Deutscher Logistik-Kongress 2020: Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Fokus

Speaker der Eröffnungsveranstaltung zeigen Lösungen für eine zukunftsfähige Logistik auf.

Logistik mit Sinn füllen: für Karl Gernandt, Vice Chairmann Kühne + Nagel, eine bedeutende Zukunftsaufgabe. (Foto: Kai Bublitz/BVL))
Logistik mit Sinn füllen: für Karl Gernandt, Vice Chairmann Kühne + Nagel, eine bedeutende Zukunftsaufgabe. (Foto: Kai Bublitz/BVL))
Sandra Lehmann

Coronakrise, Klimawandel und globale politische Unsicherheiten: sich diesen Herausforderungen und dem damit verbundenen Wandel der Gesellschaft zu stellen, wird künftig eine Hauptaufgabe der Logistik sein. Mit dieser These startete Karl Gernandt, Vice Chairman der Kühne + Nagel International AG, die Plenumsrunde, die zum Auftakt des Deutschen Logistik-Kogresses 2020 stattfand. Gernandt zufolge muss der Wirtschaftszweig Logistik aktuell verstärkt daran arbeiten, seine Rolle in einer sich wandelnden Welt neu zu definieren, da Herausforderungen wie die globale Wirtschaftskrise und die Coronapandemie nicht mehr allein mit Wissen und Ingenieursleistung bewältigt werden könnten. Stattdessen sei eine aktive Anpassung an die veränderte Situation vonnöten, erläuterte der Logistikexperte im Rahmen des rein digital stattfindenden Events. Wer weiterhin eine „Licence to operate“ in der Logistik innehaben wolle, müsse sich heutzutage allem voran um gesellschaftliche Akzeptanz seines operativen Geschäfts bemühen. Das gelte vor allem in Fragen der Klimakrise, wie der Fachmann betonte. Das Potenzial, das der Wirtschaftszweig in Deutschland hier bereits zeigt, müsse jedoch auch in anderen Ländern gehoben werden, um einen weltweiten und damit tragenden Effekt zu erzielen. Die Umsetzung von logistischen Strategien müsse dazu bei Bedarf immer wieder neu justiert werden. Als Beispiel nannte Gernandt neben dem Streben nach umweltbewusstem Verhalten eine belastbare Lieferkette zum Transport eines Coronaimpfstoffs. Insgesamt, so der Experte, muss Logistik von den Unternehmen als Teil der globalen Verantwortung wahrgenommen und vor allem mit Sinn gefüllt werden: in gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Hinsicht.

Kreislaufmodelle als Lösung

Wie man insbesondere das Ziel der klimafreundlichen Wertschöpfung und Logistik erreichen kann, war Thema des Vortrags von Christoph Bornschein, CEO der Digitalberatung TLGG. Aus Sicht des Gründers sind beide Themen sehr eng verzahnt und können sich mit ihren jeweiligen Vorzügen gegenseitig begünstigen. Die Logistik könne als Querschnittfunktion aller Wirtschaftszweige in diesem Spektrum einen wichtigen Beitrag leisten. Eine besondere Rolle innerhalb nachhaltiger und digitaler Wertschöpfungsketten kommt dabei aus Bornscheins Sicht Kreislaufsystemen zu, etwa in den Bereichen Recycling, Produktion und Verpackung. Zudem könnten Produkten durch den Einsatz von Kreislaufmodellen einen Premiumstatus erhalten, der die immer wichtiger werdende Beziehung zum Konsumenten aufgreift.

Über Verkehr und Mobilität im Zeichen einer sich wandelnden Welt sprach im Anschluss an Bornschein Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Die Managerin bekannte sich im Namen des VDA in ihrer Rede zu den Pariser Klimaschutzzielen, mahnte aber an, dass auch die Folgen von Klimapolitik berücksichtigt werden müssen. Aus Sicht von Müller ist dies aktuell vor allem in der EU noch nicht ausreichend der Fall. „Der Motor der Industrie, der auch gleichzeitig der Motor von Nachhaltigkeitsbemühungen ist, darf vor allem in Zeiten der Krise nicht durch Beschränkungen abgewürgt werden“, so die VDA-Präsidentin. Stattdessen sollten aus Müllers Sicht die Programme für den Güter- und Personenverkehr, die innerhalb des Konjunkturpaktes konzipiert wurden, nun zügig in die Tat umgesetzt und teilweise verlängert werden. Einen Fokus legte Müller dabei auf Investitionen in alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff. Aber auch eine nachhaltige Ausgestaltung des Individualverkehrs sowohl für Menschen als auch für Güter regte die Managerin in ihrem Vortrag an.

Mehr Güter auf die Schiene

Ganz auf den Verkehrsträger Schiene setzt in dieser Hinsicht Dr. Sigrid Nikutta, Vorstand Güterverkehr der Deutschen Bahn AG sowie Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG. Die Güterverkehrsexpertin plädierte im Rahmen des Plenums für die verstärkte Verlagerung von Waren auf die Schiene und eine Verschiebung im Modal Split zu Gunsten des Güterzugs, der derzeit bei lediglich 18 Prozent liege. Vor allem den Anteil des Einzelwagenverkehrs möchte Nikutta in den kommenden Jahren von heute 18 auf 25 Prozent erhöhen. In ihrem Vortrag erläuterte die studierte Psychologin auch, dass der Güterzug bereits heute ein nachhaltiges Verkehrsmittel sei, mit dem rund 80 Prozent CO2 gegenüber dem Einsatz von Lkw gespart werden könne. Allerdings führe dies nur zu einem entsprechenden Effekt, wenn innerhalb Europas und auch auf internationaler Ebene besser zusammengearbeitet werde. Ziel müsse es sein, eine optimierte Vernetzung von Systemen auch über Ländergrenzen hinweg zu erreichen und zukünftig eine durchgehende digitale Steuerung der Verkehre in Europa und bis nach China zu gewährleisten. Dazu steht für DB Cargo insbesondere die Einführung der digitalen Kupplung im Fokus, so Nikutta.