Standort Deutschland gerät weiter unter Druck
Den Unternehmen der Automobilindustrie setzen die massiv gestiegenen Energiekosten erheblich zu, wobei der Strompreis laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) die derzeit größte Herausforderung darstellt. Der VDA beruft sich in seiner am 13. September veröffentlichten Mitteilung auf die Ergebnisse einer Umfrage unter den Automobilzulieferern (Herstellergruppe III) sowie den Herstellern von Anhängern, Aufbauten und Bussen (Herstellergruppe II).
An der Umfrage, die vom 2. bis 9. September 2022 durchgeführt wurde, haben sich 103 Unternehmen beteiligt. Damit liegen dem VDA nach eigenen Angaben repräsentative Aussagen zur aktuellen Lage und den Perspektiven der Automobilindustrie vor.
Gaspreis als zweigrößte Herausforderung
Nach dem Strompreis, von dem 95 Prozent der Unternehmen angaben, dass er sie aktuell stark (Prozent 28) oder sogar sehr stark (67 Prozent) belastet, ist der Gaspreis die zweigrößte Herausforderung. Für 81 Prozent der Unternehmen ist er eine sehr starke (52 Prozent) oder starke Belastung (29 Prozent). Für mehr als die Hälfte der Unternehmen sind die Energiekosten in diesem Jahr um mindestens 50 Prozent gestiegen, für 41 Prozent haben sich die Energiekosten sogar mindestens verdoppelt. Mehr als zwei Drittel aller Unternehmen blicken hinsichtlich der Energiekosten pessimistisch auf das kommende Jahr: Zwei Drittel rechnen für 2023 mit nochmals deutlich höheren Energiekosten.
Problem in puncto Anschlussverträge
Über die Preise hinaus zeichnet sich dem VDA zufolge ein weiteres Problem ab: Unternehmen erhielten derzeit mitunter von ihrem Strom- oder Gasversorger keinen Anschlussvertrag. Jedes zehnte Unternehmen gab an, selbst davon betroffen zu sein. Weitere zehn Prozent gaben in der Umfrage an, dass Lieferanten ihres Unternehmens keinen Anschlussvertrag erhalten.
Energiekosten belasten den Standort Deutschland
In Folge der extrem hohen Energiekosten gibt es bereits bei zehn Prozent der Unternehmen Einschränkungen in der Produktion. Und bei knapp einem Drittel (30 Prozent) stehen Produktionseinschränkungen aktuell zur Diskussion. Von 85 Prozent der Unternehmen wird der Standort Deutschland in Bezug auf Energiepreise und Energie-Versorgungssicherheit als international nicht wettbewerbsfähig betrachtet. Das hat auch Auswirkungen auf die Investitionsabsichten: Leidglich drei Prozent der Unternehmen wollen ihre Investitionen in Deutschland erhöhen. Demgegenüber wollen 22 Prozent Investitionen ins Ausland verlagern. 53 Prozent verschieben oder streichen ihre geplanten Investitionen.
Sorgen in Sachen Liquidität
Danach befragt, welche Auswirkungen sie auf die Liquidität des Unternehmens in den kommenden Monaten erwarten, antworteten zehn Prozent der Unternehmen, bereits jetzt unter Liquiditätsproblemen zu leiden. Weitere 32 Prozent gehen von anhaltenden, signifikanten Liquiditätsproblemen in den kommenden Monaten aus. Nur jedes fünfte Unternehmen erwarten keine Auswirkung auf seine Liquidität.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller sagte: „Die Situation gerade der mittelständischen Unternehmen der Automobilindustrie wird immer dramatischer. Das Thema der Energiekosten gehört ganz oben auf die politische Agenda.“
Müller weiter: „Die jüngst von Bundesminister Habeck angekündigte Ausweitung des Energiekostendämpfungsprogramm auf kleine und mittlere Unternehmen ist grundsätzlich richtig, muss aber unbedingt auch die nicht-energieintensiven Unternehmen berücksichtigen, wenn ein Abriss von Wertschöpfungsketten verhindert werden soll. Wer nur die energieintensiven Branchen im Blick hat, agiert kurzsichtig.“
„Für viele geht es um die unternehmerische Existenz“
Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzender des Beirats der Kirchhoff Gruppe, VDA-Vizepräsident und Vorsitzender des VDA-Mittelstandskreises, wies anlässlich der Veröffentlichung der Umfrageergebnisse darauf hin, dass dem automobilen Mittelstand das Wasser gerade bis zum Hals stehe. „Für viele geht es um die unternehmerische Existenz“, so Kirchhoff. „Die Unternehmen brauchen jetzt dringend schnelle und unbürokratische Hilfe, sonst werden bald bei vielen Mittelständlern die Lichter ausgehen."
Und Müller ergänzte: „Die Linderung der Symptome reicht in der aktuellen Lage nicht mehr aus. Es gilt die Ursache zu bekämpfen, die Energiekosten müssen runter. Die Angebotsseite muss dringend so weit wie möglich ausgebaut werden. Zudem ist die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum längst überfällig.“
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