Coronakrise: Deutsche Unternehmen hängen an globalen Lieferketten

Nur jedes zehnte deutsche Unternehmen will laut einer Studie künftig stärker auf heimische Supply Chains setzen.

Laut einer Studie ist im Vergleich der Wirtschaftsfelder die deutsche Industrie noch am ehesten bereits, ihre Beschaffungsstrategien lokaler zu gestalten. (Foto: Kamonrat / Fotolia)
Laut einer Studie ist im Vergleich der Wirtschaftsfelder die deutsche Industrie noch am ehesten bereits, ihre Beschaffungsstrategien lokaler zu gestalten. (Foto: Kamonrat / Fotolia)
Therese Meitinger

Nur wenige Unternehmen in Deutschland setzen trotz der Coronapandemie auf neue nationale Lieferketten und wollen die globale Beschaffung ersetzen. Das geht aus einer Ifo-Studie für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hervor, die am 10. August veröffentlicht wurde. Von 5.000 befragten Unternehmen will demnach nur jedes zehnte Unternehmen in Zukunft vermehrt auf heimische Lieferketten setzen.

„Viele Firmen planen stattdessen, ihre Lagerhaltung auszubauen und die Anzahl ihrer Zulieferer zu erhöhen“, sagt Lisandra Flach, Leiterin des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft.

Dieser Trend ziehe sich durch alle Wirtschaftssektoren, gibt Ifo an. Großunternehmen setzten auf eine größere Anzahl von Zulieferern, während kleine und mittelständische Unternehmen mehr Lagerhaltung planten. In der Industrie haben der Studie zufolge 44 Prozent der Unternehmen vor, ihre Beschaffung zu ändern. Industrieunternehmen geben laut der Studienautoren häufiger an, ihre Beschaffungsstrategie zu verändern, wenn sie von Materialmangel betroffen sind. Beim Großhandel liegt der Wert bei 35 Prozent, im Einzelhandel sind es nur 27 Prozent. Im Dienstleistungssektor planen nach Ifo-Angaben lediglich zehn Prozent der Unternehmen eine andere Beschaffungsstrategie.

Rückverlagerung könnte Wohlstandsverlust bedeuten

Die Studie ergab auch, dass eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland oder ins nahe gelegene Ausland nach Ansicht der Befragten zu hohen Wohlstandsverlusten führen würde. Bei einer Rückverlagerung könnte die reale Wirtschaftsleistung Deutschlands demnach um fast zehn Prozent zurückgehen. Gleiches gilt nach Studienangaben für die Rückverlagerung der Produktion zu europäischen Nachbarn. In diesem Fall würde die deutsche Wirtschaftsleistung um 4,2 Prozent sinken.

Besonders kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) falle eine stärkere Diversifizierung ihrer Lieferbeziehungen oft nicht leicht, argumentiert das Ifo-Institut. Für sie sei es häufig mit verhältnismäßig großem Aufwand verbunden, Geschäftsbeziehungen mit mehreren ausländischen Zulieferern aufzubauen und zu koordinieren.

„Eine mittelstandsfreundlichere Ausgestaltung von Handelsabkommen kann einen wichtigen Beitrag zu robusteren Lieferketten leisten“, sagt Andreas Baur, Co-Autor der Studie.

Eine Vereinfachung und Harmonisierung von Ursprungsregeln würde beispielsweise kleinen und mittleren Unternehmen die Nutzung von Freihandelsabkommen deutlich erleichtern und auf diese Weise neue Möglichkeiten zur Diversifizierung eröffnen, so Baur weiter.

Der Studie zufolge spielen die Wertschöpfungsketten innerhalb der EU aus deutscher Perspektive mit Abstand die wichtigste Rolle. Auch geopolitisch kommt der EU demnach eine entscheidende Rolle für Deutschland zu. Die deutsche Wirtschaft allein hingegen sei als Zulieferer für China und die USA weniger bedeutend, so das Ifo-Institut. Betrachte man die EU aber als Ganzes, ist sie sowohl für China als auch die USA der wichtigste Zulieferer von Zwischenprodukten.

„Diese wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen China und der EU können die Wahrscheinlichkeit für eine aggressive Handelspolitik verringern, da beide Seiten bei einem Handelskonflikt viel zu verlieren hätten“, sagt Flach.