Einkauf: Im Mittelstand wird Nachhaltigkeit zur Pflicht

Laut einer Studie des BME und von Onventis liegen auch bei der Digitalisierung Anspruch und Wirklichkeit im mittelständischen Einkauf noch auseinander.

Die Digitalisierung der mittelständische Einkauf zwar auf dem Schirm, setzt aber oft noch auf Insellösungen. (Symbolbild: Wladimir1804 / AdobeStock)
Die Digitalisierung der mittelständische Einkauf zwar auf dem Schirm, setzt aber oft noch auf Insellösungen. (Symbolbild: Wladimir1804 / AdobeStock)
Therese Meitinger

Wie setzt der mittelständische Einkauf in der DACH-Region Digitalisierung und Nachhaltigkeitsziele im Einkauf und in den Lieferketten um? Dieser Frage geht laut einer Pressemitteilung vom 21. Oktober die Studie „Einkaufsbarometer Mittelstand 2022“ nach. Bereits zum vierten Mal baten demnach der europäische Cloud-Anbieter für Source-to-Pay Prozesse im Einkauf, Onventis, der BME und die ESB Business School mittelständische Unternehmen um eine Einschätzung zum Status quo im Einkauf. An der Umfrage, die von April bis Mai 2022 durchgeführt wurde, beteiligten sich dem BME zufolge insgesamt 245 Einkaufsverantwortliche.

„Eines der zentralen Ergebnisse der Onventis-Studie, wonach Nachhaltigkeit im Einkauf von der Kür zur Pflicht wird, können wir mit Blick auf unsere Community vollauf bestätigen“, betont BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov.

Der Verlauf des kürzlich beendeten 57. Symposiums Einkauf und Logistik habe gezeigt, dass sich „unser Berufsstand dem Thema Nachhaltigkeit angesichts des dramatischen Klimawandels sowie der anhaltenden Spannungen in den internationalen Lieferketten mit großem Engagement widmet“.

Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie vor fast drei Jahren habe der Einkauf im Unternehmen mit dafür gesorgt, die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Wertschöpfungs- und Lieferketten möglichst gering zu halten.

Der Einkauf im Mittelstand machte der Studie zufolge in den letzten Jahren bei der Digitalisierung wenig Fortschritte.

„Im Ergebnis hinken auch Anschlussprojekte zur Nachhaltigkeit, Resilienz der Supply Chain oder zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes hinterher. Einkaufsabteilungen müssen die Chancen, die in Digitalisierung und Nachhaltigkeit liegen, erkennen und deren Möglichkeiten ausschöpfen“, erklärt Prof. Dr. Rainer Kämpf, Leiter der Studie und Dozent an der ESB Business School.

„Digitale Prozesse im Einkauf bilden die Grundvoraussetzung für die Umsetzung von CSR-Aspekten. Denn sie schaffen zum einen wichtige kapazitive Freiräume für Beschaffungsteams und zum anderen legen sie den Grundstein, um Nachhaltigkeitsziele aktiv in den Einkaufsprozess zu integrieren“, ergänzt Onventis CEO Frank Schmidt.

Durchgängige Einkaufs-Suites selten im Einsatz

Die Anforderungen im Beschaffungsumfeld wachsen durch Risiken in der Supply Chain, sozialverantwortliches Handeln oder Nachhaltigkeitsziele stetig. Einkaufsverantwortliche finden sich deshalb zunehmend im Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Qualitätssicherung und Kosteneinsparungen wieder. Eine digitale Source-to-Pay (S2P) Lösung, die den gesamten Beschaffungsprozess digital abbildet, adressiert dieses Problen. Dennoch setzen den Studienergbnissen zufolge fast alle KMUs (97 Prozent) und knapp drei Viertel der mittelständischen Großunternehmen keine durchgängige Einkaufssuite ein. Das restliche Viertel der größeren Unternehmen gibt in der Erhebung an, bereits eine Beschaffungslösung einzusetzen oder es für die Zukunft zu planen. Dass nur so wenige mittelständische Einkaufsorganisationen eine S2P-Suite im Einsatz haben, könnte an der Vielzahl vorhandener Insellösungen liegen, so der BME.

Bei den aktuell verfolgten Trendthemen führt in der Erhebung der Themenkomplex Corporate Social Responsibility (CSR). Das Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsziele und Klimaziele werden als CSR-Topthemen im Einkauf gesehen. Wenig überraschend ist, dass das Lieferkettengesetz aktuell am stärksten gewichtet wird. KMUs und mittelständische Großunternehmen sind hier fast gleichauf. KMUs setzen sich vermutlich bereits intensiver mit dem Thema auseinander, da sie von größeren Unternehmen zur Einhaltung der Regeln verpflichtet werden. Bei den Digitalisierungsthemen zeige sich die steigende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz im Einkauf, so die Studienautoren.

Angepasstes Risikomanagement für resiliente Lieferketten

Insbesondere die letzten Jahre haben Anpassungen im Risikomanagement notwendig gemacht. Kleinere Unternehmen haben ihr Risikomanagement vor allem hinsichtlich der Transparenz bei der Lieferantenauswahl und -bewertung sowie der Beobachtung der finanziellen Stabilität ihrer Lieferanten angepasst. Größere mittelständische Unternehmen betreiben zudem aktives Monitoring des Lieferantenrisikos. Mit Blick auf die derzeit wachsenden Anforderungen an Lieferanten in Bezug auf CSR, das Lieferkettengesetz oder pandemiebedingte Herausforderungen verwundert dieses Ergebnis nicht.

Das Lieferantenmanagement steht aktuell als Top-Thema auf der Agenda von Beschaffungsorganisationen. Die Digitalisierung der Risikoabteilung oder die Zentralisierung von Risikofunktionen fällt in der Relevanz dagegen deutlich ab. Ungefähr ein Fünftel der KMUs und 10% der mittelständischen Großunternehmen nehmen keine Änderungen im Risikomanagement vor. Das kann entweder daran liegen, dass das Risikomanagement bereits angepasst wurde oder die Anpassungen aufgrund akuter Pain-Points in anderen Bereichen verschoben wurden.

Die Ergebnisse des Einkaufsbarometers 2022 spiegelten die Vorjahresergebnisse in weiten Teilen wider, so der BME. Die Studie zeigt, dass die Digitalisierung in mittelständischen Unternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nur sehr langsam voranschreitet und das Digitalisierungstempo zum Teil sogar rückläufig ist. Dabei trägt die digitale Transformation des Einkaufs maßgeblich dazu bei, Lieferketten transparenter und nachhaltiger zu machen.

Gunnar Schmidt, Bundesvorstand Mittelstand des BME e.V., ruft den Einkauf zum Handeln auf:

„Beschaffungsorganisationen formen die Weiterentwicklung ihres Unternehmens durch die gegebenen Herausforderungen der Märkte maßgeblich mit. Aus dieser Schlüsselrolle heraus, entstehen in der Digitalisierung schnellere Fortschritte und die Maßnahmen zur Nachhaltigkeit werden leichter messbar.“