Coronakrise: Allianz sieht zahlreiche Risiken für Schifffahrt

Gefahren ergeben sich laut einer Publikation des Versicherers unter anderem aus dem nicht ordnungsgemäßen Aufliegen von Schiffen.

Während Risiken, denen Schiffe auf See ausgesetzt sind, weniger häufig auftreten, steigen andere. (Foto: Ralf Gosch / Fotolia)
Während Risiken, denen Schiffe auf See ausgesetzt sind, weniger häufig auftreten, steigen andere. (Foto: Ralf Gosch / Fotolia)
Therese Meitinger

Einschränkungen bei Lieferketten und im internationalen Transport- und Reiseverkehr als Folge der Coronavirus-Pandemie haben laut einer Publikation der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS) schwerwiegende Auswirkungen auf die Schifffahrtsindustrie. Während die üblichen Risiken auf hoher See durch das Aufliegen von Schiffen in vielen Fällen zurückgegangen seien, bringe die aktuelle Situation eine Reihe von neuen Herausforderungen, argumentiert der Münchener Industrieversicherer in einer Mitteilung vom 28. Mai.

„Wenn das Aufliegen von Schiffen nicht ordnungsgemäß erfolgt, können Probleme bei der Wiederinbetriebnahme auftreten. Zudem wird die Besatzung von noch aktiven Schiffen aufgrund von Reisebeschränkungen stärker beansprucht“, sagt Volker Dierks, der bei der AGCS für die Schiffsversicherung in Zentral- und Osteuropa zuständig ist.

Nicht erfolgte Ablösungen der Crews könnten körperliche und geistige Erschöpfung hervorrufen und sich auf die Sicherheit an Bord auswirken, so Dierks weiter. Menschliches Versagen gelte als eine der Hauptursachen für Schadensfälle in der Schifffahrt.

Weitere neue Risiken: Verzögerungen bei der Wartung und Inspektion von Schiffen und der Notfallausrüstung können dem Versicherer zufolge dazu führen, dass mögliche Gefahren unentdeckt bleiben. Durch unterbrochene Versorgungsketten können laut Allianz zudem Schmier- und andere Gebrauchsmittel nicht rechtzeitig an Bord eintreffen beziehungsweise regelmäßige Treibstoffproben nur mit Verzögerung in Laboren an Land untersucht werden. Mögliche Folgen seien Maschinenschäden, wenn falsche Alternativen verwendet werden, so das Unternehmen.

Steigende Anzahl von aufliegenden Schiffen

Ein Schiff gilt als „aufgelegt“, wenn es aus dem Verkehr gezogen wird und für eine längere Zeit an einem festen Ort vor Anker liegt. Bei einem so genannten „Warm-Lay-up“ haben Schiffe noch immer eine Besatzung an Bord und können relativ schnell wieder fahrbereit sein. Bei einem „Cold-Lay-up“ wird eine Stammbesatzung für Aufgaben wie die Wartung beibehalten, die meisten Systeme werden aber abgeschaltet. Die Wiederinbetriebnahme eines Schiffes erfordert Zeit und umfangreiche Tests; die Kosten sind beträchtlich. 

„Bei einem längeren Cold Lay-up kann die Wiederinbetriebnahme sogar zu einem ungeplanten Werftaufenthalt führen. Daher sind umfassende Vorkehrungen und Pläne einschließlich umfangreicher Risikobewertungen, die das Aufliegen umfassen, entscheidend, um die Sicherheit des Schiffes während der Aufliegezeit und die anschließende Wiederinbetriebnahme zu gewährleisten“, erklärt Volker Dierks.

Reisebeschränkungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie haben laut Allianz den Austausch der Besatzung auf Schiffen erschwert. In vielen Fällen arbeiteten die Crews schon seit Monaten länger als üblich an Bord, so der Versicherer. Zusammen mit der Sorge um die Familien zu Hause könne diese Überlastungssituation bei Seeleuten zu körperlicher und geistiger Erschöpfung führen. Nach Firmenangaben wird geschätzt, dass 75 Prozent bis 96 Prozent der Zwischenfälle auf See auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. Übermüdung sei eine der Hauptursachen dafür.

„Eine gezielte Anpassungen der Arbeits- und Ruhezeiten hilft Erschöpfung vorzubeugen", sagt Anastasios Leonburg, Senior Risk Consultant Marine bei AGCS CEE: „Die Einstellung von lokal verfügbaren Seeleuten kann in einigen Fällen eine weitere Option sein.“