E-Commerce: Händler haben Defizite bei Logistikfähigkeiten

Laut einer Studie von Accenture und Geodis möchten 64 Prozent der Onlinehändler ihre Abhängigkeit von virtuellen Marktplätzen verringern.

Onlinehändler in Europa und den USA haben einer Studie zufolge oft keine ausreichenden Logistikfähigkeiten für erfolgreichen E-Commerce. (Symbolbild: Vege/Fotolia)
Onlinehändler in Europa und den USA haben einer Studie zufolge oft keine ausreichenden Logistikfähigkeiten für erfolgreichen E-Commerce. (Symbolbild: Vege/Fotolia)
Sandra Lehmann

Nur wenige Markenanbieter im E-Commerce-Bereich verfügen über die relevanten Logistikfähigkeiten, um im Onlinehandel erfolgreich zu sein. Das geht aus einer Studie des Logistikdienstleisters Geodis und der Beratungsagentur Accenture Interactive, einer Tochtergesellschaft von Accenture hervor, die Anfang Oktober 2020 erschienen ist. Für die Studie waren insgesamt 200 europäische und US-amerikanische Unternehmen, die Multi-Channel-Logistik betreiben, zu ihren E-Commerce-bezogenen Erwartungen an die Umsatzsteigerung ihrer Marken befragt worden.

Begrenzte logistische Möglichkeiten

Demnach sind 52 Prozent der Befragten der Meinung, dass ihr E-Commerce-Potenzial aufgrund ihrer logistischen Möglichkeiten begrenzt ist.

„Viele Markenanbieter nutzen virtuelle Marktplätze als zentrale Anlaufstelle für den Onlineverkauf ihrer Produkte. Auf diese Weise können sie eine breite Käuferschicht erreichen sowie einen Mangel an Ressourcen und logistischen Infrastrukturen ausgleichen und gleichzeitig das erwartete Kundenerlebnis bieten“, so Sohel Aziz, Geschäftsführer von Accenture Interactive.

59 Prozent der befragten europäischen Unternehmen vertrauen bei ihren Onlineverkäufen auf virtuelle Marktplätze. Ein Anteil, der deutlich höher ist als bei amerikanischen Unternehmen (46 Prozent), so Accenture. In der Zeit vor COVID-19 verfügten die virtuellen Marktplätze über einen Marktanteil von 28 Prozent, während in Zeiten der Pandemie dieser Anteil auf 38 Prozent zugenommen hat.

Abhängigkeit von Marktplätzen verkleinern

Die meisten der befragten Markenanbieter seien jedoch der Auffassung, dass eine übermäßige Abhängigkeit von virtuellen Marktplätzen nicht nachhaltig ist. Eine Verlagerung zugunsten eigener E-Commerce-Kanäle ist somit der Studie zufolge ein wichtiges Ziel. Nahezu zwei Drittel (64 Prozent) geben an, dass die Verringerung ihrer Abhängigkeit von virtuellen Marktplätzen ihre erste oder zweite Priorität für die nächsten sechs Monate sei.

Innerhalb der kommenden drei Jahre wollen laut Accenture 77 Prozent der befragten amerikanischen und 56 Prozent der europäischen Unternehmen über ihre eigenen Internetseiten direkt an die Verbraucher verkaufen. Angestrebt ist, dort 20 Prozent ihres Gesamtumsatzes zu erzielen.

„Markendirektverkäufe über die Internetseiten des Einzelhandels machen derzeit fünf bis acht Prozent der Onlineverkäufe aus. Die Unternehmen möchten diesen Anteil in den nächsten drei bis fünf Jahren auf 20 bis 30 Prozent erhöhen. Die Umfrage zeigt, dass sich Markenanbieter der Tatsache bewusst sind, dass die Verbesserung ihrer logistischen Omni-Channel-Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Kundenerfahrung – durch die Anpassung der Lieferoptionen und der Sendungsverfolgung oder die Möglichkeit der Kunden, ihre Bestellungen zu ändern – unerlässlich und dringend notwendig ist, wenn sie dieses Ziel erreichen wollen“, fasst Aziz zusammen.

76 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass die Verbesserung des Kundenerlebnisses ihre größte langfristige Herausforderung ist.

„Für den Kunden ist sowohl das Einkaufs- als auch das Liefererlebnis von entscheidender Bedeutung“, sagt Thomas Kraus, Geodis President & CEO of North, East & Central Europe. „Markenanbieter sind bestrebt, ein verbessertes E-Fulfillment, ein Angebot flexibler Lieferoptionen, eine bessere Sichtbarkeit der Sendungsverfolgung sowie einfache Rücksendungen zu bieten“, erklärt Kraus.

Derzeit böten 38 Prozent der amerikanischen und 25 Prozent der europäischen Markenanbieter landesweit einen zwei- bis dreitägigen Versand an. Innerhalb von drei Jahren streben 56 Prozent der amerikanischen und 57 Prozent der europäischen Unternehmen dies an.

Zeiten beim internationalen Versand verringern

Für den internationalen (interkontinentalen) Versand bieten nach Studienangaben derzeit keine amerikanischen Markenanbieter zwei- bis dreitägigen Versand an. 17 Prozent planen dies aber innerhalb der nächsten drei Jahre zu tun. 15 Prozent haben einen vier- bis fünftägigen Versand im Angebot. 66 Prozent planen laut Accenture, dies innerhalb der nächsten drei Jahre zu tun. Was die europäischen Markenanbieter betrifft, so bietet derzeit keiner von ihnen einen zwei- bis dreitägigen internationalen Versand an. Sieben Prozent planen dies innerhalb der nächsten drei Jahre aber zu tun. Vier Prozent bieten einen vier- bis fünftägigen Versand an, wobei 76 Prozent hoffen, dies innerhalb der nächsten drei Jahre zu realisieren.

Darüber hinaus werden den Autoren zufolge verschiedene Herausforderungen in der Studie deutlich. Dabei werden Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Europa sichtbar, wenngleich die ergriffenen Maßnahmen vergleichbar sind: Die Markenanbieter arbeiten daran, eine größere Versandflexibilität zu bieten und die Rückgabe zu vereinfachen. Die Umfrage weist jedoch darauf hin, dass nur 16 Prozent der befragten Unternehmen in der Lage sind, Echtzeit-Key-Performance-Indikatoren für ihre Lieferkette zu erhalten. Darüber hinaus geben 40 Prozent der europäischen Unternehmen an, dass ihre Analysefähigkeiten zu rudimentär sind und Daten auf fragmentierte Weise, oft manuell und ohne klare Steuerung, generiert werden.

„Nur eine Minderheit der Markenanbieter verfügt über eine Echtzeit-Transparenz der Lieferkettenbestände. Diese ist jedoch unerlässlich, um die Produktverfügbarkeit zu gewährleisten, eine Vielzahl von Versandmöglichkeiten anzubieten und den Kunden über den Versandstatus des Produkts zu informieren. Kurz gesagt – um den Kunden zufriedenzustellen“, so Kraus. „Hinter den Kulissen bedeutet dies die Optimierung der Logistikkosten für jede Bestellung und die Bewältigung vieler logistischer Herausforderungen: die Abstimmung des physischen mit dem digitalen Bestand, die Bestandsoptimierung, das Transportmanagement oder die Orchestrierung von Bestellungen bei gleichzeitiger Berücksichtigung einer Vielzahl von Prozessen und Partnern.“

Dies erfordert dem Fachmann zufolge die Integration von Geschäften in E-Commerce-Netzwerke, die als Auftragsbearbeitungszentren, Sammelstellen, Versandeinrichtungen und Erfüllungszentren dienen.

„Um Agilität und Verfügbarkeit zu gewährleisten muss der Bestand näher am Endkunden sein, egal, wo er sich befindet“, fasst Kraus zusammen.