Corona-Lage: BME beobachtet Engpässe und Mangelwirtschaft

Vor allem die angespannte Lage auf dem Stahl- und Halbleitermarkt schlägt sich negativ in den Lieferantennetzwerken von Einkäufern nieder.

Mangelware Stahl? Viele Hüttenwerke haben 2020 ihre Produktion gedrosselt, was sich jetzt bemerkbar macht. (Foto: Industrieblick/Adobe Stock)
Mangelware Stahl? Viele Hüttenwerke haben 2020 ihre Produktion gedrosselt, was sich jetzt bemerkbar macht. (Foto: Industrieblick/Adobe Stock)
Therese Meitinger

Die aktuelle Coronakrise erschwert das Global Sourcing deutscher und europäischer Einkäufer, so der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) in einer Pressemitteilung vom 17. März. Gleichzeitig zwinge diese sie, ihre bisherigen Beschaffungsstrategien zu überdenken. Besonders problematisch erweisen sich dabei für Einkäufer aktuell Rohstoff- und Materiallieferungen; manche von ihnen sprechen dem BME zufolge bereits von Mangelwirtschaft. Deutlich bemerkbar macht sich laut dem Verband auch die angespannte Lage auf dem Halbleitermarkt.

Der Ausbruch der Pandemie in Asien hat im vergangenen Jahr praktisch über Nacht zu Lieferantenausfällen geführt. Daher überprüfen nach Erfahrung des BME mittlerweile viele westliche Unternehmen ihre Global-Sourcing-Aktivitäten und wollen mit Blick auf die Sicherheit ihrer Lieferketten langfristig wieder stärker auch mit europäischen Lieferanten Local for Local zusammenarbeiten.

Local for Local hat Langzeitwirkungen

Da die EU auf bestimmte Waren aus China Strafzölle erhoben hat, kommen noch drohende Zollschwierigkeiten für deutsche und europäische Unternehmen hinzu.

„Es zeigt sich, dass die durch Corona geänderte Situation auch Auswirkungen in Asien hat und Unternehmen hier ebenfalls neu denken müssen. Dies umso mehr, da sich die Wirtschaft in China schneller erholt als in Europa“, so Olaf Holzgrefe, Leiter International & Affairs des BME.

Local for Local sei spätestens seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie wieder eine Option für deutsche und europäische Einkäufer geworden – und das sowohl in Asien als auch in Europa.

Dank ihres flexiblen Risikomanagements haben laut BME die Unternehmen die direkten Auswirkungen der Pandemie bisher relativ gut im Griff. Allerdings treibt nach Ansicht des Verbands jetzt der erneute staatlich verordnete Lockdown den Puls in den Lieferketten nach oben. Immer mehr Einkäufer klagten über ausbleibende Rohstoff- und Materiallieferungen, so der BME; manche von ihnen sprächen sogar schon von Mangelwirtschaft. So habe das Hauen und Stechen um industrielle Ressourcen längst begonnen. Einkäufer aus dem BME-Netzwerk berichteten, dass sie in Schreiben ihrer Lieferanten auf mögliche Lieferverzögerungen und -ausfälle hingewiesen würden. Die Folge seien zusätzliche Transport- und Logistikkosten.

China als Lokomotive der Weltwirtschaft

Alles in allem erweisen sich die Lieferketten der Mitteilung zufolge aber bisher als stabil und trotzten erfolgreich der Pandemie. So bewegt sich etwa der IHS Markit/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) im Februar 2021 bereits den achten Monat in Folge deutlich über der 50-Punkte-Wachstumslinie. Als erfreulich sieht es der BME zudem, dass China wieder zur Lokomotive der Weltwirtschaft avanciere. Zahlreiche ausländische Firmen, darunter auch etliche deutsche, profitierten von der wieder anspringenden Konjunktur im Reich der Mitte.

Holzgrefe:

„Viele von ihnen erzielen zurzeit Rekordumsätze im Geschäft mit der größten Volkswirtschaft Asiens und benötigen deshalb Produktionsmaterial ohne Ende.“

Einige BME-Mitgliedsunternehmen berichteten, dass die Corona-Krise ihr Lieferanten-Netzwerk zunehmend belaste. Es kommt ihrer Erfahrung nach beispielsweise im Bereich Elektrotechnik/Elektronik zu akuten Verzögerungen bei der Belieferung mit Halbleitern. Die angespannte Situation im Elektronikmarkt führe dazu, dass abgeschlossene Kontrakte von einigen Chip-Herstellern nur noch als „Papier“ angesehen würden und bereits zugesagte Lieferungen ausblieben. Auch Industriemetalle, Granulate sowie andere Produktionsmaterialien und Vorprodukte, insbesondere aus Mittel- und Osteuropa, Japan, Indien und Mexiko, sind der Mitteilung zufolge zunehmend knapp.

Engpässe lassen Stahlpreise explodieren

Gravierende Engpässe sieht der BME in der Lieferkette Stahl, die immer mehr Verarbeitungsfirmen über Nachschubprobleme klagen lasse. Viele Hüttenwerke haben demnach 2020 auf dem Höhepunkt der Corona-Krise ihre Produktion gedrosselt und können jetzt die wieder anziehende Nachfrage kaum befriedigen. Einkäufer berichten dem BME von Stahl-Service-Centern, die ihnen 2020 kein einziges Kaufangebot unterbreitet hätten. Deshalb seien sie in den ersten zwei Quartalen dieses Jahres ausschließlich auf dem Spotmarkt aktiv. Denn dort könnten die Stahlverarbeiter kurzfristig und unmittelbar ihre Bedarfe decken.

Nicht nur bei zusätzlich bestellten Stahlmengen gebe es Lieferzeiten von mehreren Monaten; auch bei schon geschlossenen Verträgen komme es zu Verzögerungen und verringerten Zuteilungen. Angesichts der Knappheit im Markt explodierten derzeit die Stahlpreise. Diese lägen zum Teil weit über dem Vorjahresniveau und trieben die Beschaffungskosten der Einkäufer nach oben. Während zunächst vor allem Flachstahl betroffen gewesen sei, breite sich das Problem nun auch auf Produkte wie Walzdraht und auf Spezialstähle aus.

Aus der BME-Community war zu hören, dass vielen Betrieben die aktuelle Situation der Verpackungsindustrie massive Probleme bereite. Der Grund: Sie kommen mit ihrer Produktion nicht hinterher. Das gilt laut der Mitteilung vor allem für braune Standardboxen, die im Moment sehr gefragt seien.  

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