Deindustrialisierung: Automobilsektor zieht Wertschöpfung aus Deutschland ab
Der Standort Deutschland verliert an Attraktivität. Viele Unternehmen reagieren darauf mit einer Verschiebung wichtiger Teile ihrer Wertschöpfung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Deloitte-Umfrage, wie eine Pressemitteilung vom 14. November berichtet. Ihr zufolge haben bereits mehr als zwei Drittel der Firmen (67 Prozent) verlagert – in moderatem bis sehr starkem Umfang. Stärker ausgeprägt ist diese Marschrichtung demnach in den für die deutsche Wirtschaft wichtigen Branchen Maschinenbau/Industriegüter und Automobil. Hier geben 69 Prozent an, in moderatem bis sehr starkem Umfang verlagert zu haben.
Die Befragung „Supply Chain Pulse Check“ der Unternehmensberatung Deloitte und des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) wurde im September zum zweiten Mal durchgeführt, gemeinsam mit dem Verband ISLA. Für den Survey wurden 108 Lieferketten-Verantwortliche von Großunternehmen sowie von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) in Deutschland befragt. Sie sind vorwiegend in den Branchen Maschinenbau/Industriegüter, Automobil, Chemie, Bauwesen sowie Transport und Logistik tätig.
Abwanderung in Richtung EU, Asien und USA
Derzeit verschieben die Unternehmen der Erhebung zufolge vor allem wenig komplexe Bereiche wie die Bauteilfertigung ins Ausland.
„Hier findet die Deindustrialisierung bereits in erheblichem Umfang statt. Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, werden sehr wahrscheinlich mehr Unternehmen folgen und zunehmend wichtigere Teile der Wertschöpfung abwandern“, sagt Florian Ploner, Partner bei Deloitte und zuständig für den Industriesektor.
Denn auf die Frage nach geplanten Verlagerungen verweisen jeweils ein Drittel der Befragten auf hochwertige Wertschöpfungsteile wie die Produktion im Allgemeinen (33 Prozent) oder die Vormontage (34 Prozent).
Im Moment zieht es die Unternehmen in etwa gleichen Teilen in andere EU-Länder, nach Asien und in die USA. Der Standort China verliert nur geringfügig an Attraktivität. Ihn zugunsten anderer asiatischer Länder zu verlassen, plant lediglich ein Zehntel der Firmen; eine Rückkehr aus Asien nach Europa sehen acht Prozent vor.
Hemmschuh Lieferkettengesetz?
Was ist also zu tun, um den Standort wieder attraktiver zu machen? Mit Blick auf den aktuellen Subventionswettlauf unter anderem mit den USA und China gehen die Meinungen auseinander. Nur sieben Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich Deutschland behaupten wird. Knapp ein Viertel (23 Prozent) ist der Ansicht, Deutschland sollte gar nicht teilnehmen während 36 Prozent meinen, Deutschland sollte hier deutlich aktiver werden.
Sinnvolle Maßnahmen zur Stärkung der Standortattraktivität sind aus Sicht der befragten Unternehmen die Reduzierung von Bürokratie und langfristig wettbewerbsfähige Energiepreise. 69 Prozent favorisieren dies. Eine staatliche Förderung von Schlüsseltechnologien (45 Prozent) oder eine vereinfachte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften (43 Prozent) spielt für die Betriebe dagegen eine deutlich geringere Rolle.
Ausgesprochen kritisch sehen die Befragten das Lieferkettengesetz (LkSG). 63 Prozent der Firmen betrachten es als eine übermäßige Belastung im operativen Geschäft. Nur knapp jedes vierte Unternehmen (23 Prozent) sieht in dem Gesetz einen Beitrag zu einheitlichen Rahmenbedingungen und damit eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
„Der Druck, der auf den Unternehmen lastet, ist enorm“, sagt Dr. Jürgen Sandau, Partner und Lieferketten-Experte bei Deloitte. „Dennoch ist eine vorschnelle Verlagerung selten sinnvoll. Die Firmen hierzulande sind gut beraten, ihre Kapazitäten mit Hilfe von Plattformen und Netzwerken über die nächsten fünf Jahre flexibel zu gestalten. Denn Faktoren wie Rechtssicherheit und Stabilität am Standort Deutschland sind wesentlich für den unternehmerischen Erfolg.“
Unternehmen, die aktuell nicht verlagern, planen laut der Deloitte-Erhebung weit stärker alternative Lieferanten und Multisourcing zu nutzen. Sie setzen auf ganzheitliches Lieferantenmanagement und Kooperation sowie lieferkettenübergreifenden Datenaustausch und Risikoanalysen. „Damit lässt sich eine höhere Widerstandsfähigkeit am Standort Deutschland erlangen. Maßnahmen wie diese sind zentral, um die Resilienz in zunehmend diversifizierten Lieferketten zu stärken“, sagt Sandau.
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