Containerstau: Krise in Yantian gravierender als Suezkanal-Havarie
Die im Mai erfolgte coronabedingte Schließung des südchinesischen Handelshafens Yantian hat dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) zufolge gravierende Auswirkungen auf die globalen Lieferketten und Warenströme. Die Beeinträchtigungen seien noch größer als während der Schiffshavarie im Suezkanal Ende März, heißt es in einer Mitteilung vom 28. Juli. Denn die Teilschließung von Yantian habe mehr Container betroffen als die Blockade im ägyptischen Schifffahrtskanal. Dies benennt der Verband als eines der zentralen Ergebnisse einer aktuellen BME-Umfrage unter 166 deutschen Unternehmen, von denen 104 direkt in China vor Ort tätig sind.
„Zu Beginn unserer Ende Juni gestarteten Umfrage war der Hafen von Yantian noch nicht wieder voll in Betrieb“, teilte BME-Vorstandsvorsitzende Gundula Ullah am 28. Juli in Eschborn mit.
Die lokale Verwaltung habe ab 21. Mai Quarantäne-Maßnahmen und coronabedingte Betriebsschließungen verfügt. Seitdem sei ein Teil der Anlegeplätze und Kräne für rund einen Monat nicht verfügbar gewesen. Vor den Hafengewässern habe sich zeitweise ein Stau von mehr als 130 Container-Schiffen gebildet. „Zwischenzeitlich wurden über Yantian nur knapp 40 Prozent der üblichen Containermenge verschifft“, informierte Ullah.
90 Prozent der chinesischen Elektronikprodukte gehen über Yantian
Vor allem für die Technik und Elektronikbranche ist die zwischenzeitlichen bei der Container-Verladung eingetreten Verzögerungen und Beeinträchtigungen nach BME-Angaben ein Problem: So laufen nach Verbandsangaben normalerweise rund 90 Prozent aller Elektronikexporte aus der Volksrepublik über den Hafen von Yantian. Auf die Stadt entfallen rund zehn Prozent der chinesischen Ausfuhren. Mit Warenlieferungen im Wert von über 700 Milliarden US-Dollar ist die Provinz Guangdong die mit Abstand exportstärkste Region des Landes.
Da weltweit nur die Häfen in Shanghai, Ningbo und Singapur mehr Container im Jahr verladen als Yantian, könnten, wie der BME argumentiert, die jetzt eingetretenen Verzögerungen die globalen Lieferketten und Lieferantenstrukturen empfindlich treffen. Allerdings habe der südchinesische Hafen – er verbindet die Industriemetropole Shenzhen mit dem Ausland – Anfang Juli seine Verladeaktivitäten wieder vollständig aufgenommen, so der Verband.
Verladeaktivitäten laufen wieder vollständig
Der Yantian International Container Terminal (YICT) verarbeitet – fast wie vor Ausbruch der Corona-Krise – rund 40.000 TEU Container am Tag und bewegt sich damit nahe der Vollauslastung.
„Die von uns befragten Unternehmen rechnen allerdings damit, dass auch die vollständige Inbetriebnahme des Hafens zu längerfristigen Beeinträchtigungen führen wird. Die zu erwartenden mehrwöchigen Beeinträchtigungen dürften solange anhalten, bis die Logistik wieder weitgehend reibungslos funktioniert“, betonte Riccardo Kurto, China-Beauftragter des BME.
Die vom BME ebenfalls befragten 104 deutschen Unternehmen in China zeigen sich zwar auch betroffen, jedoch nicht im gleichen Maße wie die 62 in der Bundesrepublik ansässigen Firmen. Allerdings gehen auch sie laut der Erhebung davon aus, dass sich die Teilschließung des Hafens bereits mittelfristig auf interne Arbeitsabläufe negativ auswirken wird.
Die fast vierwöchige Beeinträchtigung der Verladearbeiten im Hafen Yantian könnte nach Kurtos Einschätzung auch eine Abwärtsspirale für benachbarte Häfen bedeuten. Dies würde dann insbesondere die Häfen in Nansha und Shekhou im nahe gelegenen Guangzhou betreffen. Das BME-Büro in China verweist allerdings in diesem Zusammenhang darauf, dass derzeit beide genannten Häfen unter Vollauslastung an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten.
Anhaltender Containermangel befürchtet
Die BME-Umfrage adressierte auch konkrete Auswirkungen der Situation in Yantian auf die Geschäftsaktivitäten deutscher Unternehmen. So befürchten knapp 30 Prozent anhaltenden Containermangel und 57 Prozent höhere Fracht- und Logistikkosten. Kapazitätsengpässe bei Frachten erwarten fast zwei Drittel der befragten deutschen Firmen. Das Umplanen von Frachtrouten ist für 50 Prozent ein Thema. Mit Produktionsengpässen sowie verspäteten Lieferungen von und nach China rechnen 29 Prozent beziehungsweise 50 Prozent der Befragten.
„Wie bereits zu Beginn der COVID-19-Pandemie empfehlen wir unseren Mitgliedern, mittel-und langfristig geeignete Lieferanten in zusätzlichen Märkten und Regionen aufzubauen. Auf diese Weise lassen sich Ausfallrisiken oder Lieferverzögerungen am besten abmildern“, sagte Kurto.
Auch im Beschaffungsmarkt China ließen sich einige Veränderungen anstoßen. So hat sich das BME-Büro in Shanghai auf die Fahnen geschrieben, seine Mitglieder über die Sino-European Procurement Plattform (SEPP) bei der Identifikation und dem Aufbau neuer Lieferanten im Südwesten Chinas zu unterstützen. Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen dem BME, der Provinz Sichuan und den Städten Chengdu und Pujiang.
Lagerhallen, Logistikimmobilien , Logistik-Newsletter , KEP-Dienste , Container, Paletten , Intralogistik & Supply Chain Management (SCM) , Verpackung & Verladung , Versand, Umschlag & Lieferung , Luftfrachtverkehr , Gabelstapler , Fahrerlose Transportsysteme (FTS) , Fashion Logistics , Fördertechnik , Lagertechnik , E-Commerce , Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) , LogiMAT , Logistik- bzw. Transport-Dienstleistungen , Industrie 4.0 , Neubau (Logistikzentrum) , Digitalisierung & Vernetzung , Logistik-IT , Logistik-Studium , Transport- und Logistik-Dienstleistungen , Kommissionierung