Deutscher Logistik-Kongress 2021: Lieferketten unter Druck

Neben den Verwerfungen der Coronapandemie müssen sich Unternehmen unter anderem auf verschiedene Lieferkettengesetzgebungen einstellen, wie eine Diskussion auf dem Deutschen Logistik-Kongress herausarbeitete.

Diskutierten auf dem Deutschen Logistik-Kongress 2021 (v.l.): Prof. Dr. Julia Hartmann, Stefan Ulrich, Dr. Christoph Schröder, Ansgar Lohmann und Josip P. Tomasevic. (Foto: BVL)
Diskutierten auf dem Deutschen Logistik-Kongress 2021 (v.l.): Prof. Dr. Julia Hartmann, Stefan Ulrich, Dr. Christoph Schröder, Ansgar Lohmann und Josip P. Tomasevic. (Foto: BVL)
Therese Meitinger

„Gute Lieferketten – resilient und transparent“ standen am 21. Oktober auf dem Deutschen Logistik-Kongress 2021 in Berlin im Fokus einer Diskussionsrunde. „Wir dachten, wir hätten die globalen Lieferketten für die nächsten Jahre im Griff, aber dem war nicht so“, beschrieb Moderatorin Prof. Dr. Julia Hartmann von der ESB Business School die Ausgangssituation vor der Coronakrise – und setzte zugleich das Thema für die anschließende Diskussion: unter Druck geratene Lieferketten, auf die noch mancherlei Belastungsproben zukommen.

Stefan Ulrich, CEO des Kontraktdienstleisters Simon Hegele, berichtete von der „Marktstudie Logistik 2021“, die das Unternehmen zusammen mit der Hochschule Niederrhein zu Learnings aus der ersten Phase der Coronakrise durchgeführt hatte. Befragt wurden mehr als 200 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen.

„Mit Covid-19, dem Brexit, dem Chipmangel, sektorspezifischem Strukturwandel und dem Lieferkettengesetz kamen wir nicht auf einen dominierenden Einflussfaktor, sondern auf mindestens fünf“, fasste Ulrich eine der Erkenntnisse aus der Umfrage zusammen.

Bestehendes Sourcing infrage stellen

Wie damit umgehen? Um die Lieferfähigkeit aufrechtzuerhalten, stellten die Unternehmen der Umfrage zufolge ihr bisheriges Sourcing infrage, erhöhten die Bestände und dachten über die In- und Outsourcing neu nach. Auch die Zusammenarbeit von Logistikdienstleistern wird Stefan Ulrich zufolge im Zuge der Pandemie neu kalibriert: Hier gehe der Trend zu langfristigen Partnerschaften, die sich im Krisenfall als resilienter erwiesen.

In- und Outsourcing neu zu überdenken, diese Erwägung brachte auch Josip P. Tomasevic, Senior Vice President & CPO Global Purchasing and Materials Management bei Agco, mit in die Diskussion. Für den international agierenden Multi-Brand-Landtechnikspezialist, der in Deutschland unter anderem mit der Marke Fendt vertreten ist, geht es dabei nicht um ein einfaches „Entweder-Oder“:

„One size fits all funktioniert bei uns nicht“, sagte Tomsevic mit Blick auf die Komplexität der konzerneigenen Supply Chains. „Bei großvolumigen Kapazitäten setzen wir etwa mehr auf Insourcing, um Abhängigkeiten zu reduzieren, produzieren dort, wo die Produkte gebraucht werden.“

Abhängigkeiten reduzieren will auch der Textildiscounter KiK, wie Ansgar Lohmann, Bereichsleiter Corporate und Social Responsibility, berichtete. Vor allem die Abhängigkeit von Produktionsstätten in China habe sich in der Coronapandemie stark bemerkbar gemacht – und die Verantwortlichen bei KiK zum Nachdenken gebracht.

„Wir haben uns gefragt, ob Sourcing in Osteuropa Sinn macht und wollen künftig bestimmte Kategorien dort fertigen“, so Lohmann. „Außerdem schielen wir nach Afrika, sehen uns Äthiopien und südlichere Länder als Fertigungsstandorte an.“

Bestehende CSR-Gesetzgebung wird auf hart gestellt

Lohmann gab außerdem Einblick in das umfangreiche CSR-Engagement des Textilunternehmens, das sich etwa für das jüngst beschlossene deutsche Lieferkettengesetz stark gemacht hatte. „Wir sind überzeugt, dass das Lieferkettengesetz auch eine bessere Qualität mit sich bringt.“

Sich auf verschiedene Lieferkettengesetzgebungen einzustellen, diese Hausaufgabe kommt gerade auf alle Unternehmen zu, wie Rechtsanwalt Dr. Christoph Schröder von der CMS Hasche Sigle Partnerschaft erläuterte:

„Im Moment gibt es weltweite Bestrebungen, die Soft Law im CSR-Bereich hart zu stellen, also von Richtlinien zu Sorgfaltspflichtengesetzgebung überzugehen.“

Als Beispiel nannte er ein jüngst verabschiedetes Lieferkettengesetz in Norwegen, geplante Gesetzgebung in Belgien, den Niederlanden, Kanada oder Mexiko. Außerdem sei damit zu rechnen, dass die EU-Richtlinie zur Lieferkettengesetzgebung deutlich schärfer ausfallen werde als das deutsche Lieferkettengesetz, das ab Anfang 2023 in Kraft treten soll.